Achter Auftritt

[39] Empedokles.

Drei Sklaven des Empedokles.


ERSTER SKLAVE.

Gehst du, Herr?

EMPEDOKLES.

Ich gehe freilich, guter

Und hole mir das Reisgerät, soviel

Ich selber tragen kann, und bring es noch

Mir auf die Straße dort hinaus – es ist

Dein letzter Dienst!

ZWEITER SKLAVE.

O Götter![39]

EMPEDOKLES.

Immer seid

Ihr gern um mich gewesen, denn ihr wart's

Gewohnt, von lieber Jugend her, wo wir

Zusammen auf in diesem Hause wuchsen,

Das meinem Vater war und mir, und fremd

Ist meiner Brust das herrischkalte Wort.

Ihr habt der Knechtschaft Schicksal nie gefühlt.

Ich glaub es euch, ihr folgtet gerne mir

Wohin ich muß. Doch kann ich es nicht dulden,

Daß euch der Fluch des Priesters ängstige.

Ihr wißt ihn wohl? Die Welt ist aufgetan

Für euch und mich, ihr Kinder, und es sucht

Nun jeder sich sein eigen Glück –

DRITTER SKLAVE.

O nein!

Wir lassen nicht von dir. Wir könnens nicht.

ZWEITER SKLAVE.

Was weiß der Priester, wie du lieb uns bist.

Verbiet ers andern! uns verbeut ers nicht.

ERSTER SKLAVE.

Gehören wir zu dir, so laß uns auch

Bei dir! Ists doch von gestern nicht, daß wir

Mit dir zusammen sind, du sagst es selber.

EMPEDOKLES.

O Götter! bin ich kinderlos und leb

Allein mit diesen drein, und dennoch häng

Ich hingebannt an dieser Ruhestätte,

Gleich Schlafenden, und ringe, wie im Traum,

Hinweg? Es kann nicht anders sein, ihr Guten![40]

O sagt mir nun nichts mehr, ich bitt euch das,

Und laßt uns tun, als wären wir es nimmer.

Ich will es ihm nicht gönnen, daß der Mann

Mir alles noch verfluche, was mich liebt –

Ihr gehet nicht mit mir; ich sag es euch.

Hinein und nimmt das Beste, was ihr findet,

Und zaudert nicht und flieht; es möchten sonst

Die neuen Herrn des Hauses euch erhaschen,

Und eines Feigen Knechte würdet ihr.

ZWEITER SKLAVE.

Mit harter Rede schickest du uns weg?

EMPEDOKLES.

Ich tu es dir und mir, ihr Freigelaßnen!

Ergreift mit Mannes Kraft das Leben, laßt

Die Götter euch mit Ehre trösten; ihr

Beginnt nun erst. Es gehen Menschen auf

Und nieder. Weilet nun nicht länger! Tut,

Was ich gesagt.

ERSTER SKLAVE.

Herr meines Herzens! leb

Und geh nicht unter!

DRITTER SKLAVE.

Sage, werden wir

Dich nimmer sehn?

EMPEDOKLES.

O fraget nicht, es ist

Umsonst.


Mit Macht gebietend.
[41]

ZWEITER SKLAVE im Abgehn.

Ach! wie ein Bettler soll er nun das Land

Durchirren und des Lebens nirgend sicher sein?

EMPEDOKLES siehet ihnen schweigend nach.

Lebt wohl! ich hab

Euch schnöd hinweggeschickt, lebt wohl ihr Treuen.

Und du, mein väterliches Haus, wo ich erwuchs

Und blüht'! – ihr lieben Bäume! vom Freudengesang

Des Götterfreunds geheiligt, ruhige

Vertraute meiner Ruh! o sterbt und gebt

Den Lüften zurück das Leben, denn es scherzt

Das rohe Volk in eurem Schatten nun

Und wo ich selig ging, da spotten sie meiner.

Weh! ausgestoßen, ihr Götter? und ahmte

Was ihr mir tut, ihr Himmlischen, der Priester

Der Unberufene, seellos nach? ihr ließt

Mich einsam, mich, der euch geschmäht, ihr Lieben!

Und dieser wirft zur Heimat mich hinaus

Und der Fluch hallt, den ich selber mir gesprochen,

Mir ärmlich aus des Pöbels Munde wider?

Ach der einst innig mit euch, ihr Seligen,

Gelebt, und sein die Welt genannt aus Freude,

Hat nun nicht, wo er seinen Schlummer find'

Und in sich selber kann er auch nicht ruhn.

Wohin nun, ihr Pfade der Sterblichen? viel

Sind euer, wo ist der meine, der kürzeste? wo?

Der schnellste? denn zu zögern ist Schmach.

Ha! meine Götter! im Stadium lenkt ich den Wagen

Einst unbekümmert auf rauchendem Rad, so will

Ich bald zu euch zurück, ist gleich die Eile gefährlich.


Geht ab.
[42]


Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Stuttgart 1962, S. 39-43.
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Der Tod des Empedokles
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