[43] Panthea. Delia.
DELIA.
Stille, liebes Kind!
Und halt den Jammer! daß uns niemand höre.
Ich will hinein ins Haus. Vielleicht er ist
Noch drinnen und du siehst noch Einmal ihn.
Nur bleibe still indessen – kann ich wohl
Hinein?
PANTHEA.
O tu es, liebe Delia.
Ich bet indes um Ruhe, daß mir nicht
Das Herz vergeht, wenn ich den hohen Mann
In dieser bittern Schicksalsstunde sehe.
DELIA.
O Panthea!
PANTHEA allein, nach einigem Stillschweigen.
Ich kann nicht – ach es wär
Auch Sünde, da gelassener zu sein!
Verflucht? ich faß es nicht, und wirst auch wohl
Die Sinne mir zerreißen, schwarzes Rätsel!
Wie wird er sein?
Pause. Erschrocken zu Delia, die wieder zurückkömmt.
Wie ists?
DELIA.
Ach! alles tot
Und öde?[43]
PANTHEA.
Fort?
DELIA.
Ich fürcht es. Offen sind
Die Türen; aber niemand ist zu sehn.
Ich rief, da hört ich nur den Widerhall
Im Hause; länger bleiben mocht ich nicht –
Ach! stumm und blaß ist sie und siehet fremd
Mich an, die Arme. Kennest du mich nimmer?
Ich will es mit dir dulden, liebes Herz!
PANTHEA.
Nun! komme nur!
DELIA.
Wohin?
PANTHEA.
Wohin? ach! das,
Das weiß ich freilich nicht, ihr guten Götter!
Weh! Keine Hoffnung! Und du leuchtest mir
Umsonst, o goldnes Licht dort oben? fort
Ist er – wie soll die Einsame denn wissen,
Warum ihr noch die Augen helle sind.
Es ist nicht möglich, nein! zu frech
Ist diese Tat, zu ungeheuer, und ihr habt
Es doch getan. Und leben muß ich noch
Und stille sein bei diesen? weh! und weinen
Nur weinen kann ich über alles das!
DELIA.
O weine nur! du liebe, besser ists
Denn schweigen oder reden.[44]
PANTHEA.
Delia!
Da ging er sonst! und dieser Garten war
Um seiner willen mir so wert. Ach oft,
Wenn mir das Leben nicht genügt', und ich,
Die Ungesellige, betrübt mit andern
Um unsre Hügel irrte, sah ich her
Nach dieser Bäume Gipfeln, dachte, dort
Ist Einer doch! – Und meine Seele richtet'
An ihm sich auf. Ich lebte gern mit ihm
In meinem Sinn, und wußte seine Stunden.
Vertraulicher gesellte da zu ihm
Sich mein Gedank, und teilte mit dem Lieben
Das kindliche Geschäft – ach! grausam haben sie's
Zerschlagen, auf die Straße mirs geworfen
Mein Heldenbild, ich hätt es nie gedacht.
Ach! hundertjährgen Frühling wünscht ich oft
Ich Törige für ihn und seine Gärten!
DELIA.
O konntet ihr die zarte Freude nicht
Ihr lassen, gute Götter!
PANTHEA.
Sagst du das?
Wie eine neue Sonne kam er uns
Und strahlt' und zog das ungereifte Leben
An goldnen Seilen freundlich zu sich auf
Und lange hatt auf ihn Sicilien
Gewartet. Niemals herrscht' auf dieser Insel
Ein Sterblicher wie er, sie fühltens wohl,
Er lebe mit den Genien der Welt
Im Bunde. Seelenvoller! und du nahmst[45]
Sie all ans Herz, weh! mußt du nun dafür
Geschändet fort von Land zu Lande ziehn
Das Gift im Busen, das sie mitgegeben?
Das habt ihr ihm getan! o laßt nicht mich
Ihr weisen Richter! ungestraft entkommen.
Ich ehr ihn ja und wenn ihr es nicht wißt,
So will ich es ins Angesicht euch sagen,
Dann stoßt mich auch zu eurer Stadt hinaus.
Und hat er ihm geflucht, der Rasende
Mein Vater, ha! so fluch er nun auch mir.
Ihr Blumen
Des Himmels! schöne Sterne, werdet ihr
Denn auch verblühn? und wird es Nacht alsdenn
In deiner Seele werden, Vater Aether!
Wenn deine Jünglinge, die Glänzenden
Erloschen sind vor dir? Ich weiß, es muß,
Was göttlich ist, hinab. Zur Seherin
Bin ich geworden über seinem Fall,
Und wo mir noch ein schöner Genius
Begegnet, nenn er Mensch sich oder Gott,
Ich weiß die Stunde, die ihm nicht gefällt –
DELIA.
O Panthea! mich schröckt es, wenn du so
Dich deiner Klagen überhebst. Ist er[46]
Denn auch, wie du, daß er den stolzen Geist
Am Schmerze nährt, und heftger wird im Leiden?
Ich mags nicht glauben, denn ich fürchte das.
Was müßt er auch beschließen?
PANTHEA.
Ängstigest
Du mich? Was hab ich denn gesagt? Ich will
Auch nimmer – ja gedultig will ich sein,
Ihr Götter! will vergebens nun nicht mehr
Erstreben, was ihr ferne mir gerückt,
Und was ihr geben mögt, das will ich nehmen.
Du Heiliger! und find ich nirgends dich,
So kann ich mich auch freuen, daß du da
Gewesen. Ruhig will ich sein, es möcht
Aus wildem Sinne mir das edle Bild
Entfliehn, und daß mir nur der Tageslärm
Den brüderlichen Schatten nicht verscheuche,
Der, wo ich leise wandle, mich geleitet.
DELIA.
Du liebe Träumerin! er lebt ja noch.
PANTHEA.
Er lebt? ja wohl! er lebt! er geht
Im weiten Felde Nacht und Tag. Sein Dach
Sind Wetterwolken und der Boden ist
Sein Lager. Winde krausen ihm das Haar
Und Regen träuft mit seinen Tränen ihm
Vom Angesicht, und seine Kleider trocknet
Am heißen Mittag ihm die Sonne wieder,
Wenn er im schattenlosen Sande geht.
Gewohnte Pfade sucht er nicht; im Fels[47]
Bei denen, die von Beute sich ernähren,
Die fremd, wie er, und allverdächtig sind,
Da kehrt er ein, die wissen nichts vom Fluch,
Die reichen ihm von ihrer rohen Speise,
Daß er zur Wanderung die Glieder stärkt.
So lebt er! weh! und das ist nicht gewiß!
DELIA.
Ja! es ist schröcklich, Panthea.
PANTHEA.
Ists schröcklich?
Du arme Trösterin, vielleicht, es währt
Nicht lange mehr, so kommen sie, und sagen
Einander sichs, wenn es die Rede gibt,
Daß er erschlagen auf dem Wege liege.
Es dulden's wohl die Götter, haben sie
Doch auch geschwiegen, da man ihn mit Schmach
Ins Elend fort aus seiner Heimat warf.
O du! – wie wirst du enden? müde ringst
Du schon am Boden fort, du stolzer Adler!
Und zeichnest deinen Pfad mit Blut, und es
Erhascht der feigen Jäger einer dich,
Zerschlägt am Felsen dir dein sterbend Haupt
Und Jovis Liebling nanntet ihr ihn doch?
DELIA.
Ach lieber schöner Geist! nur so nicht!
Nur solche Worte nicht! Wenn du es wüßtest,
Wie mich die Sorg um dich ergreift! Ich will
Auf meinen Knien dich bitten, wenn es hilft.
Besänftige dich nur. Wir wollen fort.
Es kann noch viel sich ändern, Panthea.[48]
Vielleicht bereut es bald das Volk. Du weißt
Es ja, wie sie ihn liebten. Komm! ich wend
An deinen Vater mich und helfen sollst
Du mir. Wir können ihn vielleicht gewinnen.
PANTHEA.
O wir, wir sollten das, ihr Götter![49]
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