Ein klägliches Schicksal der Poeten

[90] Wie sorglos schläft der sichre Musensohn,

Wann er, bei Kerz' und Nacht, in dichterischen Stunden,

Nun, wie er glaubt, den Einfall ausgefunden,

Den er gesucht, der ihn zu sehr geflohn![90]

Wie unruhvoll wird seine Lagerstatt,

Wann ihm der nächste Tag, sobald er ganz erwachet,

Des Fundes Werth mit Recht verdächtig machet!

Der Einfall welkt: die Worte fließen matt.

So schmeichelhaft war Jacobs Nacht und Stand,

Als, wie er wünscht' und hofft', ihn Rahels Reiz beglückte:

So groß sein Leid, als er den Tag erblickte,

Die Augen rieb, und eine Lea fand.


Quelle:
Friedrich von Hagedorn: Sämmtliche poetische Werke, Leipzig o.J, S. 90-91.
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