Dreizehntes Capitel
Der Häckselschneider

[2674] In Ackermann's größtem Zimmer war eine Familientafel hergerichtet. Selma und Fränzchen hatten vollauf zu thun, den wirthschaftlichen Verpflichtungen heute würdig zu entsprechen. Eine Hausfrau, die Frau Pfarrerin, sollte heute ihrer Hände Werk, ihre Anordnungen, ihre Wirthschaftlichkeit prüfen.

Heute kam für Fränzchen der Onkel von der Jagd recht unerwünscht, obgleich er Wildpret brachte. Er mußte sich's auch gefallen lassen, daß sie ihm sagte:

Onkelchen, heute haben wir großen Besuch, heute gibt's viel zu schaffen.

Nun, sagte Heunisch, ich wollte mich ein bischen ruhen. Dann sprech' ich einmal bei dem Alten vor. Ich höre ja, zu Weihnachten wird der Heinrich herüberkommen und ein paar Tage auf Urlaub hier zubringen.

So? sagte Fränzchen gleichgültig und half der brummenden Liese den Grünkohl verlesen.

Ich sprach neulich den Alten auf dem Amt, wo die Papierschreiberei kein Ende nehmen will ...

Fränzchen hörte gar nicht ...[2674]

Wegen der Teufelsgeschichte in meinen vier Pfählen – die Alte soll auf's Amt und will nicht – So hab' ich um jedes Und und Aber eine Scheererei –

Guten Morgen, Herr Heunisch! klang eine zarte Stimme.

Es war Selma, die in der Wirthschaft schaltete und rasch an dem in der warmen Küche sitzenden Forstmann vorüberging.

Guten Morgen, Fräulein – wie behend geht Ihnen das Alles von der Hand!

Da war heute aber kein Stillstand, keine Gelegenheit zum »Schnacken«. Heunisch wurde bald da, bald dort incommodirt, sodaß er zuletzt merkte, er incommodire selbst und beschloß, den Alten nebenan zu besuchen.

Hast ihn denn noch immer nicht gesprochen? fragte Heunisch seine Nichte.

Heute wird's geschehen müssen, sagte Fränzchen seufzend. Ich muß ihn um Eier bitten und wenn er's gut meint, auch noch um drei Hühner dazu. Wir sind noch zu wenig eingerichtet. Die Liese muß die Hasen spicken. Da will ich einmal selbst mein Glück versuchen.

Wetter! Nun bin ich begierig, sagte Heunisch. Nun gehe ich voraus und recognoscire das Terrain. Komm' gleich nach! O da bin ich kurios. Adjes, Liese! Der Hase ist nicht zu jung und nicht zu alt ... grade, wie's am Feuer sein soll.

Die Liese achtete heute nur auf ihre Töpfe und Pfannen[2675] und Spicknadeln und hörte kaum, was um sie gesprochen wurde ...

Heunisch ging und stöberte wirklich den alten Brummbär auf dem Häckselboden auf, wo er meist selbst angriff und für seine acht stattlichen Rosse Häcksel schnitt.

Der Jäger hatte eine Lockpfeife, die der Bauer schon kannte. Er pfiff an den Scheunen, da er schon den regelmäßigen Schnitt vom Häckselboden hörte.

Guten Morgen! hieß es oben rundweg, als Heunisch in den untern Heuschober eingetreten war. Soll's was?

Zum Wetter, ist das ein Willkommen?

Ich schneide Häcksel ...

Hör' ich ...

Gibt's was Neues?

Euer Nachbar hat die Maschinen gekriegt –

Wohl bekomm's ihm!

Auch eine Häckselmaschine –

Gleichfalls!

Die eisernen Dinger sehen so klug aus wie Puterhähne, die sich in die Brust werfen! Wenn ich sie so klappen und stöhnen höre, ist's mir fast, als wären sie lebendig.

Meine alte Häckselbank da schläft auch nicht –

Ritsch! Ratsch! sagte Heunisch und ahmte das Schneiden nach, ärgerlich, daß dieser Dialog so ganz par distance vom Boden herab und von unten hinauf geschrieen wurde. Ihr seid fleißig, Sandrart ... Werdet Ihr Euch denn die Maschinen nicht einmal ansehen?

Nein.[2676]

Sie sind possierlich.

Glaub's.

Der Nachbar macht Euch Alle todt.

Wir wollen's erleben.

Hört doch auf! Zum Donnerwetter! Seht doch ein bischen 'runter! Was sagt Ihr denn zur Franziska?

Franziska? Was ist Das? Auch so eine eiserne Bestie?

Ritsch! Ratsch! Der Bauer schnitt ruhig seinen Häcksel weiter.

Seid Ihr toll, ich meine meine Nichte – Sie ist ja beim Nachbar. Ihr seid kein freundlicher Nachbar ...

Ich sehe nicht in andrer Leute Töpfe.

Indem mehrte sich die Scene. Fränzchen's inzwischen erfolgte Ankunft hatte Heunisch am Gebell der Hunde und dem Knarren des Torwegs errathen.

Ja! sagte eben eine alte Weiberstimme hinter Heunisch, der dabei durch die Bodenluke sah, von welcher eine Leiter in die Scheune herabführte. Ja, aber andre Leute sehen in unsre! He, Sandrart!

Wie so, Jungfer Rosine? fragte Heunisch sich umwendend.

Die Regentin des Sandrart'schen Bauernhofes berichtete, daß die Mamsell von drüben da wäre und um ein Dutzend Eier bäte und wenn's möglich wäre, auch um drei Hühner.

Oben war Alles still; auch die Häckselbank schwieg.

Ein Dutzend Eier wollen sie drüben und wenn's möglich wäre, drei Hühner! wiederholte Jungfer Rosine[2677] kreischend, weil sie glaubte, der Alte oben hätte den Wunsch nicht verstanden.

Ein Dutzend Eier, Sandrart, und wenn's möglich wäre, drei Hühner! wiederholte Heunisch.

Ich höre schon! schrie der Bauer ...

An seiner Stimme merkte man seinen Zorn und den geschmeichelten Übermuth.

Rosine, die die abschlägige Antwort voraus wußte, grinzte verschmitzt und wollte schon mit den Holzschuhen davonklappen.

Indem hüpfte Fränzchen herein, im wollenen Kleidchen, ein Mäntelchen übergeworfen, zwei Körbe in der Hand, erwartungsvoll, nicht ohne Hoffnung ...

Nun, rief sie in die Scheune tretend, ist der Herr Nachbar so gütig?

Die Mamsell! betonte Rosine die Leiter hinauf.

Sandrart, statt aller Antwort, fing wieder an Häcksel zu schneiden.

Die Mamsell! schrie Rosine.

Wer? Welche Mamsell? rief der Bauer. Das Fräulein Mamsell?

Rosine antwortete höhnisch:

Die Kammerjungfer!

Meine Nichte, wenn Ihr's wissen wollt – ergänzte Heunisch mit Nachdruck und stieg eine Sprosse an der Leiter höher, indem er mit der Flinte auf die Bodendecke klopfte.

So? rief der Bauer. Kompliment an den Nachbar! Es[2678] geht auf Weihnachten. Mein Sohn kommt. Wir brauchen da das Unsrige. Vielleicht legen seine Maschinen Eier.

Fränzchen begriff so viel Grobheit nicht.

Und unsre Hühner, fuhr die Magd fort, sind unsre Kinder ... die würgen wir nicht unnütz ...

Alte Gluckhenne! polterte der Jäger und stieß mit dem einen Fuß rückwärts, wenn die Hühner nicht mehr legen, macht Ihr Euch auch nicht Suppe davon? He! Sandrart? He! Euer Nachbar hat Gäste! Ihr werdet doch nicht so ungefällig sein? Der Teufel nein! Soll's denn immer heißen: Grob wie Bauernvolk?

Sandrart kehrte sich an diese Wendungen nicht, blieb ungefällig, verweigerte Hühner und Eier und schnitt wieder Häcksel.

Der gereizte Jäger äffte ihm nach:

Ritsch! Ratsch! Schneid' Er Häcksel in Teufels Namen! Geb' Er Antwort, Alter!

Sandrart schnitt Häcksel und die Rosine ging lachend aus der Scheune.

Fränzchen konnte nicht umhin, zu dem Onkel, der wieder eine Sprosse niedriger gestiegen war, zu sagen:

Sehen Sie da, Onkel, wie thöricht Sie handeln, mich zu einem Verhältnisse zu zwingen, wo ich das unglücklichste Wesen von der Welt wäre. So achtet man mich! So verlangen Sie, daß das Kind Ihres Bruders beschimpft wird?

Und fast weinend, aus Jammer über das Mittagsessen, wollte sie schon mit ihren Körben gehen und die traurige Nachricht, daß sie leer komme, heimtragen.[2679]

Heunisch aber, gedenkend, wie nothwendig heute vorerst die Eier waren, wie ferner sein Hase, den er zur Tafel geliefert hatte, doch nicht das einzige Fleisch sein durfte, das Herr Ackermann seinen Gästen vorsetzte, hielt sie zurück und rief laut, daß der Alte oben, der ruhig seinen Häcksel fortschnitt, es hören mußte:

Wäre der Heinrich hier, Franziska, der Heinrich, der dich liebt, der Heinrich Sandrart, Sergeant bei der dritten Compagnie Leibregiment, der zöge die Plempe und ging' in die Speisekammer und schlüge alle hundert Schock Eier, die da liegen, in einen gelben Brei zusammen und im Hühnerstall dreht' er allen Hühnern die Hälse um!

Dies Kraftwort, unterstützt durch das Pochen der Flinte am Heuboden, bewirkte, daß der Alte oben zwar nicht antwortete, aber doch mit Häckselschneiden innehielt und sich die Möglichkeit einer solchen von seinem Sohne vorausgesetzten Eierverwüstung still überlegte.

Abscheulich! fuhr Fränzchen weinerlich fort. Wir brauchen die Hühner zu einem Ragout. Selma hat das Dutzend Hühner, das sie sich erst drüben angeschafft haben, zu lieb und will keines schlachten lassen und hier gackert's von Morgen bis Abend, daß man sich die Ohren zuhalten möchte.

Ich möchte nun gleich, fuhr der Jäger zornig fort, ich möchte nun gleich hier die Leiter nehmen und sie zusammenrütteln, daß der Alte mit sammt der Häckselbank durch die Decke fiele![2680]

Er that Das auch, selbst auf Gefahr, in eigner Person herunterzufallen.

Nein, nein, wir müssen uns auf's Bitten verlegen, flüsterte Fränzchen. Ich kann so nicht zurückkommen. Wir müssen gute Worte geben. Haltet einmal die Leiter, Onkel! Hält sie auch fest?

Heunisch, erfreut von dieser vielleicht folgenreichen Wendung, sprang herab.

Fränzchen stieg einige Stufen empor und rief zur Öffnung hinauf:

Herr Nachbar –

Heunisch dachte: Nun woll' er sehen, was kommen würde.

Keine Antwort auf den zarten, schmeichelnden Gruß.

Thu' ihm schön! flüsterte der Onkel, der wohl einsah, daß dies der einzige Weg der Eroberung war.

Ihr habt so viel tausend Eier, sagte sie – wir wissens – und hundert Hühner im mindesten – ein Kompliment von Herrn Ackermann – guten Tag, Herr Sandrart –

Der Alte, statt aller Antwort, ohne sich an die Bitte zu kehren, ohne sich nach dem niedlichen Köpfchen, das schon durch die Luke hindurchsah, umzuwenden, fing wieder an, Häcksel zu schneiden.

Fränzchen stieg nieder und schluchzte fast vor Zorn und beleidigtem Stolz. Sie hatte dem alten »Ekel«, wie sie ihn mit städtischem putzmacherischen Ausdruck nannte, geschmeichelt, sie war ihm fast, aus der Ferne wenigstens, um den Bart gegangen und nun stand der oben in[2681] seiner kurzen Jacke und seiner Pelzmütze und schnitt Häcksel und hörte nicht und lachte in sich hinein voll Übermuth.

Wart', Fränzchen, flüsterte der Jäger. Ich hab' jetzt einen andern Gedanken! Wir wollen's anders machen. Du kriegst die Eier und die Hühner auch.

Damit hielt er Fränzchen, die schon gehen wollte, zurück, und begann nun laut und vernehmlich, daß es der Alte hörte:

Fränzchen, laß gut sein! Der Heinrich kommt zu Weihnachten – der Heinrich, der –

Ach geht mit dem Heinrich! sagte Franziska in natürlichster Regung.

Willst du wohl! flüsterte Heunisch und nun wieder laut: Was? Heinrich Sandrart! Nicht wahr? Das ist ein schmucker Junge! Da soll Kuchen gebacken werden! Darum spart er die Eier! Aber was macht sich denn so ein Sergeant aus Kuchen! Der ... der hat Höflichkeit, du weißt, ich sagt's ja damals gleich nach der Parade ...

Ach was, Parade! Ich will hinüber! unterbrach Franziska, die auf des Onkels List nicht eingehen mochte.

Pst! flüsterte dieser, hielt sie fest und fuhr laut fort:

Musjöh, sagt' ich auf der Parade, Heinrich, was bist du gewachsen! Als ich dich im Walde attrapirte und du mir einmal die Brombeeren maustest, die ich selber gern esse, was warst du ein winziger Knirps und nun, wo du Andre fuchtelst, bist du ein rechter Sappermenter! Ja, wie du[2682] die Rekruten zurecht setzest! Nicht wahr, Fränzchen, wir haben's gesehen, wie der Rekruten zustutzt?

Der alte Bauer hörte schon lange zu häckseln auf und horchte.

Fränzchen, die die Wirkung merkte, widersprach nicht mehr, sondern ließ den Onkel seine Späße fortsetzen.

Der Major von Werdeck ritt vorbei und sagte – Heunisch flüsterte: Wenn's auch nicht wahr ist – Sandrart, sagte er, Sandrart! Er ist ein ganzer Kerl! Sein König kann sich auf ihn verlassen! Er hat die sauberste Uniform, die nettsten Handschuhe und das beste Lederzeug –

Das Lob schallte im ganzen Heuboden nach. Der Jäger nahm den Mund so voll, daß der Bauer oben wirklich Antheil nahm und auch laut sagte:

Ho! Ho!

Wie so hoho? sagte Heunisch und stieg auf die Leiter. Wie so hoho? Was will Er da oben mit Hoho? Was weiß Er? Er Häckselschneider? Was weiß Er vom König und wen der lieb hat? Schneid' Er Häcksel!

Alles erlogen! rief der Bauer schon lachend.

Warum erlogen? polterte Heunisch und stieg noch höher, daß sein Kopf bald durch die Bodenluke kam. Was erlogen? Der Major liebt den Heinrich und sagt des Tages zehnmal zu ihm: Sandrart, Er gefällt mir!

Ho! Ho! Der Major sagt »Sie« zum Heinrich ...

Ach, das weiß ich ja! polterte Heunisch; was wollt Ihr denn! Er oder Sie! Wollt Ihr grober Bauer mir, einem[2683] Jäger, der Soldat war, sagen, wie ein Major zu einem Freiwilligen sagt! Was wißt Ihr denn da an der Häckselbank! Alter Grobian! Heinrich ist ein Freiwilliger. Er ist mit mir Arm in Arm gegangen, wie er vom Appell kam und in einen Weinkeller sind wir gegangen und ich habe zu ihm gesagt: Junge, was hast du für einen Schnurrbart gekriegt, hab' ich gesagt, und er hat gelacht und gesagt:

Er würd' ihm noch ganz anders wachsen, wenn er erst Feldwebel würde und Feldwebel muß er werden und er wird's und der König will's –

Ne – ne! hieß es jetzt oben, mit einer Stimme, wie wenn man den Bauer gekitzelt hätte.

Warum will's der König nicht? schrie der Jäger und war mit dem Kopfe durch die Bodenluke.

Ne! Ne! sagte Sandrart fast kichernd.

Antwort! Warum will der König so einen Feldwebel nicht? Was?

Der Bauer lachte.

Diese Stimmung rasch benutzend, sagte Heunisch polternd:

Hier will der Nachbar ein Dutzend Eier haben – Aber ich wette hundert, er wird Feldwebel!

Er warf dies so hin, als unterbräche diese Störung nur die wichtige Unterhaltung über das fernere Avancement des Sohnes.

Er wird nicht Feldwebel, er soll es nicht! schmunzelte der Bauer. Er kommt nach Hause ...

Er soll's nicht – wenn ich Euch aber nun beweise, daß[2684] der Major gesagt hat ... Donner, so laß mir meine Beine in Ruhe, Franziska! Mit deiner Bettelei!

Rose! rief der Alte jetzt oben aus dem schmalen Fenster in den Hof! Ein Dutzend Eier für den Nachbar!

Ich sage aber, fuhr Heunisch fort, während Fränzchen glückselig in den Hof lief und der dort lauernden Rosine wiederholte, was sie eben zu ihrem Erstaunen aus dem Luftloch des Häckselbodens vernommen hatte, ich sage aber, der Heinrich muß Soldat bleiben. Heinrich, sagt' ich ihm, dein König will's und die Flötenblaserei ist nichts für einen Soldaten, der du bleiben sollst dein Lebenlang bis zum General!

Ach! Ach! sagte der Alte oben ablehnend und die Finte merkend und wollte wieder Häcksel schneiden.

Nein, fuhr Heunisch, der die Stufen der Leiter nun ganz hinaufklomm, polternd fort, nein! Er bläst die Flöte! Er bläst sie wie der beste Hautboist nur die Flöte blasen kann! Er hat was gelernt – das muß wahr sein und es ist wahr – allein aber – einem Feldwebel, denk' ich denn doch auch, einem Feldwebel steht es wie jedem andern Menschen, wenn er sagen kann: Mein Vater hat was an mich gewandt, mein Vater ist reich, mein Vater kann's thun – wir haben hundert Hühner im Stall und schenken weg, was wir nicht brauchen, wie die Kastanien, und wir bleiben Soldat!

Sandrart, der Bauer, lachte jetzt übermäßig und rief:

Ne! Ne!

Hier will Euer Nachbar drei Hühner, bemerkte Heunisch,[2685] wie gleichgültig und das Wort so hinfallen lassend ... Warum soll Heinrich nicht Soldat bleiben! Sein König will's! Ich weiß es, der König hat schon manchmal gefragt: Wer ist der schöne junge Mann, der bei der Parade immer so gerade marschirt und die beste Uniform hat ... Daß dich der Teufel, Fränz, da unten mit deinen Eiern und den verfluchten Hühnern!

Rose!

Sandrart! rief's von unten.

Die schwarze legt nicht mehr –

Die bunte –

Die schwarze, sag' ich – und die bunte – und die gesprenkelte auch nicht –

O, o die gesprenkelte –

Ich sage, sie legt nicht – Donnerwetter! – Die schwarze, die bunte und die gesprenkelte – schickt sie herum – und laßt guten Appetit wünschen und ein Kompliment. Aber mein Sohn gehört mir und nicht dem König.

Fränzchen folgte mit Jubel der zornigen Rosine in den Hühnerstall. In einem Korbe hatte sie die Eier, in den andern kamen die drei Hühner.

Also warum? kam der Bauer jetzt von der Häckselbank an die Dachluke, sodaß sich Heunisch etwas zurückzog. Mir soll Eins kommen und sagen: Der Heinrich soll immer Soldat bleiben! Er hat seinem König gedient und nun gut damit. Jetzt soll er wieder seinem Vater dienen.

Will's sein Vater? A la banne heure! Das ist was Andres! Dann sagt' ich aber auch, fuhr Heunisch fort und[2686] wollte nun gleich auch seinen andern Vortheil wahrnehmen ...

Was habt Ihr gesagt?

Dann sagt' ich aber auch gleich: Heinrich, nun heirathest du.

Das kann er!

Das kannst du, Junge! sagt' ich im Weinkeller und er wollte nicht, daß ich bezahlte. Ich hatte, straf' mich Gott, ich hatte meinen Lederbeutel schon in der Hand, aber der Junge wollte nicht und ich sagte: Das kannst du!

Das kann er!

Und weil du doch einmal die Franziska Heunisch, dem alten Jäger seine Nichte, gern hast –

Wen?

Und weil sie dich wieder gern hat –

Was?

Jetzt legte sich Franziska, die in dem Korb die verdutzten Hühner festhielt und dem Onkel ihren Triumph zeigen wollte, in's Mittel und wollte mitsprechen.

Heunisch hielt sie aber zurück, legte rückwärts die Hand auf ihren Mund und fuhr fort:

Und weil dein Vater alt ist und sich zur Ruhe setzt, und dein Mädchen in der Nähe ist, sich auf Wirthschaft versteht, keine Stadtmamsell ist, von Eiern und Hühnern Was versteht –

Nichts, nichts da! fiel Sandrart ein und ging von der Luke an die Häckselbank.

Da, Fränzchen, steig' auf die Leiter, gib dem alten[2687] Schwiegerpapa dein Pätschchen, so sammetweiche Händchen hat er sein Lebtag nicht in seiner alten Lederhaut gehabt – komm', Kind – da, Alter, hier dankt Eins für die Hühner und für die Eier!

Heunisch zog Fränzchen wider Willen auf die Leiter empor und faßte ihre Hand, um sie dem Alten hinzuhalten ...

Da kam aber der Bauer mit raschem Schritt so dahergefahren, daß Heunisch selbst erschrak ...

Nun? rief er. Ausgesöhnt?

Oben hieß es mit zorniger Stimme:

Kopf weg!

Und krachend fiel die Bodenklappe über der Leiter so zu, daß diese zitterte und bebte und Heunischen fast der Hut wäre eingeschlagen worden. Der Bauer machte kurzen Prozeß.

Fränzchen hüpfte aber schon fröhlich zu Acker mann's hinüber und achtete Heunisch's nicht, der nun wirklich zornig wurde, an der Klappe stieß und rüttelte, mit der Flinte drohte und dem Bauer einige Dutzend reeller Donnerwetter an den gierigen Hals wünschte.

Wart! Dir kommt's doch noch einmal über's Dach! Du grober, impertinenter Kerl!

Sandrart schnitt wieder Häcksel und Heunisch mußte von dannen gehen, zornig auch über Fränzchen und die ganze Wirthschaft bei Ackermann, die ihm deutlich genug zu verstehen gegeben hatte, daß er ihr, wenn er jetzt wieder käme, heute nur im Wege wäre.[2688]

Ärgerlich brummend, stopfte er sich die Pfeife und ging, da es zu regnen aufgehört hatte, in den Wald zurück zu seiner lieben Ursula, seiner theuern Einzigen, die es in der Welt doch nur allein »gut mit ihm meinte«.[2689]

Quelle:
Karl Ferdinand Gutzkow: Die Ritter vom Geiste. [Band 1–3], Frankfurt a.M. 1998, S. 2674-2690.
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