26.
Domine! minor sum cunctis miserationibus Tuis!

[79] Laß alles trawren seyn/ Hör auff mein Hertz zu klagen.

Weil dir der höchste Gott/ mehr als du je begehrt.

Mehr als zu wündschen stund mit reicher Hand gewehrt.

Jtzt lach ich aller Noth! jtzt bricht die Lust mein zagen!

Die Angst/ da schier das Fleisch durch überhäuffte plagen.

Den müden Geist ausstieß/ die wehmutt ist verkehrt/

In frey vnd frölich seyn/ was jemal mich beschwehrt

Ist als ein trüber dunst vom winde weg getragen.

Wie soll ich höchster Herr! wie soll ich schwaches Kind/

Erzehlen deine werck/ die nicht zu zehlen sind/

Wer ist es doch/ den du der Gnade werth geschetzet/

Nicht dieser Thränenbach/ nicht dieser Seufftzen wind

Nicht mein Gebett verdient/ die wollust die ich find.

Du der du alles bist/ hast mich/ der nichts/ ergetzet.


d. 15. Martij Anno 1638.


Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 79.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sonette
Frühe Sonette (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)