Sechster Auftritt

[84] EMPEDOKLES allein.

Ha! Jupiter Befreier! näher tritt

Und näher meine Stund und vom Geklüfte

Kömmt schon der traute Bote meiner Nacht

Der Abendwind zu mir, der Liebesbote.

Es wird! gereift ists! o nun schlage, Herz,

Und rege deine Wellen, ist der Geist

Doch über dir wie leuchtendes Gestirn,

Indes des Himmels heimatlos Gewölk

Das immer flüchtige vorüber wandelt.

Wie ist mir? staunen muß ich noch, als fing'

Ich erst zu leben an, denn all ists anders,

Und jetzt erst bin ich, bin – und darum wars,

Daß in der frommen Ruhe dich so oft,

Du Müßiger, ein Sehnen überfiel?

O darum ward das Leben dir so leicht,

Daß du des Überwinders Freuden all

In Einer vollen Tat am Ende fändest?

Ich komme. Sterben? nur ins Dunkel ists

Ein Schritt, und sehen möchtst du doch, mein Auge!

Du hast mir ausgedient, dienstfertiges!

Es muß die Nacht itzt eine Weile mir

Das Haupt umschatten. Aber freudig quillt

Aus mutger Brust die Flamme. Schauderndes

Verlangen! Was? am Tod entzündet mir

Das Leben sich zuletzt? und reichest du

Den Schreckensbecher, mir, den gärenden,

Natur! damit dein Sänger noch aus ihm[85]

Die letzte der Begeisterungen trinke!

Zufrieden bin ichs, suche nun nichts mehr

Denn meine Opferstätte. Wohl ist mir.

O Iris Bogen über stürzenden

Gewässern, wenn die Wog in Silberwolken

Auffliegt, wie du bist, so ist meine Freude.


Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Stuttgart 1962, S. 84-86.
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