[140] Manes. Empedokles.
MANES.
Nun! säume nicht! bedenke dich nicht länger.
Vergeh! Vergeh! damit es ruhig bald
Und helle werde, Trugbild!
EMPEDOKLES.
Was? woher?
Wer bist du, Mann!
MANES.
Der Armen Einer auch
Von diesem Stamm, ein Sterblicher, wie du.
Zu rechter Zeit gesandt, dir, der du dich
Des Himmels Liebling dünkst, des Himmels Zorn,
Des Gottes, der nicht müßig ist, zu nennen.
EMPEDOKLES.
Ha! kennst du den?
MANES.
Ich habe manches dir
Am fernen Nil gesagt.[140]
EMPEDOKLES.
Und du? du hier?
Kein Wunder ists! Seit ich den Lebenden
Gestorben bin, erstehen mir die Toten.
MANES.
Die Toten reden nicht, wo du sie fragst.
Doch wenn du eines Worts bedarfst, vernimm.
EMPEDOKLES.
Die Stimme, die mich ruft, vernehm ich schon.
MANES.
So redet es mit dir?
EMPEDOKLES.
Was soll die Rede, Fremder!
MANES.
Ja! fremde bin ich hier und unter Kindern.
Das seid ihr Griechen all. Ich hab es oft
Vormals gesagt. Doch wolltest du mir nicht,
Wie dirs erging bei deinem Volke, sagen?
EMPEDOKLES.
Was mahnst du mich? Was rufst du mir noch einmal?
Mir ging es, wie es soll.
MANES.
Ich wußt es auch
Schon längst voraus, ich hab es dir geweissagt.
EMPEDOKLES.
Nun denn! was hältst du es noch auf? was drohst
Du mit der Flamme mir des Gottes, den
Ich kenne, dem ich gern zum Spiele dien,
Und richtest mir mein heilig Recht, du Blinder![141]
MANES.
Was dir begegnen muß, ich ändr' es nicht.
EMPEDOKLES.
So kamst du her, zu sehen, wie es wird?
MANES.
O scherze nicht, und ehre doch dein Fest,
Umkränze dir dein Haupt, und schmück es aus,
Das Opfertier, das nicht vergebens fällt.
Der Tod, der jähe, er ist ja von Anbeginn,
Das weißt du wohl, den Unverständigen
Die deinesgleichen sind, zuvorbeschieden.
Du willst es und so seis! Doch sollst du mir
Nicht unbesonnen, wie du bist, hinab,
Ich hab ein Wort, und dies bedenke, Trunkner!
Nur Einem ist es Recht, in dieser Zeit,
Nur Einen adelt deine schwarze Sünde.
Ein größrer ists, denn ich! denn wie die Rebe
Von Erd und Himmel zeugt, wenn sie getränkt
Von hoher Sonn aus dunklem Boden steigt,
So wachst er auf, aus Licht und Nacht geboren.
Es gärt um ihn die Welt, was irgend nur
Beweglich und verderbend ist im Busen
Der Sterblichen, ist aufgeregt von Grund aus.
Der Herr der Zeit, um seine Herrschaft bang,
Thront finster blickend über der Empörung.
Sein Tag erlischt, und seine Blitze leuchten,
Doch was von oben flammt, entzündet nur,
Und was von unten strebt, die wilde Zwietracht.
Der Eine doch, der neue Retter faßt
Des Himmels Strahlen ruhig auf, und liebend
Nimmt er, was sterblich ist, an seinen Busen,[142]
Und milde wird in ihm der Streit der Welt.
Die Menschen und die Götter söhnt er aus
Und nahe wieder leben sie, wie vormals.
Und daß, wenn er erschienen ist, der Sohn
Nicht größer, denn die Eltern sei, und nicht
Der heilge Lebensgeist gefesselt bleibe
Vergessen über ihm, dem Einzigen,
So lenkt er aus, der Abgott seiner Zeit,
Zerbricht, er selbst, damit durch reine Hand
Dem Reinen das Notwendige geschehe,
Sein eigen Glück, das ihm zu glücklich ist,
Und gibt, was er besaß, dem Element,
Das ihn verherrlichte, geläutert wieder.
Bist du der Mann? derselbe? bist du dies?
EMPEDOKLES.
Ich kenne dich im finstern Wort, und du,
Du Alleswissender, erkennst mich auch.
MANES.
O sage, wer du bist! und wer bin ich?
EMPEDOKLES.
Versuchst du noch, noch immer mich, und kömmst,
Mein böser Geist, zu mir in solcher Stunde?
Was lässest du mich nicht stille gehen, Mann?
Und wagst dich hier an mich und reizest mich,
Daß ich im Zorn die heilgen Pfade wandle?
Ein Knabe war ich, wußte nicht, was mir
Ums Auge fremd am Tage sich bewegt',
Und wunderbar umfingen mir die großen
Gestalten dieser Welt, die freudigen,
Mein unerfahren schlummernd Herz im Busen.
Und staunend hört ich oft die Wasser gehen[143]
Und sah die Sonne blühn, und sich an ihr
Den Jugendtag der stillen Erd entzünden.
Da ward in mir Gesang und helle ward
Mein dämmernd Herz im dichtenden Gebete,
Wenn ich die Fremdlinge, die gegenwärtgen,
Die Götter der Natur mit Namen nannt
Und mir der Geist im Wort, im Bilde sich,
Im seligen, des Lebens Rätsel löste.
So wuchs ich still herauf, und anderes
War schon bereitet. Denn gewaltsamer,
Wie Wasser, schlug die wilde Menschenwelle
Mir an die Brust, und aus dem Irrsal kam
Des armen Volkes Stimme mir zum Ohre.
Und wenn, indes ich in der Halle schwieg,
Um Mitternacht der Aufruhr weheklagt',
Und durchs Gefilde stürzt', und lebensmüd
Mit eigner Hand sein eignes Haus zerbrach,
Und die verleideten verlaßnen Tempel,
Wenn sich die Brüder flohn, und sich die Liebsten
Vorübereilten, und der Vater nicht
Den Sohn erkannt, und Menschenwort nicht mehr
Verständlich war, und menschliches Gesetz,
Da faßte mich die Deutung schaudernd an:
Es war der scheidende Gott meines Volks!
Den hört ich, und zum schweigenden Gestirn
Sah ich hinauf, wo er herabgekommen.
Und ihn zu sühnen, ging ich hin. Noch wurden uns
Der schönen Tage viel. Noch schien es sich
Am Ende zu verjüngen; und es wich,
Der goldnen Zeit, der allvertrauenden,
Des hellen kräftgen Morgens eingedenk,
Der Unmut mir, der furchtbare vom Volk,[144]
Und freie feste Bande knüpften wir,
Und riefen die lebendgen Götter an.
Doch oft, wenn mich des Volkes Dank bekränzte,
Wenn näher immer mir, und mir allein,
Des Volkes Seele kam, befiel es mich,
Denn wo ein Land ersterben soll, da wählt
Der Geist noch Einen sich zuletzt, durch den
Sein Schwanensang, das letzte Leben tönet.
Wohl ahndet ichs, doch dient ich willig ihm.
Es ist geschehn. Den Sterblichen gehör ich
Nun nimmer an. O Ende meiner Zeit!
O Geist, der uns erzog, der du geheim
Am hellen Tag und in der Wolke waltest,
Und du o Licht! und du, du Mutter Erde!
Hier bin ich, ruhig, denn es wartet mein
Die längstbereitete, die neue Stunde.
Nun nicht im Bilde mehr, und nicht, wie sonst,
Bei Sterblichen, im kurzen Glück, ich find
Im Tode find ich den Lebendigen
Und heute noch begegn' ich ihm, denn heute
Bereitet er, der Herr der Zeit, zur Feier,
Zum Zeichen ein Gewitter mir und sich.
Kennst du die Stille rings? kennst du das Schweigen
Des schlummerlosen Gotts? erwart ihn hier!
Um Mitternacht wird er es uns vollenden.
Und wenn du, wie du sagst, des Donnerers
Vertrauter bist, und Eines Sinns mit ihm
Dein Geist mit ihm, der Pfade kundig, wandelt,
So komm mit mir, wenn itzt, zu einsam sich,
Das Herz der Erde klagt, und eingedenk
Der alten Einigkeit die dunkle Mutter
Zum Aether aus die Feuerarme breitet[145]
Und itzt der Herrscher kömmt in seinem Strahl,
Dann folgen wir, zum Zeichen, daß wir ihm
Verwandte sind, hinab in heilge Flammen.
Doch wenn du lieber ferne bleibst, für dich,
Was gönnst du mir es nicht? wenn dir es nicht
Beschieden ist zum Eigentum, was nimmst
Und störst du mirs! O euch, ihr Genien,
Die ihr, da ich begann, mir nahe waret,
Ihr Fernentwerfenden! euch dank ich, daß ihr mirs
Gegeben habt, die lange Zahl der Leiden
Zu enden hier, befreit von andrer Pflicht
In freiem Tod, nach göttlichem Gesetze!
Dir ists verbotne Frucht! drum laß und geh,
Und kannst du mir nicht nach, so richte nicht!
MANES.
Dir hat der Schmerz den Geist entzündet, Armer.
EMPEDOKLES.
Was heilst du denn, Unmächtiger, ihn nicht?
MANES.
Wie ists mit uns? siehst du es so gewiß?
EMPEDOKLES.
Das sage du mir, der du alles siehst!
MANES.
Laß still uns sein, o Sohn! und immer lernen.
EMPEDOKLES.
Du lehrtest mich, heut lerne du von mir.
MANES.
Hast du nicht alles mir gesagt?[146]
EMPEDOKLES.
O nein!
MANES.
So gehst du nun?
EMPEDOKLES.
Noch geh ich nicht, o Alter!
Von dieser grünen guten Erde soll
Mein Auge mir nicht ohne Freude gehen.
Und denken möcht ich noch vergangner Zeit,
Der Freunde meiner Jugend noch, der Teuern,
Die fern in Hellas frohen Städten sind,
Des Bruders auch, der mir geflucht, so mußt
Es werden; laß mich itzt, wenn dort der Tag
Hinunter ist, so siehest du mich wieder.[147]
Entwurf.
Neue Welt
und es hängt, ein ehern Gewölbe
der Himmel über uns, es lähmt Fluch
die Glieder den Menschen, und die stärkenden, die erfreuenden
Gaben der Erde sind, wie Spreu, es
spottet unser, mit ihren Geschenken, die Mutter
und alles ist Schein –
O wann, wann
Schon öffnet sie sich
die Flut über die Dürre.
Aber wo ist er?
Daß er beschwöre den lebendigen Geist[148]
Ausgewählte Ausgaben von
Der Tod des Empedokles
|
Buchempfehlung
Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
140 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro