29.
Auff den Tag Michaelis Apoc. 12. Matth. 18.

[239] Wer in deß Höchsten Thron dem Schloß der Herrligkeit

Wil über alle gehn: muß hier der kleinste heissen.

Die sich der Demuth nicht mit gantzem Ernst befleissen:

Vertäuffen ihre Seel' in tausendfaches Leid.

Wenn schon der rotte Drach/ samt seinen Schaaren streit/

Vnd wieder Gott sich lehnt: muß seine Krafft zureissen.

Man schaut was an ihm hing/ mit von dem Himmel schmeissen/

In Abgrund aller Angst/ auff ewig stette Zeit.

Drumb mache dich nicht groß/ schau daß du keinem schadest/[239]

Vnd durch dein Aergernüß dir frembde schuld auffladest:

So wird der Engel-Hauff' vmb deine Demuth seyn

Der Engel die dir hier in Demuth Dinst erweisen/

Mensch so du wilt ins Haus der reinen Geister reisen/

So nim auch Demuth an/ vnd sey hier Engelrein.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 239-240.
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