Zweiter Auftritt.


[117] Der König ist während dieses Tanzes aus der Seitentür rechts leise eingetreten. Die Tanzenden und den musizierenden Grenadier erblickend stutzt er. Diese bemerken ihn nicht. Er tritt näher und sucht sich unbemerkt in den Tanz zu mischen. Die Vorigen.


WILHELMINE. Sonnsfeld, du tanzest ja falsch – jetzt der Herr! Reicht rückwärts ihre Hand. So!

KÖNIG faßt diese leise mit einem Finger und tanzt etwas mit.

WILHELMINE. Wie schwerfällig, liebe Freundin! Tanzt. Was hast du denn nur heute für eine garstige rauhe Hand! Sieht sich um und erblickt den König, der plötzlich auch die Melodie mit rauher Stimme mitgesungen hat. Alle erschrecken.

ECKHOF präsentiert mit der Violine.

KÖNIG zornerfüllt. Recht niedlich! Recht schön! Also das sind die Sprüche Salomonis? Tanz und Assemblee in meinem Schlosse bei hellem lichtem Tage? Und ein Soldat, ein preußischer Grenadier, der auf der Wache seinem Arrestanten Violine vorspielt?

SONNSFELD. Vergebung, Majestät, wir haben ihn gezwungen.

KÖNIG. Gezwungen? Einen Soldaten zwingen! Zwingen, die Pflichten seines Dienstes auf eine so teuflische Art zu verletzen?[117] Für den muß ich eine Strafe erfinden, die in der preußischen Armee noch nicht dagewesen ist.

WILHELMINE. Gnade, Majestät, Gnade!

KÖNIG. Mit dir werd' ich hernach reden. Ihm, Konrad Eckhof heißt Er, ich weiß es, Ihm diktier' ich zur Strafe: Er ist aus der Arme, die unter meinen ruhmvollen Fahnen steht, ausgestoßen. Er ist ausgestoßen, nicht etwa in eine Sträflingskompagnie oder in den ehrenwerten Bürgerstand, sondern hör Er, was Sein Schicksal sein soll. Auf dem Lagerhause in der Klosterstraße ist derzeit eine Truppe deutscher Komödianten angekommen. Diese Gaukler – histriones, sind in Nöten, weil ihnen ihr Hanswurst ausgeblieben ist, den sie sich aus Leipzig verschrieben hatten. Zu diesen Possenreißern, hört Er, geht Er mir hinaus, legt Seine glorreiche preußische Uniform ab und meldet sich, ich schickte ihn hiemit, zur Warnung für jedermann, als einen Schauspieler, einen Erzhanswursten, der die deutsche Nation hinfort mit seinen komödiantischen Späßen kriminaliter amüsieren soll. Schande über Ihn!

ECKHOF in freudigster, jedoch verborgener Erregung mit einem Blick gen Himmel. Schauspieler? Danke Ew. Majestät für allergnädigstes Erkenntnis. Konrad Eckhof wird sich bemühen, sich und seinen verachteten neuen Stand wieder zu Ehren zu bringen. Ab.

KÖNIG. Und Sie, mein Fräulein von Sonnsfeld, Sie sollen je eher je lieber Ihre mütterliche Aussteuer einpacken und nach Dresden aufbrechen, wo mein Vetter, der Kurfürst von Sachsen, solche Nymphen und Grazien wie Sie sind für seine Hoffeuerwerke und Balletter nötig hat.

SONNSFELD im Abgehen, beiseite. Er straft in seinem Zorn mit Dingen, die jedem Gebildeten nur angenehm sein können! Ab.

KÖNIG. Wilhelmine!

WILHELMINE. Majestät, was hab' ich nnr verbrochen, daß ich so unglücklich sein muß, Ihnen ewig zu mißfallen?

KÖNIG. Majestät nennst du mich, weil du kein kindliches Herz für deinen Vater hast. Ich hab' euch erzogen nach alter deutscher Sitte; ich habe französische Eitelkeit und englische Narrheit von euern kindlichen Herzen zu entfernen gesucht; ich habe auf dem Thron zeigen wollen, daß Könige in ihren Familien ein Muster für den biedern Hausstand ihrer Untertanen sein können. Hab' ich das erreicht?

WILHELMINE. Sie bestrafen uns für unsere Sünden auch streng genug.

KÖNIG. Ein Perückenmacher hat dich in allen Zweideutigkeiten der französischen Sprache unterrichten sollen –[118]

WILHELMINE. Es war kein Perückenmacher!

KÖNIG. Es war einer.

WILHELMINE. Wenn es einer war, so hassen Sie ihn nur Ihrer garstigen Zöpfe wegen!

KÖNIG. Der Zopf ist die Zierde des Mannes. Im Zopf liegt die zusammengeflochtene Kraft des Mannes. Ein Zopf, das ist nichts Wildes, Flackerndes, Wüstes um den Kopf, den Sitz der menschlichen Seele, wie bei den geckenhaften Buschmännern jetzt mit ihrem langen zottigen Haar, sondern einfache, sittliche, gestriegelte Ordnung, geflochtener Gehorsam, sanft herab über die Schultern gleitend, das Sinnbild eines Christen! Doch ich bin es müde, mit dir zu streiten. Dieser Arrest sei dir der letzte Beweis meiner väterlichen Liebe. Bald sollst du frei wandeln und Herrin deiner eigenen Taten werden. Ich verkündige dir hiermit, daß du jetzt bald nach Belieben schalten und walten kannst –

WILHELMINE. Vater!

KÖNIG. Wenn du ihn ehrlich meinst, diesen Ton?

WILHELMINE. Es kommt von einem Herzen, das nie aufhören wird, den besten der Menschen zu verehren.

KÖNIG. Erkennt ihr, daß ich nur allein euer Glück will? Ja, Wilhelmine, nun kannst du bald handeln, wie du willst, kannst französische Bücher lesen, kannst Menuetten tanzen, dir eine Kapelle von Musikanten halten, ich habe für dein Glück und für deine Freiheit gesorgt –

WILHELMINE. Wie versteh' ich? Vater –?

KÖNIG. Kutschen, Pferde, Heiducken, alles, wie es sich für eine künftige Königin geziemt.

WILHELMINE. Königin?

KÖNIG. Du sollst sehen, daß ich den Namen, den du mir gegeben, den Namen des besten Vaters, in der Tat und Wahrheit verdiene. Ich höre deine Mutter –

WILHELMINE. Was soll geschehen?

KÖNIG. Bereite dich vor, es ist eine feierliche Stunde – die Stunde deiner Verlobung!


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 117-119.
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