Letzter Auftritt.


[154] Die hintere Tür wird schnell geöffnet. Steele und Miß Ellen treten ein. Die Vorigen. Am Schluß Volk.


STEELE. Heda, ihr Leute! Kennt ihr hier nicht einen gewissen Richard Savage?

MISS ELLEN. Allmächtiger Gott! – – Er ist's! Er stirbt – Stürzt vor dem sterbenden Savage nieder.


Die Tür, die auf die Straße führt, bleibt offen. Man erblickt Volkshaufen.


STEELE bewegt. Freund, Freund – wir kommen, dir die Palme des Sieges zu bringen und sollen sie dir auf dein Grab legen? Die Lady erblickend. Wie? Mylady? Welcher schadenfrohe Dämon führte Sie hierher, um das Opfer Ihres stolzen Herzens verbluten zu sehen? Hat Ihnen der Tod den Sohn zuführen müssen, den die Mutter im Leben floh? Es treten Leute aus dem Volke und Begleiter Steeles näher. Mylady, die Ansprüche Ihres Sohnes wurden von mir auf die Tafel des Parlaments niedergelegt. Ich verteidigte sie vor den Schranken des Unterhauses; die betreffenden Papiere sind untersucht, und einstimmig haben die Vertreter der Nation die Echtheit derselben anerkannt.

LADY mit tonloser Stimme, aber immer noch mit Stolz. Erst – als mich – Richard Savage – floh, sucht' ich ihn – auf. Erst als – die Welt über ihn verstummte, fing in meinem Herzen eine Stimme für ihn zu reden an. Ich hatte – den Schwur meiner Mutter, daß er – tot – – An die tausendfachen Leiden meiner Jugend, an einen Mann, der meine Ehre, meine Seele gewann, mich mit dem Schwur seiner Treue verließ, ihn in Indien brach, an den Gegenstand meines glühendsten Hasses erinnerte mich – Zeigt auf Savage. dies Leben –! Sohn einer vielbeweinten, mit tausend Flüchen belasteten und sich jetzt, jetzt so rächenden Liebe –

SAVAGE hebt langsam seine Hand empor, um sie zu reichen.

MISS ELLEN ergreift sie. Er ist versöhnt, Mylady! O, mein Freund, mußtest du vom Leben scheiden in dem Augenblick, wo das starre Gemüt deiner Mutter sich erweichte und sie dich – – hätte lieben können –!

LADY noch mit sich ringend. Bestattet – meinen Sohn – in der Gruft – der Grafen Mason und – der Douglas –! Laßt[154] – zu seinen Füßen – zu seinen Füßen – eine Stelle leer – für mich – die Mutter, die bald – bald – ihm folgen wird! Sie will gehen. Sie kann nicht weiter. Mit dem Ruf. Mein Sohn! Sinkt sie zu den Füßen Savages nieder.

MISS ELLEN will sie auffangen. Überwunden!

STEELE. Zeiten und Sitten, seht eure Opfer! O spränge doch die Fessel jedes Vorurteils, daß mit dem vollern Atemzuge der Brust die Herzen mutiger zu schlagen wagten und nicht im Getümmel der Welt mit ihrer kalten Bildung und ihren sklavischen Gesetzen auch die Stimme der Natur dem mahnenden Gefühl die Antwort versagte! Glaubt dem Gott, der aus euerm Innern spricht! Denn in der Liebe ist selbst der Irrtum besser als im Haß die Wahrheit!


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 154-155.
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Richard Savage, Sohn einer Mutter
Dramatische Werke: Richard Savage; Oder, Der Sohn Einer Mutter Ottfried. Wullenweber. Der Dreizehnte November. Fremdes Glück (German Edition)