Die einunddreißigste Ode des Horaz

[242] im ersten Buche.


Was mag der Wunsch des Dichters sein,

Der den geweihten Phoebus bittet?

Und was ruft er ihn an, da er den neuen Wein

Aus seiner Opferschale schüttet?

Er wird den Reichthum voller Aehren

Nicht aus der feisten Flur Sardiniens begehren,

Auch nicht um den Besitz der schönen Heerden flehn,

Die in Calabriens erhitzten Triften gehn.


Kein indisch Elfenbein noch Gold

Sind das, warum er Bitten waget,

Auch Felder nicht, um die der stumme Liris rollt,

Der sie mit stillem Wasser naget.

Der, dem ein günstig Glück bei Cales Wein gegeben,

Beschneid' und keltre sich die ihm gegönnten Reben!

Die güldnen Kelche leer' ein reicher Handelsmann

Von Weinen, die sein Tausch in Syrien gewann!


Der Götter Liebling sei nur Er!

Daß drei- ja viermal alle Jahre

Er straffrei und verschont des Atlas breites Meer

Mit sichern Frachten überfahre!

Mir sind Cichorien, mir sind des Oelbaums Früchte

Und leichte Malven stets vergnügende Gerichte.

Gib mir, Latonens Sohn, bis zu des Lebens Schluß,

Zum Gegenwärtigen Gesundheit und Genuß.


Nur etwas wünsch' ich mir dabei,

Verweil' ich länger auf der Erde:

Daß auch mein Alter noch ein Stand der Ehre sei

Und mir zu keinem Vorwurf werde.

Alsdann vermindre mir kein Kummer, kein Geschäfte,

Und keiner Krankheit Gift die mindern Seelenkräfte,

Und, wie der Dichter Kunst mir immer wohlgefiel,

So sei der Saiten Scherz auch meines Alters Spiel.


Quelle:
Friedrich von Hagedorn: Sämmtliche poetische Werke, Leipzig o.J, S. 242-243.
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