Apollo und Minerva

[148] An den Verfasser der Trauerspiele: die Horatier und Timoleon.


Mein Behrmann, den Geschmack und Witz und Redlichkeit

Von niederträcht'gem Wahn entfernet,

Den auch ein innrer Reichthum körnet,

Der weder Wind noch Fluten scheut,

Ermüde nicht, in lehrenden Gedichten

Die deutschen Musen zu erfreun.

Der Dünkel meistre dich; es mag die Thorheit richten;

Nicht aber dich mit Witz und Kunst entzwein.

Der Einfalt lächerliches Lachen

Muß deine Seele nicht klein, träg' und irdisch machen.[148]

Sei stets der Wahrheit hold, (sie nutzt vor tausend Sachen)

Und schäme dich nicht, klug zu sein.


Die Fabel, die ich dich jetzt lehre,

Zeigt unsers Pöbels Ekel an;

Und dennoch bleibt es wahr: Ein reicher, weiser Mann

Ist zwiefach seiner Eltern Ehre.


Der Gott der Aerzt' und der Poeten

Und Pallas wurden einst vom Himmel weggebannt,

Die Ursach' ist noch unbekannt,

Und scheint zu wissen nicht vonnöthen.


Als dieses Paar die Welt betrat,

Beriethen beide sich, was bestens anzufangen?

Apollo sprach: Ich schaffe Rath,

Mein Lebensöl muß Brod erlangen.

Minerva rief frohlockend aus:

Auch meiner Kunst bedarf ein jedes Haus.


Man waget den Versuch, und baut im nächsten Orte

Zwo große Storgerbühnen auf.

Apollo hat, als Arzt, viel Herrliches zu Kauf,

Und rühmet, was er hat, durch ausgesuchte Worte.

Sein Wunderelixir, das alte Haut verjüngt,

Den ächten Theriac, die besten Augensalben,

Ein Oel, das jede Krankheit zwingt,

Und Apotheken g'nug, zu ganzen und zu halben.


Die Tochter Jupiters nahm Seelen in die Cur,

Sie sprach: Mein Gegengift wehrt allen Vorurtheilen,

Mein Weisheitbalsam ist die Stärkung der Natur;

Er kann den schlimmsten Schaden heilen:

Des Aberglaubens Krebs, der viele Lehrer plagt,

Die Ueppigkeit, die Zehrung ganzer Reiche,

Den Wurm des Widerspruchs, der Haubt und Zunge nagt,

Den Neid, der kleinen Geister Seuche.


Die Mittel, die ich zubereite,

Vertreiben ungesäumt der Schwätzer Lügensucht,

Und die Vergessenheit, des rohen Undanks Frucht,

Die Taubheit und den Kropf, die Krankheit großer Leute,[149]

Des Geizes Höllendurst, der Einfalt Eigensinn,

Den tilg' ich wundersam; so wahr ich Pallas bin!

Auch nehm' ich die Bezahlung nur

Nach glücklich angeschlagner Cur.


Apollo machte fleißig Kunden,

Die arme Pallas hatte Ruh'.

Nur ihm warf man das Schnupftuch zu,

Er rieth den Kranken und Gesunden.


Wo wird die Weisheit Kranke finden?

Ein jeder hält sich schon für klug,

Bescheiden, liebreich, fromm genug.

Der Hochmuth hilft ihm schon zu Gründen.


Quelle:
Friedrich von Hagedorn: Sämmtliche poetische Werke, Leipzig o.J, S. 148-150.
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