45.
An einen guten Freund/ über das Absterben seiner Tochter

[117] Gott selbst blitzt auf dich zu/

Und reist die Tochter dir/ mein Herr/ aus Arm und Hertzen/

Du du fühlst/ doch nicht sie/ die grimmsten Todtes-Schmertzen/

Bestürtzter Vater du!

Gott weiß warum ers thu.

Indem die Welt ihr Heil höchst eifrig zu verschertzen/

Indem der Himmel treufft mit lichten Schwefel-Kertzen/

Liegt sie in stiller Ruh.

Dich ließ sie schon als sie dem Ehmann übergeben:

Weit besser dann bey Gott/ als einen Menschen leben/

Doch läst sie dir anitzt ihr Kind/ ihr liebstes Pfand.

Sie ging doch nur voran/ um dir die Bahn zu zeigen.

Sie geht aus fremder Hütt ins Haus das stets ihr eigen.

Sie küßt des Höchsten Mund/ du küsse seine Hand.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 117.
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