Das Heidelberger Faß

[310] 1728.


Ihr Freunde! laßt uns altklug werden

Und weiser, als die Weisen, sein;

Entsaget aller Lust auf Erden;

Entsagt den Schönen und dem Wein!

Ihr lacht und spitzt den Mund auf Küsse:

Ihr lacht und füllt das Deckelglas;

Euch meistern keine strengen Schlüsse;

Euch lehrt das Heidelberger Faß.

Was lehret das?


Chor:


Wir können vieler Ding' entbehren

Und dies und jenes nicht begehren;

Doch werden wenig Männer sein,

Die Weiber hassen und den Wein.


Wir Menschen sollen uns gesellen:

So lehrt uns täglich Syrbius.

Gesellt uns nicht, in tausend Fällen,

Des Freundes Wein, der Freundin Kuß?

Uns dienen Wein und Zärtlichkeiten,

Kein Wasserdurst, kein Weiberhaß.[310]

Das zeigt das Beispiel aller Zeiten;

Das zeigt das Heidelberger Faß.

Was zeiget das?


Chor.


Wir können vieler Ding' entbehren

Und dies und jenes nicht begehren;

Doch werden wenig Männer sein,

Die Weiber hassen und den Wein.


Wie strahlt das Feuer schöner Augen!

Wie blinkt der helle Rebensaft!

Aus Lippen soll man Liebe saugen

Und aus dem Weine Heldenkraft.

Die Weisheit lehret: Trinkt und liebet!

Es liebt' und trank Pythagoras;

Und wenn auch der kein Zeugniß gibet,

So gibt's das Heidelberger Faß.

Wie lautet das?


Chor.


Wir können vieler Ding' entbehren

Und dies und jenes nicht begehren;

Doch werden wenig Männer sein,

Die Weiber hassen und den Wein.

Quelle:
Friedrich von Hagedorn: Sämmtliche poetische Werke, Leipzig o.J, S. 310-311.
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