Der ordentliche Hausstand

[262] Crispin geht stets berauscht zu Bette,

Und öfters, wann der Tag schon graut.

Sein Weib, die lächelnde Finette,

Lebt mit dem Nachbar recht vertraut.

Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen

Ist ordentlich und auserlesen.


Kaum rennt Crispin zum neuen Schmause

Und wittert angenehmen Wein:

So schleicht sein Weibchen aus dem Hause

Und führt den Nachbar selbst hinein.

Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen

Ist ordentlich und auserlesen.


Er lobet und beschreibt ihr klüglich

Den wohlgenoss'nen Rebensaft:

Sie aber rühmt ihm unverzüglich

Des Nachbars gute Nachbarschaft.

Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen

Ist ordentlich und auserlesen.


Die Nachmittags- und Abendstunden

Bringt sie mit ihrem Nachbar zu,

Und wann die Nacht sich eingefunden,

Befördert sie des Mannes Ruh.

Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen

Ist ordentlich und auserlesen.
[262]

Der gute Mann weiß nichts vom Neide:

Die gute Frau darf sich erfreun.

Er gönnt Finetten ihre Freude;

Sie gönnt Crispinen seinen Wein.

Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen

Ist ordentlich und auserlesen.


Die Weiber, die den Männern fluchen,

Wenn sie zu oft zu Weine gehn,

Die sollten dieses Haus besuchen

Und der Finette Beispiel sehn.

Ihr ganzes Haus- und Wirthschaftswesen

Ist ordentlich und auserlesen.


Den Männern, die auf Weiber schmählen,

Wenn sie der Nachbar sittlich macht,

O denen kann Crispin erzählen,

Der Wein ertränke den Verdacht.

Sein ganzes Haus- und Wirthschaftswesen

Ist ordentlich und auserlesen.


Quelle:
Friedrich von Hagedorn: Sämmtliche poetische Werke, Leipzig o.J, S. 262-263.
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