12.

[147] In ihrem Pavillon fand Lucinde den schon ängstlich auf sie harrenden Jérôme.

Er hatte ihr Wunderdinge zu erzählen und sie blieb aus!

Nun aber auch bestürmte er sie mit seinem Lachen, das er in der Gewohnheit hatte, wenn ihm irgendetwas nach seiner Voraussetzung besonders Kluges gelungen war.

Der Versuch, ihn bei dem großen Familien- und Nachbarsessen, das um vier Uhr begonnen hatte, und in Gegenwart des Regierungsraths, seines ältern Bruders, der Welt als einen zurechnungsfähigen Menschen vorzustellen, war vollständig gescheitert.

Nach der Mittheilung, die er von dem übeln Verlauf eines seiner gewohnten Streiche erzählte, merkte man wohl, daß sein eigener Bruder, der Regierungsrath, ihm die Gelegenheit erleichtert hatte, aus der erzwungenen Rolle zu fallen, die er unter den stechenden Augen und der zusammengezogenen Stirn seines Vaters spielen mußte.[148]

Für Lucinden, die kaum die Besinnung hatte zuzuhören, war auch noch die Ueberraschung aufgespart, daß, wie es schien, in fröhlicher Weinlaune und im Triumph eines eroberten Sieges der Regierungsrath selbst erschien und zum ersten mal sie zu sehen verlangte.

Der von der Tafel angeregte Mann, der mit dem Vater und Bruder wenig Aehnlichkeit hatte, kam in Begleitung des »schönen Enckefuß«, der in weinseliger Laune den Arm um den Regierungsrath geschlungen hielt und der Verwilderung seiner künstlichen Verjüngungen nicht mehr zu achten schien.

Beide kamen die schmale Stiege des Pavillons herauf und reizten die Eifersucht des Kammerherrn nicht wenig durch ihre verfänglichen Grüße und Reden.

Ihren Paß, mein – Fräulein –, lallte der Landrath mit galanten Verbeugungen, die das Mobiliar des kleinen Zimmers in Gefahr brachten. Ihre Legitimation –! Carte du séjour! Ich bin –

Der Regierungsrath analysirte schon die Bestandtheile des fehlenden Passes, der für Lucinden bereits einige male lästig genug zur Sprache gekommen war …

Augen schwarz, unterbrach er selbst den Landrath und mit staunender Ueberraschung – Nase mittel – Mund klein – Zähne – allerliebst –.

Der Landrath wollte die Beschaffenheit der Zähne untersuchen und griff nach den Lippen des ängstlich sich in eine Ecke drückenden Mädchens …

Der Kammerherr stimmte zwar scheinbar in diese Lucinden dargebrachte Huldigung ein, wehrte aber denn doch die Hand des Rittmeisters jetzt mit einer Entschiedenheit[149] zurück, die diesen zu dem Ausruf veranlaßte:

Sacre bleu! Herr, das ist grob!

Der Regierungsrath kam in diesem Augenblick zur Besinnung. Der Landrath war in jungen Jahren einer der wildesten Offiziere gewesen und hatte namentlich den Stolz des Landes, einen jungen Grafen von Truchseß-Gallenberg, kurz nach der Besitznahme dieser Provinzen durch die jetzt über sie herrschende Krone im Duell erschossen. Zum Landrath hatten ihn die Umstände, sein bei aller alten Husarenwildheit höchst leutseliges Wesen gemacht; sein Ehrgeiz war aber gerade jetzt um so empfindlicher gereizt, je mehr seine hervorragende Stellung durch seine Neigung zur Galanterie, seine geringen Kenntnisse von administrativen Dingen, seine Schulden und vorzugsweise die zunehmende Abschließung des Provinzialgeistes in der adeligen Sphäre auf Schwierigkeit über Schwierigkeit stieß …

Kommen Sie, Rittmeister! sagte der Regierungsrath ablenkend. Mein Bruder ist zu beneiden! Aber er hat sein Glück verdient! Seine Genie hat sich heute die Krone aufgesetzt! Kein Trauring, Jérôme, nein, für Türck ein goldenes Halsband!

Ha, ha, ha! brach der Landrath beschwichtigt aus und konnte sich vor Lachen kaum fest auf der Treppe erhalten, die man wieder niederstieg. Während er auf Lucinden fortwährend Kußfinger und schmachtende Blicke warf, wie sie auch nur ihm, dem ewigen Jeune homme und sechzigjährigen Adonis zu Gebote standen, verhütete der Regierungsrath durch kräftige Haltung der[150] andern Hand des Schwankenden ein Unglück, wie es beim »schönen Enckefuß« oft schon vorgekommen. Er war für seine Jahre immer noch so unternehmend, sein Reiten war von solcher Kühnheit, daß der Effect seiner stundenlangen Toiletten ihm alle Augenblicke einmal durch ein schwarzes Pflaster auf Nase oder Stirn verdorben wurde.

Die Lust und Freude im Kammerherrn war zu groß, um nicht nach Entfernung der beiden Neugierigen ganz zu ihr zurückzukehren. Er hatte während der Tafel einen Bindfaden aus der Tasche genommen gehabt, diesen heimlich um einige in seiner Nähe befindliche Flaschen geschlungen, dann Türck, einen der Hunde des Vaters, die immer in der Nähe des Mittagessens schnupperten, an sich gelockt, an den Faden ein Stückchen Fleisch befestigt und dies dann dem Thiere heimlich zugesteckt. Türck würgte daran, blieb aber noch ruhig auf seinem Platze, in Hoffnung auf mehr. Endlich aber vom Kronsyndikus aufgejagt, riß er alle Flaschen und Gläser um, übergoß das elegante neue Seidenkleid Portiuncula's von Tüngel-Appelhülsen mit Rothwein und machte, daß ihre Mutter, die hineingriff, um das theuere Kleid zu retten, sich mit den Scherben einer zertrümmerten Flasche empfindlich in die Hand schnitt. Die Verwirrung war so groß, daß nicht viel gefehlt hätte, der Kronsyndikus wäre seinerseits aus der Rolle gefallen und hätte nach dem ihm der Hunde wegen immer nahe liegenden Kantschu gegriffen und den Sohn vor allen Leuten durchgebläut. Denn daß dieser der Anstifter, war sogleich erkannt … Die Tafel war zu Ende. Die Tüngel-Appelhülsens reisten ab, die Tüngel-Aus-dem-Winkel folgten, dann die Hülleshoven,[151] die Ubbelohdes, Graf Münnich, die vornehmsten von allen, die Dorste-Camphausens, eines nach dem andern …

Lucinde, die von ganz andern Gedankenreihen bewegt war, hatte zu alledem noch die lästige Aufgabe, die Furcht des Kammerherrn, der sich nun nicht getraute ins Schloß zurückzukehren, zu beschwichtigen. Der Vater ließ sich nicht sehen, ein Omen, worüber der Schuldbewußte in Angst gerieth. Zuletzt mußte sie sich selbst entschließen, in der schon eingebrochenen Dunkelheit den weiten Weg nach dem Schloßhof ihn zurückzubegleiten und ihn unter vielen Umständlichkeiten und gewagten Scherzen ihrerseits mit dem Alten auszusöhnen.

Glücklicherweise war aber der Kronsyndikus nicht allzu heftig ergrimmt. Bei solchen Familienconventen gab es immer Zank; ihm kam jede Lebensäußerung der ihm doch Gleichgestellten anmaßend vor. Da wurden Erinnerungen durchgesprochen, die ihn verstimmten; alte Wunden riß man auf, die kaum nach einer Generation ganz vernarbt waren; wieder sah er, wie alles ihn haßte und fürchtete. Dann beschäftigte ihn mit Meldungen aller Art die »Regulirung«, die schon zu einem Schreckgespenst für ihn und das ganze Schloß geworden war, da sie ihn in Sinnen und Brüten bis zur Abwesenheit mehr treiben konnte als die Narrheit seines Sohnes.

Die gute Stunde, von dem Doctor Klingsohr zu sprechen, war noch nicht gekommen, wenn auch der Abend leidlich vorüberging und die Aeußerungen des Kronsyndikus: »Ja, Lucinde, mit Portiuncula ist's nun nichts!« öfter wiederholt wurden und ganz harmlos herauskamen.[152]

Klingsohr jedoch erschien wieder und wieder …

Noch mehr, er machte seine Drohung wahr, sich »auch als Original« zu zeigen.

Welches die geistige Verwandtschaft zwischen ihm und dem Kammerherrn war, begriff Lucinde nicht: aber seltsam genug, daß auch bei dieser ihr dargebrachten neuen Verehrung ein Bedürfniß zu Grunde zu liegen schien, in ihr mehr zu sehen, als sie sich selbst erscheinen konnte. Auch Klingsohr schmückte sie phantastisch aus und überhäufte sie mit dem Reize von Schönheiten, die sie trotz ihrer Eitelkeit als reine Erdichtung erkennen mußte. Auch ihm wurde sie zur Erscheinung, die bald dem Reiche der Luft, bald dem Wasser angehörte. Bald war sie Sylphe, bald Undine. Sie sollte wol glauben, daß es ihr eigener Werth war, der sie den Männern so erscheinen ließ.

Es brach die Zeit eines wunderbaren Rausches für sie an, eines Zustandes, den sie in dieser Art noch nicht gekannt hatte. Sie hatte die üble Wirkung beobachtet, die schon die Nennung des Namens Heinrich Klingsohr im Schlosse hervorbrachte. Der Kammerherr lohte in Eifersucht auf, der Kronsyndikus sprach nur von der »undankbaren Bande« und bestätigte nicht nur alles, was Heinrich ihr von der Vergangenheit über ihn und den Vater gleich beim ersten Zusammentreffen erzählt hatte, sondern was sie auch aus dunkeln Andeutungen des verschwiegenen alten Paares, bei dem sie wohnte, von vergangenen und vielbewegt gewesenen Tagen entnehmen konnte.

Ja! ich habe den Schlingel auf meinen Knien geschaukelt![153] sagte der Kronsyndikus, als vom Doctor die Rede war. Ich habe auch die Frau erhalten, als der Elende in die Wälder lief und Aufruhr predigte. Ich habe den Pacht mir durch meinen Eifer selber verdienen müssen. Und dieser Hund will jetzt Herr über das ganze Land werden? – Fritz – er meinte den Regierungsrath – Fritz nimmt ihn auch noch in Schutz! Alle die Leute hier! Mein eigener Schwager, Graf Joseph! Aber im Düsternbrook, das sag' ich, lass' ich mich nicht um eine Hand breit aus dem alten Nutzen bringen, das schwör' ich, oder ich will in alle Ewigkeit nicht aus dem Lutterberg bei Witoborn herauskommen!

Er meinte damit: aus dem Fegfeuer; denn man glaubt in jener Gegend, daß in diesem Berge für den westfälischen Adel der Eingang zum Fegfeuer liegt.

Die Begegnung mit Stephan Lengenich war ihm natürlich auch sogleich bekannt geworden. Dieser arbeitete aber täglich frisch unten fort, fällte Stämme nach wie vor und hatte in dem Düsternbrook eine ganze Werkstatt eingerichtet. Planken und Bodeneinsätze lagen ringsum, frisch erst aus dem Walde herausgehauen und gesägt.

Da Lucinden, die einige Geständnisse gemacht hatte, jede fernere Begegnung mit dem Doctor, der »zu allem nun auch noch seinen gelehrten Senf hinzugäbe«, verboten wurde, so konnte sie mit ihm nur geheim zusammenkommen. Leider fand sie unter der Aufsicht der Alten, die mit ihr den Pavillon bewohnten und im allgemeinen mürrische und strenge Leute waren, Schwierigkeiten. Diese wuchsen so, daß sie ihren Entschluß, von allen[154] diesen Fesseln, möchten sie für die Zukunft versprechen welches Glück sie wollten, sich frei zu machen, immermehr reifen ließen.

Ist denn das nicht die eigentliche und wahre Natur des Mannes? sagte sie sich, wenn sie sich im Geiste Klingsohr's Bild entgegenhielt. Sind denn die Männer, die das Leben zu bezwingen verstehen, wirklich solche, wie sie uns in schönen Bildern begegnen?

Klingsohr war nicht schön; er vernachlässigte sich in seiner Kleidung, er hatte etwas Sorgloses, sogar Verwildertes. Sie erfuhr, daß sein Gang durchs Leben unregelmäßig gewesen, kometenartig; sie erfuhr, daß er die Hoffnungen des immer rührsamen Vaters täuschte und sich der Uebereinstimmung mit demselben und seines Beifalls nicht rühmen konnte. Aber, was sie sogleich bei der äußern Unähnlichkeit dieser Natur mit der eines Oskar Binder gefühlt hatte, daß das Auge hier geistige Schönheiten finden würde und diese dann auch allmählich das Aeußere heben, traf immermehr zu. Wenn dieser seltsame junge Mann im Mondenschein an der Parkpforte mit ihr auch nur einige Minuten verweilte – die Eifersucht des Kammerherrn war jetzt aufgeregt und sein heimtückischer Sinn gefiel sich in den hinterlistigsten Anschlägen –, das Bild, das sie von ihm empfangen, verklärte sich immermehr zu der Vorstellung von dem Muthe, der Thatkraft der Männer überhaupt und der auch die Frauen hebenden heroischen Bestimmung derselben. Und wie verstand auch Klingsohr sein ganzes Sein mit einem poetischen Nimbus zu umgeben! Mitten in den kurzen Begegnungen, die sich allein möglich machten,[155] brach er in Verse aus und verband dann mit der Wildheit eines Titanen, der noch die ganze Welt zusammenzurütteln gedachte, etwas Naives, Träumerisches, Kindliches wieder. Manches, was die gemessene Zeit zu sagen verbot, sprach er in geschriebenen Blättern aus, die er ihr in die Hand drückte, und schon häufte sich ihr durch Bauerknaben, Bettler und fahrende Musikanten ein geheim besorgter Briefwechsel. Daß sie auf seine Hülfe und Befreiung aus ihrer gegenwärtigen peinlichen und unbestimmten Lage rechnete, das stand damals fest, als er ihr das unwürdige und schimpfliche Loos schilderte, welches zuletzt denn doch noch ihrer im Schlosse Neuhof warten würde; Vater und Sohn, sagte er, würden zuletzt um ihren Besitz streiten und der Alte würde siegen. Sie schauderte. Klingsohr versprach, sie mit nach Göttingen zu nehmen, um sich dort, wenn der Vater die Mittel gäbe, als Docent zu habilitiren. Sie sollte sein Weib sein.

Es war gegen Ende Juni. Schon lange war die erwünschte Regenzeit angebrochen und dauerte anhaltender, als sie der Landmann nun wieder haben wollte. Die auch durch strömenden Regen nicht zu tilgenden Reize des Landlebens, der Anblick der grünen und gelb gefärbten Fluren und der berauschende Duft der Linden und Tannen blieben sich gleich; besonders von dem Schlosse Neuhof selbst aus; nach vorn bot der volle Anblick in eine Landschaft voll Mannichfaltigkeit und Schönheit malerische Fernsichten, in nächster Nähe dufteten der Park und die nahe liegenden Wälder. An dem offenen Fenster, in der linken Eckspitze des Schlosses, im ersten Stock, saß Lucinde des Tages jetzt fast ununterbrochen[156] und suchte sich in ihrer wunderlichen Lage, die der der »Sklavin in goldenen Fesseln« nicht unähnlich war, zu beschäftigen, so gut es bei ihrem geringen Arbeitstriebe und den aufgewühlten Stimmungen ihres Innern gehen wollte. Wieder war sie ganz auf die Unterhaltung des Kammerherrn, auf seine Pflege angewiesen, denn der geistig Leidende kränkelte auch körperlich. Er gehörte dabei ganz zu den Kindern, die eine Tasse Milch nur von dieser Schwester, einen Teller Suppe nur von jener Magd wollen gereicht erhalten. Er nahm nichts als nur von Lucinden. Sonst trieb er sein altes Wesen. Er zeichnete, malte, porträtirte Köpfe, die ersten besten vom Oekonomiehofe oder aus der Brennerei, sogar Hunde und vor allen jetzt Türck, den nun von ihm besonders bevorzugten. Mishandelte er nicht die schönen Künste, so drechselte er, und wiederum verband er damit die stereometrische Philosophie des Sehers und Zukunftsphilosophen Laurenz Püttmeyer zu Eschede, einem kleinen Städtchen nördlich von Witoborn, rechtsab vom dem sogenannten großen nach dem Westen führenden »Hellwege«, der auch in der That in manchen Dingen der einzige helle Weg, die Straße des Lichts, durch eine große ägyptische Finsterniß genannt werden kann.

Das Eckzimmer gehörte zu einer Suite von Zimmern, die dem Reichthum und den gesellschaftlichen Ansprüchen der Wittekinds entsprachen. Das Schloß war geräumig, aber nicht eben luxuriös gebaut. Die nüchterne Stimmung des vorigen Jahrhunderts hatte in baulichen Dingen nur das Nützlichkeitsprincip im Auge. Desto gewählter war aber theilweise die Ausstattung.[157] Einige dieser Zimmer waren geradezu fürstlich, sowol in der Tapezirung wie in der übrigen Ausschmückung durch Marmor, Bronze und Glas. Nicht nur die Spiegel, auch die Tische, die auf geschweiften Füßen standen, boten die reichste Vergoldung; die Platten waren von köstlichen Marmorarten und spiegelblank. In den Ecken standen Spieltische mit getäfelter und ausgelegter Arbeit von seltenem Geschmack und hohem Werthe. Das Schnitzen in Holz und Elfenbein ist von jeher in diesen Gegenden mit Meisterschaft getrieben worden. Die alten Bilder, wie die gelbsammtenen Ueberzüge der Möbel waren mit Staubvorhängen bedeckt. Diese Zimmer, wol fünf bis sechs an der Zahl, jedes in einem andern Geschmack, verzweigten sich nach den Seitenflügeln und nach der Hinterfronte mit Corridoren, die an den Wänden in ganzer Höhe, von der Erde bis an die Decke, mit Spiegeln bekleidet waren. An den Plafonds waren Malereien angebracht von einem keineswegs nazarenischen Geschmack. Einzelne Vasen, die auf Marmorgestellen die Einförmigkeit dieser Corridore unterbrachen, zeigten vortreffliche Malereien aus der Schule Albano's. Daß diese Corridore an den Wänden von rings hinlaufenden Divans, die gleichfalls mit gelbem, blumenartig gepreßtem Plüschsammt überzogen waren, begrenzt wurden, bewies, wie sie einst zu großen Gesellschaften gedient hatten. Auch fehlten alte Kronleuchter von langhängenden Krystalltropfen und Glasberlocquen nicht. An den Wänden waren Vorrichtungen angebracht zu Girandolen, immer zu fünf und fünf Flammen. Man sah es, daß hier einst ein regierender Minister eines der[158] nahe gelegenen Fürstenthümer, dann ein quiescirter österreichischer Feldzeugmeister gewohnt hatten, dann und wann ein Erzbischof zu längerm Besuch gekommen war, alles Vorvordere, Angehörige und Verwandte des Hauses, zunächst bis auf die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurück. Der jetzige Stammhalter liebte nicht mehr den Luxus. Doch hatte es auch bei ihm einst Zeiten gegeben, wo alles im Lichterglanz schwamm. Es waren nicht die Zeiten gewesen, wo noch die frühverstorbene Mutter des Regierungsraths und des Kammerherrn lebte, wohl aber unmittelbar darauf, wo es zuweilen hieß, die Damen, die eine Zeit lang hier hausten, wären Cousinen des regierenden Stammherrn oder Tanten und Nichten desselben. Meist aber waren es über Kassel gekommene Französinnen oder Italienerinnen, die eine Zeit lang blieben, mit Freudenfeuern empfangen wurden und plötzlich über Nacht verschwanden, ohne daß man je wieder von ihnen erfuhr. Gewöhnlich hörte man kurz vor diesen Abreisen in den eleganten Zimmern oben eine Scene, deren Charakter, um ihn volksthümlich zu bezeichnen, Mord und Todtschlag war. Dann wurde es plötzlich still; aber auch so plötzlich, wie mit Geistern im Bunde. Zuweilen zuckte noch irgendein Laut auf, irgendwo in einem der düstern Pavillons des Parks, in irgendeinem der tiefgelegenen Keller des Schlosses; dann war's für immer still. Verschlossene Wagen entfernten Nachts die von ihrem Glanz Herabgestürzten. Mit diesen Vorgängen stand, wie Lucinde im Pavillon erfahren hatte, der Name des Fräuleins von Gülpen oder der Frau von Buschbeck in Verbindung. Diese Räthselhafte war unverheirathet[159] geblieben, war allerdings die Verlobte eines in Java dienenden Kriegers gewesen, lebte aber von keiner niederländischen Pension, sondern von einer Rente des Kronsyndikus, bei dem sie vor vielen Jahren mindestens ebenso viel gewesen war wie jetzt die Lisabeth, die von allen mit Respect behandelt wurde, obgleich sie nur eine Bäuerin war und vollkommen für Stephan Lengenich paßte. Der Kronsyndikus hatte sich nach den erinnerungsreichen Verirrungen der Vergangenheit ganz den Kreisen zugewandt, die nur unter ihm standen.

Was Lucinde von allen diesen Dingen allmählich herausbekam, verdankte sie theils Klingsohr'n, theils den alten Stammers, bei denen sie wohnte, vorzugsweise aber, da auch diese von der Vergangenheit bitter berührt zu werden schienen, dem selbst schon grauhaarigen Sohne derselben, einem buckeligen Musikanten, der im Lande herumstrich und der vorzüglichste Bote war, dessen sich Klingsohr für seinen Briefwechsel bediente.

Der Kronsyndikus wohnte im Parterre, wo sein unruhiger Sinn gleich ins Freie konnte, wenn er bei den vielen Rathschlägen und Hülfen, die er leisten mußte und die auch Er nur allein leisten konnte, rasch zur Hand sein wollte. Manchmal blieb er des Nachts ganz aus. Seine Güter erstreckten sich weit, und obgleich bei einem Theil derselben die unmittelbaren Beziehungen durch das Pachtverhältniß des Deichgrafen unterbrochen waren, so ließ er doch als eigentlicher Herr sich seine Laune, da und dort hineinzureden, nicht nehmen; bald kehrte er dann hier, bald dort ein, auf eigenem oder fremdem Gebiet.

Eines Tages war er wieder einen weiten Weg[160] ausgeritten. Es handelte sich darum, gegen den Deichgrafen, der, um vielleicht wirklich Landrath zu werden, schon einen kleinen Gutskauf abzuschließen suchte, zwei maskirte Gegengebote zu veranlassen. Die Regierung unausgesetzt um Beförderung oder Versetzung anzugehen, drängte den »schönen Enckefuß« eine von Jahr zu Jahr sich mehrende Schuldenlast. Nun gab's Hin- und Herritte, Verhandlungen mit der Geistlichkeit, den Advocaten im nahen zum Kreis gehörenden Städtchen Lüdicke, Umtriebe, um, wenn es zum Wählen eines neuen Landraths kommen sollte, den Wahlmodus durch Zusammenlegung dieser oder jener heterogenen Districte zu paralysiren, und was sonst dergleichen Künste des Regierens und Politisirens jetzt geworden sind, von der Wahl eines Gemeindeschulzen auf dem Dorfe an bis zum Landstand und Mitglied eines Herrenhauses. Zunächst den Gutskauf des Deichgrafen rückgängig zu machen, war ein Ziel »des Schweißes der Edeln werth«. Der Haß des Kronsyndikus gegen seinen alten Freund kannte keine Grenzen, und die Vorfälle im Düsternbrook, wo der Deichgraf inzwischen mit Gensdarmen einen Grenzstein aufgestellt hatte, den jedoch der Kronsyndikus schon wieder hatte wegnehmen lassen (wofür ihm eine Citation in die Kreishauptstadt geworden), hatten das Feuer immer noch mehr geschürt.

Es war vier Uhr. Der Kammerherr saß und porträtirte seinen Hund, seinen Retter von der wie der Tod gefürchteten Ehe. Türck war von den vielen Hunden, die auf dem Schlosse knurrten und bellten, gerade derjenige, den Lucinde nicht leiden mochte. Sie nannte ihn gerade[161] so, wie der Kronsyndikus zuweilen den Deichgrafen nannte, einen »Calfacter«, ein Wort, dessen Ursprung ihr der Kammerherr im Begriff war mit dem ganzen ihm eigenen Aufwand seiner noch haften gebliebenen Schulkenntnisse zu erklären.

Calefacio, calefeci, calefactum, calefacere, wiederholte er und fing an, indem er malte, mit sich selbst, wie er sagte, zu »certiren« und sich gleichsam von diesem oder jenem seiner alten Mitschüler übertreffen zu lassen.

Imperfectum zweite Person Singularis! rief er mit befehlender Stimme.

Dann mit lispelnder und schüchterner: Calefixis!

Falsch! donnerte er. Klingsohr, Sie!

Calefaxisti!

Falsch! Plüddemann, Sie!

Calefeceritis!

Falsch! Wer kommt! Der Folgende! Der Folgende! Herr von Wittekind, Sie!

Calefaciebas!

Bravo, Herr von Wittekind! Setzen Sie sich über Plüddemann, Klingsohr, Katerkamp und Vincke!

Diese Selbstgespräche und Selbstlobeserhebungen war Lucinde schon lange gewohnt. Oft mußte sie Zumpt's Grammatik nehmen und ihm überhören. Sie lernte selbst dabei. Früher that sie es sogar ganz gern. Jetzt aber, seit Klingsohr in ihrem Herzen lebte, unterhielt es sie wenig. Da auch Klingsohr zu den Mitschülern gehört haben sollte, die ein wie es schien doch geborener Dümmling immer übertraf, so sprach sie heute ihre Verwunderung[162] darüber aus, erntete jedoch für die Anerkennung des Doctors eine Flut von Beschuldigungen gegen den alten Kameraden; er wisse gar nichts, er hätte auf der Universität nachholen wollen und sich nun erst recht lächerlich gemacht, da die Andern schon ihre Freiheit genossen hätten; dann hätte ihm der Deichgraf kein Geld mehr geschickt, allen wäre er verschuldet gewesen und hätte sich, wenn er nicht bezahlen konnte, nicht anders loskaufen können als durch Wetten, zum Beispiel: Zwölf Maß Goslarer Bier an einem Abend zu trinken und dann doch noch in eine Gesellschaft zum Justizrath Bauer oder zum Pandektisten Hugo zu gehen und mit den elegantesten Damen dort über den Begriff des Romantischen oder »Die bezauberte Rose« von Ernst Schulze zu streiten.

Das Bild einer wüsten Vergangenheit war Lucinden schon lange an Klingsohr nicht fremd; aber er klagte sich ja selbst an! Und zu hell leuchteten seine klugen Augen im letzten Mondenschein, zu süß war seine Rede in dem flüchtigen Augenblicke gewesen neulich, wo er zum ersten mal leise ihre Stirn geküßt hatte, zu tief und anregend war alles, was sie schriftlich von ihm durch den verschmitzten Musikanten besaß und auf dem Herzen trug, um es in jeder unbelauschten Minute zu durchfliegen. Heute hatte Klingsohr versprochen, Abends gegen sieben Uhr einen solchen Umweg zur Wohnung seines Vaters zu nehmen, daß er, heimkehrend von der Kreisstadt, wo er den Gutsankauf zu betreiben helfen sollte, am Schloß vorüberreiten mußte. Einige Blumen, die sie in demselben Augenblick, wo er an ihrem Fenster[163] vorüber mußte, ihm entweder zuwerfen oder, wenn dies nicht möglich wäre, wenigstens an die Lippen drücken wollte, standen schon, frisch aus den Beeten des Vorparks genommen, in einem Glase bereit vor ihr.

Ihre sich kreuzenden Gedanken nicht zu verrathen, unterbrach sie den immer noch fortcertirenden Kammerherrn mit der Frage, wie denn nur sein Vater einen doch immerhin so rüstigen, thätigen, energischen und charaktervollen Mann wie seinen Pachter, den Deichgrafen, so oft »Calfacter« nennen könnte?

Plüddemann! Was ist ein Calfactor? fiel der Kammerherr zur Antwort ein.

Mit veränderter Stimme antwortete er:

Calefactor, Warmmacher, ist ein Pedell –

Pudel! unterbrach er sich selbst …

Pudel? Wer sagt das? Klingsohr! Wer nannte hier den Pedell einen Pudel?

Große Untersuchung … (immer spricht der Kammerherr). Kein Resultat …

Ein Calefactor ist ein Ofenheizer, ein Mann, der's statt cale, welches bekanntermaßen nicht kalt, sondern warm heißt, warm macht, id est im Ofen …

Katerkamp flüstert: Auch an andern Orten …

Allgemeines Gelächter. Auch der Conrector lacht. Sintemalen vor kurzem erst sieben Quartaner übergelegt worden sind und ab calefactore warm gemacht bekamen cum Bim-Bam-Bam-Bum-Baculo!

Nun sang der Geistesschwache Studentenlieder … mit dem Refrain des Crambambuli …[164]

Wie paßt das aber alles auf den Deichgrafen? fragte Lucinde, an dergleichen gewöhnt und durch das offene Fenster forschend.

Calfactor, sagte der Kammerherr, am Türck wieder fortmalend, Calfactor ist ein Subject, ein dienendes Instrument, ein Farbenreiber, ein Pinsel, eine Drechselbank, ein Pudel, der apportirt …

Nein, nein, nein! unterbrach Lucinde. Einen Calfacter nennt man bei uns zu Hause einen Hund, ganz wie Ihren Türck, den man jeden Augenblick daran erinnern muß, wer sein Herr ist, der an jedem Stein stillsteht und schnuppert, was unter ihm stecken mag, der, wenn man ihn freundlich anredet, den Schweif zwischen die Beine klemmt und wie mit bösem Gewissen davonläuft, einen elenden Ueberläufer, der im Stande ist, nach einem halben Jahre seinen eigenen Herrn nicht mehr zu erkennen und ihn anzufallen …

Bravissima! rief der Kammerherr. Recht, meine Heilige! So handelte der Deichgraf am Vater! So vergalt er seine Wohlthaten! Heinrich muß mir mindestens noch hundert Pistolen schuldig sein oder er hat sie wenigstens nur mit einer ausgetrunkenen Tonne Goslarer Bier bezahlt, die ich dann auch wieder auf meine Rechnung habe nehmen müssen! Sind das keine Calfacters? Der Alte war sonst ein Demagog und nun will er Landrath werden. Sind das keine Calfacters?

Lucinde erwiderte Partei nehmend:

Die Regierung ist aufgeklärter geworden; sie braucht die Unterstützung der Vernünftigen gegen die Unvernünftigen. Die Gensdarmen machen es dabei nicht allein,[165] und wie ich gehört habe, Ihr eigener Bruder, der Regierungsrath, soll ja ganz ebenso denken und dem Deichgrafen einen Besuch gemacht haben …

Was? Wie? Mein Bruder? schrie der Kammerherr und sprang auf.

Ich höre es wenigstens, lenkte Lucinde ein.

Man hätte erwarten sollen, der Kammerherr würde nach einer Flinte, mindestens nach seiner Windbüchse gesucht haben. Jetzt zeigte sich der schwachwillige Charakter des Kranken in dem bloßen Verweilen bei der Thatsache, in der bloßen Freude, dies dem Vater – anzeigen zu können! Lachend rief er:

Schöne Zeiten das! Ein Wittekind unter den Gensdarmen! Aber – Roma nondum locuta est setzte er feierlich hinzu.

Was heißt das? fragte Lucinde ärgerlich.

Der Kammerherr wollte wieder Plüddemann und Vincke und seine andern detmolder Schüler diese Phrase übersetzen lassen, als er vom Hufschlag eines in galopirender Eile dahersprengenden Pferdes unterbrochen wurde. Lucinde sah schnell zu dem nach der Fronte des Schlosses führenden Fenster hinaus, denn von daher kam das Geräusch. So verwegen durfte von den Leuten des Schlosses niemand in dessen Nähe reiten!

Es war aber Klingsohr nicht, sondern der Kronsyndikus selbst.

Wie kam der heute schon so früh heim? Wie kam er von einer Gegend heim, die keinen andern Zugang bot als den nach dem Düsternbrook? War er wol gar den Grund selber hinaufgeritten?[166]

Das Pferd schäumte, und fast flog dem Reiter die grüne Mütze ab, als er mit einem gewaltigen Ruck in das offene Seitenthor des Schlosses schwenkte.

Nach dem ersten Augenblicke des Erstaunens, wie der Kronsyndikus diesen beschwerlichen Weg hatte wählen können, wollte man zur Arbeit und Uebersetzung der Worte: Roma nondum locuta est! übergehen, als Türck voll Unruhe an die geschlossene Thür sprang, die Schwelle bekratzte und hinaus wollte.

Der Calfacter! murrte Lucinde, während ihm der Kammerherr schmeichelte, um ihn zum Bleiben zu bringen.

Man mußte aber öffnen; das Thier heulte vor Ungeduld, hinauszukommen.

Bald vernahm man ein Rennen und Laufen im Hause, ein Rufen durcheinander.

Man erfuhr, daß der Kronsyndikus befohlen hatte, einen Wagen anzuspannen.

Darin lag an und für sich nichts Auffallendes, es kam oft vor. Aber die Eile war nie so dringend wie eben. Lucinde ging in ein Zimmer, das in den Hof führte. Sie sah den Kronsyndikus, bis an den Hals zugeknöpft, in seinem grünen Reitrock und in den hohen, schweren Stiefeln im Hofe stehen und mit stummen Geberden zur Eile winken. Sonst pflegte er solche Befehle mit einer Flut nicht eben gewählter Commandowörter zu unterstützen; heute ging alles still, mit Winken und nur zuweilen mit einem ungeduldig aufgestoßenen Fuße zu. Er wandte, im Hofe stehend, dem Schlosse den Rücken. Den Hirschfänger, ohne den er[167] nie ausritt, selbst in Zeiten, wo es keine Jagd gab, mußte er schon abgeschnallt haben, und doch tastete er immer nach demselben hin und schüttelte den Kopf, wie wenn er erstaunte, vergessen zu haben, daß er schon abgelegt war.

Nun wandte er sich und schritt wie taumelnd wieder zum Schlosse zurück, wo er in seinen Zimmern schon gewesen zu sein schien.

Lucinde erschrak. Das sonst so geröthete Antlitz des Greises war so auffallend bleich, daß die rothen Flecke, die es immer hatte, wie Wunden aussahen. Die Mütze war ihm entweder bei dem Schwenken in den Thorhof wirklich noch entfallen oder auch schon abgelegt worden. Grell stachen die weißen Haare von der Luft ab; sie schienen sich zu bäumen; der weiße Backenbart ging grauenhaft auf und nieder, wie wenn die Kinnladen fröstelnd aneinanderschlugen. Das weibliche Personal der Bedienung und ganz besonders die Lisabeth, immer voll Umsicht und großer Rührigkeit, war ängstlich um ihn her beschäftigt. Wie er wieder auf die wenigen Stufen, die zum Schloßeingang führten, treten wollte, glitt er fast aus; er hatte, da die Hände immer an der obern Klappe seines Frackes knöpften, vergessen sich am Geländer zu halten.

Lucinde eilte jetzt selbst hinunter.

Als sie ankam, hieß es, der Kronsyndikus hätte sich in seinem Zimmer eingeschlossen.

Was ihm wäre? fragte sie.

Er ist mit dem Pferde gestürzt!

Ist er den Grund hinaufgeritten?

Man wußte keine Antwort. Manche sagten:[168]

Das doch wol nicht!

Inzwischen donnerte die gewohnte Stimme gleichsam wie mit jetzt erst hervorgelassener, bisher zurückgehaltener Kraft:

Wird's mit dem Wagen?

Schon zog man die Kalesche heraus. Und wie er ihrer ansichtig wurde, befahl dieselbe Stimme:

Der Kammerherr soll mitfahren! Nach Eggena!

Es war eines seiner Vorwerke, auf dem er gern in der Jagdzeit verweilte.

Damit schlug er die Fenster so heftig zu, daß eine Scheibe zerklirrte.

Alles das konnte allerdings an sich nicht anders als Lucinden sehr erwünscht kommen. Es war über sechs Uhr; gegen sieben Uhr sollte sie Klingsohr'n erwarten, mit dem sie nun vielleicht sprechen, ihn eine Strecke begleiten konnte, so sehr auch jeder ihrer Schritte von den Spionen des Schloßhofs oder des Parks bewacht wurde …

Dem Kammerherrn kam der Befehl höchst ungelegen. Da dieser Befehl jedoch von einer der Mägde wiederholt wurde – die sogenannte Dienerschaft, auch der Diener des Kammerherrn, arbeitete in den verschiedenen Branchen der Wirthschaft und legte nur bei besonderer Veranlassung Livree an –, so half kein Widerstand. Am Hufschlag des Rosses hatte der Furchtsame schon vernommen, wie sein Vater in einer Stimmung war, bei welcher ihm Stock oder Peitsche nicht zu entfernt lagen. Er sah ängstlich nach dem Wetter. Es hatte sich leidlich mit dem Regen beruhigt, aber düster hingen die grauen Wolken und weit, weit über der ganzen Gegend hin.[169]

Während der Kammerherr sich nun im Nebenzimmer ankleiden mußte und Lucinde ganz schon nur dem Wunsche lebte, daß die Minuten doch lieber langsamer verrinnen möchten, nur damit Vater und Sohn erst auf dem Zweispänner säßen und weiter auf dem Wege nach Eggena voraus wären, hörte man plötzlich den allgemein ausgestoßenen entsetzlichen Schrei:

Feuer! Feuer! Feuer!

Lucinde stürzte wieder hinunter und fand den ganzen Hof in Verwirrung.

Die Ursache des Rufes mußte ihr beim Herabspringen von der steinernen Treppe selbst sogleich begreiflich werden an einem brandigen Geruch, der sich im Hofe verbreitete und verbunden war mit einem leise aus der zerbrochenen Scheibe des Wohnzimmers des Kronsyndikus hervordringenden Rauche …

Man schlug heftig an die von innen verschlossene Thür des Parterre und wiederholte den Ruf:

Excellenz! Es brennt ja!

Keine Antwort.

Er ist erstickt! hieß es.

Die Beschließerin war außer sich und rief nach den Knechten. Ihr erster Ruf galt dem Stephan Lengenich, jenem Küfer, der von ihr begünstigt wurde. Von diesem aber hieß es, er arbeite irgendwo im Walde, vielleicht im Düsternbrook.

Nach einer Weile machte der Kronsyndikus das Fenster auf und sagte mit matter Stimme, sie sollten sich alle – alle zum Teufel und an ihre Arbeit scheren. Er hätte ja nur – er hätte Papiere verbrannt …[170] Wo der Kammerherr wäre? … Es ginge nach Eggena! … Ob der Wagen bereit stünde? … Wo das Fräulein Schwarz wäre?

Lucinde meldete sich, indem sie von den Stufen des Eingangs sich vorbeugte …

Ein erzwungenes Lächeln begrüßte sie von einem Kopfe, den man kaum wiedererkannte.

Vom Verbrennen der Papiere im Ofen mußte ihm der Ruß ins Gesicht geschlagen sein.

Der Contrast des geschwärzten Antlitzes, der weißen Haare, des Bartes, der Augenbrauen und des Hauptes mit einem vornehmen Staatskleide, das der Aufgeregte plötzlich wie in der Zerstreuung angezogen, mit einem Kleide, auf dem beständig das goldene, achtspitzige Kreuz des Welfenordens haftete, wäre burlesk gewesen, wenn nicht die Situation selbst etwas Schreckhaftes gehabt hätte.

Ich komme noch hinauf, sagte er. Gehen Sie, Liebe! Gehen Sie! Ich bitte!

So artig hatte der Tyrann nie mit ihr gesprochen. Durch seinen Paroxysmus war er wie umgewandelt.

Lucinde hatte nur die siebente Stunde im Kopfe …

Der Kammerherr, der an Ordrepariren gewöhnt war, kam schon mit Regenschirm, Hutschachtel und sogar einem Pelze …

Lucinde fragte ihn lachend, ob er nach Sibirien reisen wollte?

Sie holte dem Halbweinenden einen Ueberzieher und behielt den Pelz zurück.

Der Brandgeruch zog sich inzwischen durchs ganze Haus. Es war ein Geruch weit mehr von verbrannten[171] Haaren oder Tuch als von Papier. Daß der Dampf so groß sein konnte, um durch alle Oefen zu dringen, mußte aus dem Verschütten von Wasser auf die Flammen entstanden sein.

Zuletzt kam der Kronsyndikus wirklich in den ersten Stock und schloß, wie sie erstaunend bemerkte, alle Staatszimmer auf.

Welches Bedürfniß konnte er haben, eine gestickte Uniform, seinen liebsten Orden zu tragen und seine Staatszimmer zu öffnen und hin und her zu durchschreiten?

Alle Läden riß er auf. Er lüftete vielleicht nur. So kam er in das Eckzimmer, wo Lucinde schon am Nähtisch stand, so stand, als müßte sie ihre Blumen bewachen. Der Greis bot den seltsamsten Anblick. Das Gesicht war jetzt gereinigt. Aber zu seiner Landstandsuniform mit dem hannoverischen Orden der Welfen stand im sonderbarsten Contrast der Hirschfänger, den er wieder umgeschnallt hatte. Die Hände waren mit den weißesten Handschuhen geschmückt, als wenn er zu Hofe gehen wollte. Voll Unruhe blickte er um sich und stotterte:

Lüftet doch! Lüftet doch! Wie erstickend! Wie dumpf! Wie rauchen die Oefen! Verbrenne nur ein bischen Papier und es riecht gleich wie der lebendige Satan!

Dabei zuckten ihm seine ohnehin schon unheimlichen Augenbrauen krampfhaft auf und nieder …

Der große, baumstarke Mann stand wie von einer Ohnmacht bedroht. Und indem er mit den Fingern der linken Hand immer in seinen Bart, bald da, bald dort,[172] wie in einer kreisenden Bewegung griff, sagte er, als wollt' er Gleichgültigkeit zeigen:

Hab' mich wieder 'n mal geärgert! Ueber den verd – Landrath; nein – ja – den – Rittmeister! Und diese Briefe vom Fritz … In den Ofen damit! … Immer Aerger! Immer Aerger! …

Lucinde, die kaum merkte, daß er die Gründe seines Aergers offenbar fingirte, war ihm, um ihn nur zu beruhigen, so zuthunlich, wie er sonst wünschte. Sie bewunderte die prächtige Uniform, besah das wunderschöne Comthurkreuz mit seinen goldenen Kugeln, seinem welfischen Löwen, seinem weißen Roß und seinen Eichenzweigen; sie wußte schon, was die alte deutsche Geschichte zu erzählen hatte von dem Löwen des mächtigen braunschweiger Herzogs Heinrich Welf und dem Kniefall des Hohenstaufen vor dem Löwenherzog und von den Römerzügen und der gespaltenen Einheit des deutschen Vaterlandes …

Der Alte lächelte jetzt zu all diesem »Kram«, wie er's eben nannte, und suchte über das zu scherzen, was ihm in seinen jeweiligen Wuthanfällen auf die Regierung und den Deichgrafen sonst ein »blutiger Ernst« war. Welfen und Ghibellinen! rief er oft. Ihr Ghibellinen mit euern Kaisern, wir Welfen mit unserm Rom! … Heute aber hielt er das Nächste fest. Wieder und wieder rief er mit äußerster Ungeduld: Ob nun bald gepackt wäre, der Koffer auch, Kleider für ihn und den Kammerherrn? Dabei sah er nach der Uhr, brummte vom »Landrath heute in Lüdicke«, »Eggena nach Lüdicke drei Stunden« und ähnliche Berechnungen. Dann starrte er[173] in die Gegend hinaus, nahm ein Fernglas, dessen sich sein Sohn zu bedienen pflegte und das auf dem Nähtisch Lucindens lag, und zog es auf und nieder.

Dies that er eine Weile wie gedankenlos, wie mechanisch. In dem mehrfach hervorgestoßenen Namen Enckefuß schien eine große Beruhigung für ihn zu liegen.

Plötzlich aber rief er:

Was? Wie? Wer kommt denn da?

Er deutete auf einen leichten Wagen, den man bei einiger Aufmerksamkeit auch mit bloßem Auge sehen konnte.

Lucinde blickte erschreckend hinaus.

Es war erst wenig vor halb sieben, ja gerade die Stunde, die der Deichgraf nach dem Urtheil seines Sohnes im Handeln immer einzuhalten pflegte, zwei Minuten vor halb sieben. Der Wagen ging bergan, und die Strecke von unten herauf war lang und steil, der Wagen fuhr langsam; gegen sieben konnt' es sein, wenn er endlich auf der Höhe war. Sollte Heinrich, statt zu Roß, im Einspänner kommen? Und durch den kleinen Taschen-Frauenhofer hatte der Kronsyndikus schon erkannt, daß es wirklich der »Doctor« war.

Die Wirkung dieser Entdeckung war bei dem Greise die allerauffallendste.

Lucinde hätte noch deutlicher bemerken können, wie der Kronsyndikus krampfhaft sich am Nähtisch hielt und, da dieser leicht war, fast mit ihm umstürzte. Um ihre eigene Unruhe und Verlegenheit zu verbergen, hatte[174] sie sich nur in diesem Augenblicke selbst zum Seitenfenster gewandt.

Was will denn der Doctor? sprach der Kronsyndikus immer tonloser und kürzer athmend … Der Junge – der Junge – der – was will denn der? Was soll denn der? Wozu kommt denn schon der?

Es schienen ihm Gedanken durch den Kopf zu schießen ganz anderer Art, als die er gewöhnlich über das »Volk da unten in der Buschmühle« aussprach.

Der Wagen kam näher. Es war ein Einspänner, den wirklich der junge Klingsohr führte.

Was will er denn? Was hat er denn? fuhr der Alte auf und wandte sich dabei nicht an Lucinden, die ganz nur mit ihrer eigenen Besorgniß beschäftigt war und sich abwandte, um ihr Erröthen zu verbergen.

So nur konnte es geschehen, daß sie die zunehmende Unruhe des Greises nicht bemerkte, nicht sein Hin- und Wiederrennen, nicht sein Oeffnen des nach der Seitenfronte gehenden Fensters, nicht sein erneutes Blicken durch das Fernrohr, das er zitternd aus- und einzog.

Endlich, als er in das Pfeifen eines Liedes ausgebrochen war und in den geöffneten Prachtzimmern die Decken von den gelben Sammtmöbeln riß und wieder kam und wieder ging, lachte er plötzlich laut auf, rief Lucinden in die Staatszimmer und sagte mit der ihm eigenen faunischen Miene:

Lucinde! Lucinde! Höre, Kind! Ich sag' dir etwas!

Herr Kronsyndikus! rief diese und eilte näher.

Satan, schwarzer –!

Excellenz –[175]

Engel! Schlechte Person – liebst den Kerl, den Doctor!

Er lachte dabei convulsivisch.

Hast recht! ließ er sie kaum zu Worte kommen und umarmte sie. Hast recht! Er kann's einem schon anthun!

Aber Excellenz –

Weiß alles, verdammte Hexe! Ihr saht euch in dem gottverfluchten Grunde, saht euch im Park … hinterm letzten Pavillon … am Fasanennetz … im Mondschein … Glaubst du, der buckelige Stammer geigt mir nicht auch um funfzehn Silbergroschen oder eine Tracht Hiebe die Wahrheit? … Aber … aber hast recht … sollst recht haben, Kind … Wie kann man einen Narren lieben? Da … den … Und … einen … Greis dann noch dazu? Halt ihn fest … den Doctor mein' ich … Gleich auf der Stelle! Hier ist der Schlüssel zum Keller! Eßt, trinkt! Laß deine Künste los, Zigeunerin! Ich gönne ihn dir … Sieh, Kind, wie er das Roß zügelt! Daß dich … Seine Mutter war schön … Lucinde, höre – aber leise – sag' ihm was … hier, da … auf dem Sopha … sag' ihm was … Hol' ihn dir … halt' ihn dir fest und plausch' ihm ins Ohr … hörst du … ob er's denn noch nicht weiß … nie gehört hat … nie erfahren … daß … daß … Na, was? … Ha, ha, ha! … Wer ihm den Riegel aufschob … als er in die Welt gekommen … Hm? Verstehst du … Lucinde, sag's ihm beim fünften, sechsten Glas Champagner … Lisabeth! Lisabeth! Küche, Keller, alles geöffnet! … Sag's ihm … drei Söhne hatte der alte Wittekind, einer ist Candidat zum[176] Premierminister, einer Candidat zum Tollhaus … und der da? … »Der Gott, der Eisen wachsen ließ« sangen sie damals – ha, ha! – als sie den Tugendbund schlossen und in den Teutoburger Wald geheime Reisen machten und die Weibsen zurückließen … ha, ha, ha! … Verstehst du, kleine schwarze unschuldige Schlange?

Ein tolles Lachen, ja, das ihr bekannte Lachen der Selbstzufriedenheit über seine plötzlichen Lichtblitze der Klugheit und Verschmitztheit, erstickte die Rede des wie wahnsinnigen Greises.

Lucinde stand sprachlos und konnte um so weniger zu Worte kommen, als der Kammerherr, der seither unten gewartet hatte, jetzt zurückkehrte und eine Aenderung der ihm gegebenen Befehle zu hoffen schien.

Lucinde verstand vollkommen das schreckliche Geständniß, das der Kronsyndikus gemacht hatte.

Die Dazwischenkunft des Kammerherrn hinderte eine weitere Erörterung. Der Vater zog Lucinden mit sich hinunter. Wie er auf der Treppe sich auf sie stützte, raunte er ihr immer heimlich und mit emporgestreckten, zitternden Fingern Worte der frivolsten Enthüllungen zu … Auf der Treppe noch, wo er sich am Geländer festhielt, sagte er der Beschließerin:

Lucinde kriegt die Schlüssel! Was die von jetzt an befiehlt, geschieht! Verstanden! Was hab' ich gesagt?

Lisabeth, mit einem überraschten Blick voll Gift und Zorn, mußte wörtlich wiederholen, was ihr Herr gesagt hatte; erst wollte sie's nicht und betrachtete Lucinden erstaunend, dann mußte sie ihr Verstandenhaben der Verfügung laut wiederholen und feierlich Unterwerfung geloben.[177] Hierauf sah er fast mit Mitleid auf den wartenden Kammerherrn, drehte den Hirschfänger vor sich hin und stieg in die Kalesche. Lucinden flüsterte er noch aus dem Schlage ans Ohr:

Sag' es ihm! … Aber schweigt beide … so wahr ein Gott im Himmel lebt!

Zur Lisabeth sich wendend, wiederholte er:

Zeig' auch du, was ich dich lernen ließ bei Wessel in Hannover! Brate, koche! Haltet ihn fest! Trinkt auf mein Wohl! »Um acht Uhr ist Verlobung oder sieben Schüsseln!« 's war ein altes Stück zu meiner Zeit! Lustig! Ich will die Augen zudrücken … über alles … will Frieden haben mit dem – Deichgrafen ... Frieden … Jesus aber, jetzt fort, Hannes!

Der letzte, fast tonlose Ruf galt dem Kutscher.

Die Pferde zogen schon an, und nach der entgegengesetzten Seite hin, wo Heinrich Klingsohr herkam, rollte der Kronsyndikus aus dem Seitenthor und den Berg hinunter.

Sein Sohn ahnte glücklicherweise Klingsohr's Nähe, die entscheidende Gefahr für seine Neigung nicht. Nur die äußere hatte er jetzt im Auge – den Hemmschuh, den der Kutscher anlegen sollte! Von allen Schrecken war ihm der des Bergabfahrens einer der haarsträubendsten. Türck, der Calfacter, lief nicht, wie er sonst pflegte, dem ankommenden Wagen bellend und wedelnd entgegen, sondern schloß sich der Kalesche an, der er mit eingezogenem Schweife nachlief. Betrübt und zaghaft waren die Mienen, die der Kammerherr Lucinden noch beim Abschied zuwarf. Morgen! sagte er kleinlaut; aber der große[178] Kasten fiel ihm auf, den noch der Kronsyndikus wie für eine längere Reise hatte in der Vache unterm Kutscherbock einschließen lassen. Nur daß sein Bedienter zurückblieb, schien ihm einige Hoffnung zu geben.

Zum Besinnen über die Wahrheit dessen, was der Kronsyndikus ihr zugeraunt hatte, blieb Lucinden keine Zeit … Heinrich Klingsohr, der natürliche Sohn des mächtigen Mannes, grüßte schon, da er zu seinem Jubel die davonfahren sah, denen er hier zu begegnen fürchten mußte.

Bei einer plötzlichen Lebensgefahr, sagt man, schösse wie an einem elektrischen Leiter blitzesschnell die ganze Vergangenheit eines Menschen an seinem letzten Bewußtsein vorüber …

Umgekehrt übte die Fülle von Vorstellungen, die sich für Lucinden auf wenig Augenblicke jetzt zusammenzudrängen hatte, die Wirkung, daß sie ihr das Bewußtsein völlig nahm, ja, sie in einen traumähnlichen, bacchantischen, von höchster Freude, von Lust und Schmerz ebenso gehobenen wie wieder vernichteten Zustand versetzte.

Diese räthselhaften Vorgänge mit dem Kronsyndikus, diese Feuersgefahr, sein Benehmen am Fenster, der verzweiflungsvolle Humor und die Furcht vor Heinrich Klingsohr, dann sein mit den dunkeln Gerüchten über ihn und eine große Anzahl illegitimer Kinder übereinstimmendes Geheimniß, die plötzliche Versöhnungslust, die sich beim Besteigen des Wagens auch noch in dem ausdrücklichen Befehl gezeigt hatte, daß die Lisabeth die Diener in Livree stecken und augenblicklich die ganze Größe des Wittekind'schen Hauses entfalten sollte … dann der heranrollende Wagen des wiederum seinerseits mit den unglaublichsten[179] Ueberraschungen Erwarteten, alles das verursachte in seiner schnellen Aufeinanderfolge ihr einen fast physischen Schmerz, wie wenn sie wirklich den Tod des Ertrinkens erleiden sollte.

Und doch rief auch wieder zu gleicher Zeit alles in ihr – wie die ersten rauschenden Accorde einer Ballmusik – zu Lust und Freude.

Quelle:
Karl Gutzkow: Der Zauberer von Rom. Roman in neun Büchern, Band 1, Leipzig 1858, S. 147-180.
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