[39] Empedokles.
Drei Sklaven des Empedokles.
ERSTER SKLAVE.
Gehst du, Herr?
EMPEDOKLES.
Ich gehe freilich, guter
Und hole mir das Reisgerät, soviel
Ich selber tragen kann, und bring es noch
Mir auf die Straße dort hinaus – es ist
Dein letzter Dienst!
ZWEITER SKLAVE.
O Götter![39]
EMPEDOKLES.
Immer seid
Ihr gern um mich gewesen, denn ihr wart's
Gewohnt, von lieber Jugend her, wo wir
Zusammen auf in diesem Hause wuchsen,
Das meinem Vater war und mir, und fremd
Ist meiner Brust das herrischkalte Wort.
Ihr habt der Knechtschaft Schicksal nie gefühlt.
Ich glaub es euch, ihr folgtet gerne mir
Wohin ich muß. Doch kann ich es nicht dulden,
Daß euch der Fluch des Priesters ängstige.
Ihr wißt ihn wohl? Die Welt ist aufgetan
Für euch und mich, ihr Kinder, und es sucht
Nun jeder sich sein eigen Glück –
DRITTER SKLAVE.
O nein!
Wir lassen nicht von dir. Wir könnens nicht.
ZWEITER SKLAVE.
Was weiß der Priester, wie du lieb uns bist.
Verbiet ers andern! uns verbeut ers nicht.
ERSTER SKLAVE.
Gehören wir zu dir, so laß uns auch
Bei dir! Ists doch von gestern nicht, daß wir
Mit dir zusammen sind, du sagst es selber.
EMPEDOKLES.
O Götter! bin ich kinderlos und leb
Allein mit diesen drein, und dennoch häng
Ich hingebannt an dieser Ruhestätte,
Gleich Schlafenden, und ringe, wie im Traum,
Hinweg? Es kann nicht anders sein, ihr Guten![40]
O sagt mir nun nichts mehr, ich bitt euch das,
Und laßt uns tun, als wären wir es nimmer.
Ich will es ihm nicht gönnen, daß der Mann
Mir alles noch verfluche, was mich liebt –
Ihr gehet nicht mit mir; ich sag es euch.
Hinein und nimmt das Beste, was ihr findet,
Und zaudert nicht und flieht; es möchten sonst
Die neuen Herrn des Hauses euch erhaschen,
Und eines Feigen Knechte würdet ihr.
ZWEITER SKLAVE.
Mit harter Rede schickest du uns weg?
EMPEDOKLES.
Ich tu es dir und mir, ihr Freigelaßnen!
Ergreift mit Mannes Kraft das Leben, laßt
Die Götter euch mit Ehre trösten; ihr
Beginnt nun erst. Es gehen Menschen auf
Und nieder. Weilet nun nicht länger! Tut,
Was ich gesagt.
ERSTER SKLAVE.
Herr meines Herzens! leb
Und geh nicht unter!
DRITTER SKLAVE.
Sage, werden wir
Dich nimmer sehn?
EMPEDOKLES.
O fraget nicht, es ist
Umsonst.
Mit Macht gebietend.
[41]
ZWEITER SKLAVE im Abgehn.
Ach! wie ein Bettler soll er nun das Land
Durchirren und des Lebens nirgend sicher sein?
EMPEDOKLES siehet ihnen schweigend nach.
Lebt wohl! ich hab
Euch schnöd hinweggeschickt, lebt wohl ihr Treuen.
Und du, mein väterliches Haus, wo ich erwuchs
Und blüht'! – ihr lieben Bäume! vom Freudengesang
Des Götterfreunds geheiligt, ruhige
Vertraute meiner Ruh! o sterbt und gebt
Den Lüften zurück das Leben, denn es scherzt
Das rohe Volk in eurem Schatten nun
Und wo ich selig ging, da spotten sie meiner.
Weh! ausgestoßen, ihr Götter? und ahmte
Was ihr mir tut, ihr Himmlischen, der Priester
Der Unberufene, seellos nach? ihr ließt
Mich einsam, mich, der euch geschmäht, ihr Lieben!
Und dieser wirft zur Heimat mich hinaus
Und der Fluch hallt, den ich selber mir gesprochen,
Mir ärmlich aus des Pöbels Munde wider?
Ach der einst innig mit euch, ihr Seligen,
Gelebt, und sein die Welt genannt aus Freude,
Hat nun nicht, wo er seinen Schlummer find'
Und in sich selber kann er auch nicht ruhn.
Wohin nun, ihr Pfade der Sterblichen? viel
Sind euer, wo ist der meine, der kürzeste? wo?
Der schnellste? denn zu zögern ist Schmach.
Ha! meine Götter! im Stadium lenkt ich den Wagen
Einst unbekümmert auf rauchendem Rad, so will
Ich bald zu euch zurück, ist gleich die Eile gefährlich.
Geht ab.
[42]
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Der Tod des Empedokles
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