48.
Auff den Sontag deß gerechtmachenden Heylandes/ oder XI. Sontag nach dem Fest der H. Dreyeinigkeit. Luc. 18.

[213] Ich bins! Gott ach ich bins! den keine Schuld noch Schande

Hat ie zu grob gedacht: der rasend eh' vnd ie

In Lastern sich gewältzt/ als ein vnsinnig Vieh'

Herr! meiner Sünd ist mehr als Sand' ans Meeres-Strande.

Mich führt der Teufel schon in Demand festem Bande:

Mein Vater: schau doch schau'/ vnd denck auff dessen Müh/

Auff dessen milde Gunst/ der sterbend mir verzih'

Nimb seine Todes Angst vnd teuers Blutt zu pfande.

Zum Pfand vnd Lösegeld/ ich darff mein Augen nicht[213]

Erheben Himmel an! ach neige dein Gesicht

Herunter über mich! ie mehr du wirst verzeihen.

Je grösser wird dein Lob; ist meiner Laster viel/

So hat deine Lieb vnd grosse Gunst kein Ziel

Die öffter/ als ein Mensch wird fehlen/ kan befreyen.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 213-214.
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