Letzter Auftritt des zweiten Aktes

[118] Pausanias. Panthea. Delia.


PAUSANIAS.

Wo ist er? o Panthea!

Du ehrst ihn, suchest ihn auch,

Willst Einmal noch ihn sehn,

Den furchtbarn Wanderer, ihn, dem allein

Beschieden ist, den Pfad zu gehen mit Ruhm,

Den ohne Fluch betritt kein anderer.

PANTHEA.

Ists fromm von ihm und groß

Das Allgefürchtete?

Wo ist er?

PAUSANIAS.

Er sandte mich hinweg, indessen sah

Ich ihn nicht wieder. Droben rief

Ich im Gebürg ihn, doch ich fand ihn nicht.

Er kehrt gewiß. Bis in die Nacht

Versprach er freundlich mir zu bleiben.

O käm er! Es flieht, geschwinder, wie Pfeile

Die liebste Stunde vorüber.[118]

Denn freuen werden wir uns noch mit ihm,

Du wirst es, Panthea, und sie,

Die edle Fremdlingin, die ihn

Nur Einmal sieht, ein herrlich Meteor.

Von seinem Tode, ihr Weinenden,

Habt ihr gehört?

Ihr Trauernden! o sehet ihn

In seiner Blüte, den Hohen,

Ob trauriges nicht

Und was den Sterblichen schröcklich dünkt,

Sich sänftiige vor seligem Auge.

DELIA.

Wie liebst du ihn! und batest umsonst

Den Ernsten? mächtger ist, denn er

Die Bitte, Jüngling! und ein schöner Sieg

Wärs dir gewesen!

PAUSANIAS.

Wie konnt ich? trifft

Er doch die Seele mir, wenn er

Antwortet, was sein Will ist.

Denn Freude nur gibt sein Versagen.

Dies ists und es tönt, je mehr auf Seinem

Der Wunderbare besteht,

Nur tiefer das Herz ihm wider. Es ist

Nicht eitel Überredung, glaub es mir,

Wenn er des Lebens sich

Bemächtiget.

Oft wenn er stille war

In seiner Welt,

Der Hochgenügsame, sah ich ihn

Nur dunkel ahnend, rege war,[119]

Und voll die Seele mir, doch konnt ich nicht

Sie fühlen, und es ängstigte mich fast

Die Gegenwart des Unberührbaren.

Doch kam entscheidend von seiner Lippe das Wort,

Dann tönt' ein Freudenhimmel nach in ihm

Und mir und ohne Widerred

Ergriff es mich, doch fühlt ich nur mich freier.

Ach, könnt er irren, inniger

Erkennt ich daran den unerschöpflich Wahren

Und stirbt er, so flammt aus seiner Asche nur heller

Der Genius mir empor.

DELIA.

Dich entzündet, große Seele! der Tod

Des Großen, aber es sonnen

Die Herzen der Sterblichen auch

An mildem Lichte sich gern, und heften

Die Augen an Bleibendes. O sage, was soll

Noch leben und dauern? Die Stillsten reißt

Das Schicksal doch hinaus und haben

Sie ahnend sich gewagt, verstößt

Es bald die Trauten wieder, und es stirbt

An ihren Hoffnungen die Jugend.

In seiner Blüte bleibt

Kein Lebendes – ach! und die Besten,

Noch treten zur Seite der tilgenden,

Der Todesgötter, auch sie und gehen dahin

Mit Lust und machen zur Schmach es uns

Bei Sterblichen zu weilen!

PAUSANIAS.

Verdammest du[120]

DELIA.

O warum lässest du

Zu sterben deinen Helden

So leicht es werden, Natur?

Zu gern nur, Empedokles,

Zu gerne opferst du dich,

Die Schwachen wirft das Schicksal um, und die andern

Die Starken achten es gleich, zu fallen, zu stehn,

Und werden, wie die Gebrechlichen.

Du Herrlicher! was du littest,

Das leidet kein Knecht

Und ärmer denn die andern Bettler

Durchwandertest du das Land,

Ja! freilich wahr ists,

Nicht die Verworfensten

Sind elend, wie eure Lieben, wenn einmal

Schmähliches sie berührt, ihr Götter.

Schön hat ers genommen.

PANTHEA.

O nicht wahr?

Wie sollt er auch nicht?

Muß immer und immer doch

Was übermächtig ist

Der Genius überleben – gedachtet ihr,

Es halte der Stachel ihn auf? es belschleunigen ihm

Die Schmerzen den Flug und wie der Wagenlenker,

Wenn ihm das Rad in der Bahn[121]

Zu rauchen beginnt, eilt

Der Gefährdete nur schneller zum Kranze!

DELIA.

So freudig bist du, Panthea?

PANTHEA.

Nicht in der Blüt und Purpurtraub

Ist heilge Kraft allein, es nährt

Das Leben vom Leide sich, Schwester!

Und trinkt, wie mein Held, doch auch

Am Todeskelche sich glücklich!

DELIA.

Weh! mußt du so

Dich trösten, Kind?

PANTHEA.

O nicht! es freuet mich nur,

Daß heilig, wenn es geschehn muß,

Das Gefürchtete, daß es herrlich geschieht.

Sind nicht, wie er, auch

Der Heroen einige zu den Göttern gegangen?

Erschrocken kam, lautweinend

Vom Berge, das Volk, ich sah

Nicht einen, ders ihm hätte gelästert,

Denn nicht, wie die Verzweifelnden

Entfliehet er heimlich, sie hörten es all,

Und ihnen glänzt' im Leide das Angesicht

Vom Worte, das er gesprochen –

PAUSANIAS.

So gehet festlich hinab

Das Gestirn und trunken

Von seinem Lichte glänzen die Täler?[122]

PANTHEA.

Wohl geht er festlich hinab –

Der Ernste, dein Liebster, Natur!

Dein treuer, dein Opfer!

O die Todesfürchtigen lieben dich nicht,

Täuschend fesselt ihnen die Sorge

Das Aug, an deinem Herzen

Schlägt dann nicht mehr ihr Herz, sie verdorren

Geschieden von dir – o heilig All!

Lebendiges! inniges! dir zum Dank

Und daß er zeuge von dir, du Todesloses!

Wirft lächelnd seine Perlen ins Meer,

Aus dem sie kamen, der Kühne.

So mußt es geschehn.

So will es der Geist

Und die reifende Zeit,

Denn Einmal bedurften

Wir Blinden des Wunders.[123]

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Stuttgart 1962, S. 118-124.
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