Achter Auftritt.


[146] Lady Macclesfield, sehr aufgeregt, Lord Berwick und Winchester treten wieder ein. Die Vorigen. Dann Lord Tyrconnel, der der Lady immer folgt.


LORD BERWICK. Das Gewühl ist zu groß – Die Herzogin scheint nicht selbst die Honneurs zu machen –

LADY. Die Herzogin? Ich glaube, man hat uns getäuscht – Wir sind nicht bei der Herzogin – Ha, die Gestalt –? Ist das der Bruder der Herzogin? –

LORD TYRCONNEL. Schöne Maske, Sie werden hier einen Menschen finden, den Sie zum glücklichsten aller Sterblichen machen können –

LADY beiseite. Welche Stimme!

LORD TYRCONNEL zu der Gruppe, die sich um sie her gebildet hat. Meine Herren und Damen, wie angenehm würden Sie überrascht sein, wüßten Sie, wen uns ein glücklich unglückliches Mißverständnis hinter dieser Maske zugeführt hat!

LADY. Wie? Wer kann ich anders sein als ich? Sie reißt die Maske ab.


Die Musik hört auf.


ALLE geben ein Zeichen des Erstaunens. Lady Macclesfield –

SAVAGE stürzt ihr zu Füßen. Meine Mutter!

LADY. Ha! Das das Gaukelspiel? Reißt Lord Tyrconnel die Maske ab. Sie sind es, der das Plagiat am Palast der Herzogin beging und mich hierher verlockte? Reißt sie einem andern ab. Sie, Sie bieten zu dem Bubenstück Ihre Hand? Einem andern. Sie – weiden sich hohnlachend an seinem Gelingen? Zu Miß Ellen, die ihre Maske selbst abnahm. Sie sind die empfindende Närrin, die ihre Theaterschminke für die Farben der Tugend ausgibt?

SAVAGE. Mutter!

LADY. Du? – Dir lass' ich die Larve auf dem Armensündergesicht –! Zu solchem Verrat bietet ihr Elenden eure Hand?[146]

LORD BERWICK UND LORD WINCHESTER in höchster Verlegenheit. Mylady –

SAVAGE. Verrat? Was hör' ich?

LORD TYRCONNEL. War er noch nicht so glücklich, mit Ihnen zu tanzen?

LADY. Wenn ich je gefühlt habe, daß ich seine Mutter sein könnte, jetzt wär' es, wo ich das Recht haben möchte, ihm den Fluch einer Mutter zu geben.

LORD TYRCONNEL. Stehen Sie auf, Savage, Ihre Mutter wird Sie jetzt anerkennen! Ein anderes Mittel ließ sich nicht auffinden! Mylord Berwick, Mylord Winchester, Sie glaubten bei der Herzogin von Sussex zu sein? Haha, ein Maskenscherz! Ein Quidproquo des Karnevals! Richard, mein edler Sohn, führt wohl seine Mutter jetzt zum Tanze –! Musik! Musik!

LADY. Zurück! Die Musik hört sogleich wieder auf. Ja! Hört es, ihr alle, und saget's wieder in London, daß ich an mir selber irr geworden und der Meinung einer ganzen Welt, ich schwaches Weib, nicht mehr zu trotzen wagte! Es sei, es sei mein Sohn! Sagt's aber auch, daß ich in meinem überwundenen Mutterherzen nicht mehr die Kälte der Verachtung fühle, sondern die glühende Flamme jetzt des Hasses! Bin ich bisher schüchtern, mit tausend Foltern gequält, geflohen vor der Schuld, mit der man mich brandmarken wollte, jetzt werd' ich die Gefahren aufsuchen, in die man mich heimlich, tückisch verlockt, will mir das Opfer meines Hasses auf den offenen Markt rufen, will mich seine Mutter nennen, ja, ja, seine Mutter – um dem Leib zu fluchen, der ihn empfing, der Stunde, die ihn ans Licht des Tages brachte, dem ganzen Leben, das dieser Elende – nein, kein Betrüger! nein, nein, mein Sohn – dem Unglück seiner Mutter Überwältigt. widmet! Stürzt hinaus.

SAVAGE aufstehend und ruhig entschlossen zu Lord Tyrconnel hintretend, die Maske abnehmend und vor ihn hinwerfend. Mylord, hier die Larve, mit der Sie mich zum Mitschuldigen einer schlechten Mummerei machen wollten! Nimmt eine goldene Halskette ab und wirft sie ihm zu Füßen. Hier eine der goldenen Fesseln, aus denen mich diese fürchterliche Stunde erlöst! Wirft ihm Uhr, Ringe und sonstigen Schmuck, Börse und Papiere hin. Hier all das Gold, der Flitter, mit dem Sie mich aufputzten zum Schreckbild für ein Weib, das Sie nur gehaßt haben, und an dem Sie sich rächen wollten. Hier Ihre Pretiosen, Ringe, Ihr Gold, Ihre Bankzettel; hier der Schlüssel, wo Sie alles finden können, was Ihnen gehört – auch die Beweise meiner – Echtheit! Ich habe mehr Mut Hungers zu sterben, als von der Gnade eines Mannes zu leben den ich[147] verachte – und von der Hoffnung auf eine Mutter – die ich endlich, endlich, mir fluchend, gefunden! In die Armut kehr' ich zurück, die ich nur verließ, um zu erfahren, daß elend sein, in Kummer sterben eine Seligkeit ist gegen ein Glück, das man mit seiner Ehre erkauft. Gehen Sie zu meiner Mutter! Durch ihren Fluch hat sie mich ja anerkannt! Versöhnen Sie sich mit ihr; Ihre Herzen dürften doch wohl in keinem zu verschiedenen Takte schlagen. Lachen Sie mit ihr über diesen Scherz, lachen Sie mit ihr über die Welt – über mich, Mylord! Ich weiß jetzt, woran ich in dieser Welt bin, und sehne mich, sehne mich recht nach einem Lager von Stroh, nach einer trockenen Rinde Brotes, nach einem Elend, bei dem man doch noch immer zum seligsten Trost sich selber sagen kann: Du bist besser als dein Schicksal! Sie, Mylord, wenn Sie diesen Glanz verlieren, können nichts mehr werden; ich kann wieder werden, was ich war! Ab.


Im Fallen des Vorhangs.


MISS ELLEN. Richard! Richard!

STEELE. Freund! Wir folgen!

Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 146-148.
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Richard Savage, Sohn einer Mutter
Dramatische Werke: Richard Savage; Oder, Der Sohn Einer Mutter Ottfried. Wullenweber. Der Dreizehnte November. Fremdes Glück (German Edition)