19.
An H. Johan Christoph von Schönborn Antwort/auff übersendete Sonnette

[75] Betrübtes Schlesien/ bestürtztes Vaterland/

Was hast du das der grim der Seuchen nicht verzehret?

Das der geschwinde Blitz der Schwerder nicht verheret?

Was findet man bey dir, als Leichen/ stanck/ vnd brand?

Du schleust/ in den von Blutt der Menschen/ fetten Sand

Mir Freund' vnd Bruder eyn. Du hast jhr grab beschweret

Mit deiner Aschen last/ dein Thron ist vmgekehret/

Vnd deine Freyheit heult/ im Demant-festen band

Nur eines hat dir nicht der rawe sturm genommen:

Recht vnverfälschte trew/ die einen sitz bekommen

Da wo der trawte Geist von meinem Schönborn lebt.[75]

Ich jrre: Nein/ wo ich! Er lebt in meinem Hertzen.

Vnd seine Seel in mir/ Ich fühle seine schmertzen.

Er/ meine: Schlesien/ diß ist waß dich erhebt.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 75-76.
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