Vierter Auftritt.


[115] Ein Bedienter mit einem kleinen Paket tritt aus dem Hause der Lady und will dem Hintergrunde zugehen. Savage.


SAVAGE. Heda, guter Freund!

BEDIENTER sich umsehend. Seid Ihr's? Nehmt Euch in acht, daß der Haushofmeister Euch nicht sieht. Ihr sollt nicht immer hier vor dem Hause stehen.

SAVAGE gibt ihm das Beutelchen. Nimm dies, guter Freund! Doch sage mir erst: Fährt meine Mutter heut' ins Theater?

BEDIENTER. Kann ich nicht sagen.

SAVAGE. Nun denn! Nimm das auch so! Das kannst du nun wohl sagen: Wie lebt meine Mutter? Wann stand sie heut' auf?[115]

BEDIENTER. Ihr habt den Toby gestern ganz dasselbe gefragt, heute lebte sie nicht anders als gestern.

SAVAGE. Was trug sie heut' bei Tisch für ein Kleid?

BEDIENTER. Gelb.

SAVAGE. Wie war ihr Kopfputz?

BEDIENTER. A la reine.

SAVAGE. A la reine – hm – hm – Sie war geschminkt? Ein wenig? Sag's nur heraus! Sie lebt ja nach der Mode von Versailles.

BEDIENTER. Mein Gott, diese Dinge haben wir Bediente Euch schon hundertmal gesagt – Lord Tyrconnel mußte lachen, als er mich fragte, was Ihr von uns zu wissen wünscht –

SAVAGE. Schweige!

BEDIENTER. Die andern geben uns Geld, wenn wir sagen, wer nach der Lady frägt, und Ihr wollt nur allein nach ihr gefragt haben –

SAVAGE. Von ihren Freunden und Feinden will ich nichts wissen. War sie heute fröhlich? Las sie nichts? Was hast du da?

BEDIENTER. Die Lady ist gar nicht so bös, als man sagt –

SAVAGE vorwurfsvoll. Wer sagt das?

BEDIENTER. Diese Bücher, Herr, habt Ihr ihr neulich geschickt. Sie schenkt sie jetzt mir, um sie zu verkaufen.

SAVAGE nimmt das Paket und schlägt die Bücher auf, mit erstickter Stimme. Meine Schriften! ... Laß sie mir, guter Freund; ich werde sie dir gut bezahlen. Trag' sie in meine Wohnung! Grosvenor Square –

BEDIENTER. Wie Sie wollen. Gute Nacht! Ab.

SAVAGE allein. Um mich zu kränken, tat sie das? Sie hatte eine andere Absicht. Nur vor der Welt, damit die es sieht, nur vor den Spähern, damit die beschämt werden, gibt sie diese Beweise ihres stolzen Herzens. Die Schriften waren dennoch gelesen! Sie hat Tag und Nacht darin geblättert! Ich weiß es! Er schlägt auf sein Herz. Ich fühl' es hier!


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 115-116.
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Richard Savage, Sohn einer Mutter
Dramatische Werke: Richard Savage; Oder, Der Sohn Einer Mutter Ottfried. Wullenweber. Der Dreizehnte November. Fremdes Glück (German Edition)