Erster Auftritt.


[109] Steele allein.


STEELE tritt ein und legt erschöpft Hut und Handschuhe ab. Ich hätte nie geglaubt, daß es so viel Mühe kostet, durch ein Journal sich über die Welt lustig zu machen! Unaufhörlich muß man in Bewegung sein, die tausend Gerüchte und Meinungen des Tags einzufangen, ehe sie veraltet sind. Kaum hat man dem einen seine Form gegeben, daß es in leichter gefälliger Kleidung vor die Menge treten kann, so beschäftigt uns schon wieder etwas anderes, das wir uns, und wär's die mangelhafte Straßenbeleuchtung Londons, nicht dürfen entgehen lassen. Ein Journalist genießt nicht den Reiz seiner Tätigkeit. Ein Tag verdrängt den andern. Während das Publikum sich an der Nummer erfreut, die heute ausgegeben wird, schwimmt unsereins schon wieder – in den Druckfehlern der andern! Da der ganze Tisch voll Korrekturen und Briefe! Geht an den Tisch und setzt sich. Anonyme Einsendungen, die man zwar im Prospektus nicht berücksichtigen zu wollen erklärt und am Ende, mit einer Redaktionsverwahrung, doch abdruckt! Auch anonyme Pasquille auf uns selbst – die Hälfte der Kugeln, die wir verschießen, rikochettiert. Eine Schilderung der Umtriebe bei der letzten Parlamentswahl in Westminster? Willkommen! Ein orientalisches Märchen? Hm, Hm! Wahrscheinlich nur eine Satire auf die Minister! Eine anonyme Androhung, daß man mein Journal verbieten würde –? Schreckschüsse – Und wenn nicht, nun so begrabt mich als »Londoner Zuschauer« – als »Londoner Beobachter« steh' ich wieder auf! Eine Ausforderung zum Duell mit einem jungen Dichter, dessen lyrische Erstlinge ich mit den Masern, Röteln und andern Kinderkrankheiten verglichen habe? Ich werde einfach den Aristoteles zum Sekundanten wählen. – Ein Billett von Miß Ellen! Steht auf; nach vorn. Ah! die Liebenswürdigste der Liebenswürdigen –! Nur ist zuweilen ihre Handschrift etwas unleserlich. Liest. Sie ist außer sich vor Entzücken über die Wirkung, die der Erfolg der heutigen Aufführung des Overbury auf Savages Mutter machen dürfte! Wird die Gefühllose hingehen? Niemand kann über ihr hartes Herz unglücklicher[109] sein als die treue Seele. Und wenn ich an unsers Freundes Überschwenglichkeit denke, erscheint mir sogar der Charakter der Lady Macclesfield zuweilen – Es klopft. Man klopft? Ohne Anmeldung? Das kann nur ein Aristokrat sein oder ein Gläubiger –


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 109-110.
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Richard Savage, Sohn einer Mutter
Dramatische Werke: Richard Savage; Oder, Der Sohn Einer Mutter Ottfried. Wullenweber. Der Dreizehnte November. Fremdes Glück (German Edition)