Die Vögel

[250] 1730.


In diesem Wald, in diesen Gründen

Herrscht nichts, als Freiheit, Lust und Ruh.

Hier sagen wir der Liebe zu,

Im dicksten Schatten uns zu finden:

Da find' ich dich, mich findest du.


Hier paaren sich Natur und Liebe,

Die Jugend und die Fröhlichkeit,

Die Lust und die Gelegenheit:

Und macht Gelegenheit ja Diebe;

So wird der Raub der Lust geweiht.


Die Vögel lieben hier und singen.

Es liebt der in den Lüften schwebt;

Es liebt was kaum der Fittich hebt

Und suchet aus dem Nest zu dringen:

Weil alles nach der Freiheit strebt.


Die Nachtigall in diesen Sträuchen

Gleicht durch die süße Stimme dir;

In ihrer Scherzlust gleicht sie mir:

Und sucht, uns beiden mehr zu gleichen,

Die sichern Schatten, so wie wir.


Die Lerche steiget in die Höhe.

Ihr buhlerischer Lustgesang

Verehrt und lobet lebenslang

Die freie Liebe, nicht die Ehe;

Die stete Wahl, und keinen Zwang.


Wie scherzt und hüpfet durch die Felder

Die oft gepaarte Wachtelbrut!

Die frohen Schläge, die sie thut,

Erschallen in die nahen Wälder

Und tönen nur von Lust und Muth.


Wie buhlen dort die Turteltauben:

Wer kann ihr Girren nicht verstehn?

Die Liebe macht es doppelt schön,

Und will und soll uns auch erlauben,

Das Schnäbeln ihnen abzusehn.
[251]

Der Sperling theilt sein kurzes Leben

In Zwitschern und in Lieben ein.

Man weiß, er liebet ungemein:

Will man sein Singen nicht erheben,

So wird er wol zu trösten sein.


Noch eh' wir uns von hier entfernen,

Nimm jetzt nebst mir doch den Entschluß,

Bei jedem Scherz, bei jedem Kuß

Den Vögeln etwas abzulernen,

Das dir und mir gefallen muß.


Quelle:
Friedrich von Hagedorn: Sämmtliche poetische Werke, Leipzig o.J, S. 250-252.
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