Dritter Auftritt.


[138] Savage in geschmackvoller, eleganter Kleidung. Lord Tyrconnel.


SAVAGE. Ich suchte Sie überall, Mylord, und nun ich Sie finde, hab' ich nicht den Mut, meine Bitte auszusprechen.

LORD TYRCONNEL. Sie wissen, mein Sohn, daß ich jedem Ihrer Wünsche zuvorzukommen suche; wie sollt' ich erst hinter ihnen zurückbleiben?

SAVAGE. Ich hab' erfahren, daß meine Mutter in Kent[138] geboren wurde, auf dem Schlosse ihres Vaters, des Lord Mason; in einigen Wochen ist ihr Geburtstag. Wie wär' es, wenn wir uns daselbst durch Ankauf einige Gegenstände anzueignen suchten, die sie in die Zeit ihrer ersten Jugendjahre zurückversetzen müßten, und die wir ihr, ohne den Absender zu nennen, schickten?

LORD TYRCONNEL. Sie wissen, daß ich zu allem bereit bin; indessen erinnere ich Sie, daß Ihre Mutter Ansprüche auf Huldigungen macht, bei denen des Geburtstags einer Dame in ihrem Alter nicht gern Erwähnung geschieht.

SAVAGE. Glauben Sie das nicht, Mylord! Sie wird glücklich sein, einige Erinnerungen an das liebliche Kent und die Besitzungen ihrer Eltern wiederzufinden. Auch soll sie den Wunsch geäußert haben –

LORD TYRCONNEL. Was Sie alles erfahren!

SAVAGE. Ich habe meine Späher überall – Zögernd. sie möchte einige von den Gemälden Hogarths in ihrer Galerie besitzen –

LORD TYRCONNEL. Vielleicht die Geschichte vom verlorenen Sohn –

SAVAGE. Ohne Beziehungen! Könnte man dem Maler nicht auftragen, irgendeine seiner nächsten Kompositionen meiner Mutter – gleichsam selbst zum Geschenk darzubringen oder in anonymem Auftrag –?

LORD TYRCONNEL. Sie wissen, Savage, ich bin zur Erfüllung jedes Ihrer Wünsche bereit. Sprechen Sie mit Hogarth – er ist teuer und mit Arbeit überhäuft, indessen rechnen Sie ganz auf mich! Sie sind heut' auf unserm Ball?

SAVAGE. Ihnen und meinen Freunden zulieb'! Sonst gesteh' ich, daß diese Masken für mich etwas Abschreckendes haben. Im Süden, wo man sich zu jeder Zeit offener und freier gibt, kann man wohl einmal das Bedürfnis fühlen, sich zu vermummen, aber bei uns, wo so schon jeder Blick versteckt und unwahr genug ist, da noch Masken!

LORD TYRCONNEL. Es ist ein nur scheinbarer Zwang, der gerade auf eine anmutige Freiheit gegründet ist. Die phantastische Tracht, die Unbefangenheit hinter der Brustwehr der Unkenntlichkeit –

SAVAGE. Ich werde kommen.

LORD TYRCONNEL. Seien Sie heiterer, mein Freund – streichen Sie sich die Locken aus der Stirn und stimmen Sie in die Lebenslust mit ein, die Sie umgibt! Sie müssen den rechten Sinn mitbringen, sonst ist alles tot und wertlos, was sich hier[139] vor Ihnen ausbreitet. Ich bin kein Alfons von Ferrara, der sich mit Mäcen vergleichen dürfte, aber Sie verkümmern mir wie ein zweiter Tasso unter all den Freuden, die ich aus dem Füllhorn meiner Teilnahme schütte. Seien Sie heiter diese Nacht, sie wird Ihnen manche Überraschung bieten. Auch Miß Ellen – eine Dame, die Sie liebt, und die Sie, Muster alle musterhaften Söhne, nur darum, glaub' ich, nicht wiederlieben, weil Sie – Ihre Mutter durch eine Mesalliance zu betrüben fürchten. Hätt' ich Sie je für so aristokratisch gehalten! O Vorurteile! Wann wird eure Herrschaft schwinden! Ich muß mir – die Maske holen. Ab.

SAVAGE allein. Tasso! Und Tasso dichtete doch wenigstens sein »Jerusalem«, als er in der lästigen Atmosphäre dieser Freuden und Überraschungen, dieser sogenannten Teilnahme lebte! Es waren heitere Gärten, deren melancholische Schattengänge ihm jene Einsamkeit zauberten, ohne die man nicht Dichter sei kann; holde hohe Frauenbilder lächelten ihm und störten sein sinniges Träumen erst dann, wenn sie mit einem selbstgewundenen Lorbeer kamen und seine stillbeglückte Dichterstirn bekränzten! Da lagen sanfte Bergeshöhen vor seinen Blicken, Rebenhügel, silberne Stromgürtel, die sich durch die grünen Fluren zogen, und selbst die fürstliche Pracht, die ihn umgab, hatte den klassischen Schmelz griechischer Bildung, eine idealische Schönheit der Formen, wie sie das Erbteil eines Zeitalters war, in dem Raffael den Pinsel führte. – – Was bieten sie mir? Lakaien in betreßten, geschmacklosen Livreen, nickende Pagoden auf Kaminen, Möbel aus den feinsten Hölzern Südamerikas, Tee, der in den Gärten des Kaisers von China gewachsen ist, Weine und eine Tafel, die fürstlich: nichts, als die glänzendste Art, sich das Leben bequem zu machen, einschläfernd, unterhaltend, wie sie's nennen. Meine Phantasie kann nichts mehr zaubern, da ihr alles geboten wird; mein Gemüt findet keinen dunkeln Winkel, wo alles von Lichtern widerstrahlt; die Muse flattert scheu von einem Raum zum andern und hört nicht mehr, wenn ich ihr rufe. Der Muse kann man nicht wie einem Lakaien klingeln – – Wozu? Miß Ellen hat für mich gesprochen, sie nicht. Ich sitze wie ein Knabe am Bache und lass' ihn durch meine Finger gleiten: Ströme von Gold fließen hindurch; das einzige Ringlein der Liebe von meiner Mutter – das bleibt aus – –


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 138-140.
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Richard Savage, Sohn einer Mutter
Dramatische Werke: Richard Savage; Oder, Der Sohn Einer Mutter Ottfried. Wullenweber. Der Dreizehnte November. Fremdes Glück (German Edition)