Vierter Auftritt.


[104] Lady Macclesfield, Lord Winchester und Lord Berwick treten von der linken Seite auf. Viscount Marishal ist bereits eingetreten und wartet.


VISCOUNT. Sie hat Besuch –? Londons Modegecken –? Lord Tyrconnel vielleicht? Nein, der ist entlassen. Zwei neue Günstlinge –

LORD WINCHESTER. Wir gehen, wie ich sehe, beide nicht ohne Hoffnung, und doch kann einem nur die erbetene Huld zufallen.

LADY stolz, doch graziös. Was ist da zu tun, meine Herren? Wahrscheinlich werd' ich so entscheiden: Ihnen, Mylord, gestatt' ich, auf dem Rennen in Epsom Ihren Jockei gelb, Ihnen, Mylord Berwick, den Ihrigen in Blau erscheinen zu lassen; so bilden Sie beide zusammen meine Farbe und können dann auch schon nicht anders als gute – Freunde bleiben –

LORD BERWICK. Mylady, ein Urteil, das hart, aber weiser als das Salomonische ist. Beide mit einer Verbeugung ab.

LADY finster zu Viscount Marishal. Sie sind schon wieder in London? Wahrscheinlich um mich mit einem Prozesse zu unterhalten?

VISCOUNT durchweg boshaft. Das wird von Ihnen abhängen, Mylady.

LADY blättert auf dem Tische in Büchern mit goldenem Schnitt. Sie glauben, ich würde mich freiwillig zum Opfer Ihrer schlechten Lebensart in Paris machen und die Verlegenheiten decken, in die Sie sich durch Ihre jämmerliche Leidenschaft für das Spiel stürzen!

VISCOUNT. Im Punkt der Leidenschaften, Mylady, haben wir uns nicht viel vorzuwerfen, um so weniger, da wir dem Vermögen meines Bruders gegenüber uns im gleichen Rechte befinden.

LADY absichtslos die Worte fallen lassend. Nicht die kleinste unter[104] den Torheiten meines verstorbenen Mannes war es wohl, daß er Ihnen an seiner Hinterlassenschaft einen Anteil vermachte, der mir jede freie Bewegung in meinem Eigentum abschneidet.

VISCOUNT. Sie werden das nicht Ihr Eigentum nennen können, was durch Ihren Tod, falls ich Sie überlebe, das meinige würde. Mein Bruder war ein Narr, sonst – Halb beiseite. würd' er Sie nicht geheiratet haben. Aber er machte sein ganzes der Torheit gewidmetes Leben durch jenen einzigen vernünftigen Gedanken wieder gut, den er auf seinem Sterbebette hatte, mich zu Ihrem Erben einzusetzen. Mylady Zieht ein Papier aus der Brusttasche. hier ist ein Wechsel auf Paris von zehntausend Pfund; Sie werden die Güte haben, ihn zu unterschreiben.

LADY ihn gegen das Licht haltend, lachend, dann aber schreibend. Wer bürgt mir, daß diese Zahlen nicht mit einer Tinte geschrieben sind, die dem Viscount Marishal erlaubt, morgen zwanzigtausend daraus zu machen! Es wäre nicht das erstemal, mein Herr Schwager, daß Sie gezeigt hätten, wie fleißig Sie in Paris die Chemie studieren – Sie schreibt.

VISCOUNT. Mylady, als mein Bruder einst mit Ihnen den Heiratskontrakt unterschrieb, hielt er ihn da auch gegen das Licht, um gewiß zu sein, daß man ihm nicht mit sympathetischer Tinte noch einen gewissen – Sohn des Grasen Rivers hineinschreiben konnte?

LADY erhebt sich nicht vom Bücken des Hauptes. Es steht Ihnen vortrefflich, mir Moral zu predigen.

VISCOUNT. Der Knabe war tot, als mein Bruder von diesen Folgen einer – malerischen Reise in die schottischen Hochlande erfuhr. Er war ein gutmütiger Narr, mein Bruder; er hätte den Jungen adoptiert und im Testament vielleicht seinen eigenen Bruder über ihn vergessen.

LADY erhebt sich. Warum muß ein so elender Mensch, wie Sie, so feig sein? Ließen Sie sich in Duelle ein, so könnt' ich hoffen, daß irgendein guter französischer Fechter mich von Ihrem lästigen Dasein befreite; Ihre Rente würd' ich anwenden, um eine Kirche bauen zu lassen.

VISCOUNT. Eine Kirche!

LADY. Sie würden dann doch meine Schwelle nicht mehr berühren, mir keine Briefe schreiben, die Sie aus den Pariser Spielhäusern datieren, mich nicht in meinen Gefühlen und Neigungen mit Frauen verwechseln, denen Sie Geld geben müssen, um Ihr vertrocknetes Herz anzunehmen. Ich werde – wegen dieses Wechsels noch mit meinem Advokaten sprechen und Ihnen die Unterschrift schicken –[105]

VISCOUNT. Vertauschen Sie ihn aber nicht zufällig mit irgendeinem Liebesbriefe, damit er nicht an eine unrechte Adresse und der Brief an mich gelangt. Ich wäre imstande, den Wechsel zu vergessen und im Mantel, verhüllt, daß Sie mich nicht erkennen, bei einem der entzückenden Stelldicheins zu erscheinen, die Sie, wie mich Ihr unglücklicher Lord Tyrconnel versichert –

LADY. Elender –

BEDIENTER tritt ein. Mister Richard Savage!

LADY sich sammelnd. Stolz befehlend. Nach diesem Herrn!


Bedienter ab.


VISCOUNT. Ich will nicht stören, wenn Sie eine neue Bekanntschaft machen. Aber – beherrschen Sie sich! Die kleine Runzeln von der Stirn! So! So! Allerliebst! Leben Sie wohl, Mylady! Morgen geh' ich über den Kanal. Will ab. Mit süßer Gebärde. Kein Wort des Abschieds?

LADY. Ich will beten, daß es den ganzen Tag stürmen möge.

VISCOUNT. Tun Sie das nicht, Mylady! Sie beten so selten, daß Gott darüber erstaunen würde, wenn Sie einmal zu ihm kämen, und Ihnen das eine Mal, um Sie zu ermuntern, fortzufahren, wohl am Ende gar die Bitte erhörte. Und – den Wechsel nicht vergessen! Mit Kußfinger. Adieu! Ab.

LADY jetzt und später mit dem Wechsel spielend, ihn zusammenrollend, zuletzt verschließend. Ich wüßte nicht, daß ich je einen Menschen mehr gehaßt hätte als diesen Wüstling – Vielleicht den Grafen Rivers, als der treulos wurde – – Doch statt meiner – strafte den der Tod – Ernst sinnend. Das ist lange her –!


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 104-106.
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Richard Savage, Sohn einer Mutter
Dramatische Werke: Richard Savage; Oder, Der Sohn Einer Mutter Ottfried. Wullenweber. Der Dreizehnte November. Fremdes Glück (German Edition)