[Man hat mit Recht die Alte Zeit genennet]

[78] Vber die massen verwundreten sich die Schäfere sämtlich/ als sie in der Abzehlung jedwedern Reimschluß Ein und viertzig der gehäuften Buchstaben just inhaltend befanden/ welcher Vrsach halber auch ihrer keinē der angesetzte Preiß konde zugesprochen werden/ daher sie auch diesen Zank auf eine andere Zeit zu verschrieben[78] geruheten. Folgends: Ich erinnere mich/ fienge St. an/ bey Fl. sein Gedichtchē/ der Heldengedächtnisse/ welche Kl. und er heute in Pans Höle beobachtet zu haben kurtz zuvor angebracht/ begehre derhalben von Mont. bittlich/ mit mir etwas von dieser unser letzten Heldenzeit abzusingen. Meines Erachtens sagete Mont. ist vielmehr die güldne Zeit der ersten Welt lobens wehrt/ mißbeliebe derhalben St. nicht/ wann ich ihme in seinem Singen Gegenpart zu halten gedenke. Ich bin wohl zu frieden/ versetzete Strep. Montano wolle den Anfang machen/ ich will aber seine letzten Reimworte behalten/ und folgends über meinen Leist schlagen. Nun wohl/ sangte Mont. so fange ich an.


Montano.


Man hat mit Recht die Alte Zeit genennet1

Vom Tugendgold/

Da man noch Ertz noch Silber hat gekennet/

noch Krieg/ noch Sold.

Wer aber kan jetzt Stahl und Eisen/

Wie jener Gold/ mit Fuge preisen?

Das uns den Lasterlast lässt an der Zeiten End.


Strephon.


Es wird mit Fug die Heldenzeit genennet/

Die Tugendgold

Vnd hohen Ruhm der Dapferkeit erkennet/

Auch sonder Sold.

Ein jeder soll die Hand voll Eisen/

Die ihn beschützt/ mit Danken preisen/

Die altes Adels Ehr mehrt an der Zeiten End.


Montano.


Ein jeder war/ zwar bey geringer Haab/

Im Ruhestand/

Ernehrte sich mit seinem Schäferstab/

Vnd fettem Land.[79]

Das brache Feld/ mit Lust gepflüget/

Vnd Viehezucht hielt sie vergnüget/

Die Quell war sein Getränk bis in das Todengrab.


Strephon.


Ein jeder mehrt mit Ehren Gut und Haab

Im Waffenstand/

Ernehret sich nicht mit dem Bettelstab

In Feindes Land.

Der Feind hat schon für ihn gepflüget/

Er findet dort/ was ihn vergnüget.

Sein Nahm erstirbet nicht/ wann er schon liegt im Grab.


Montano.


Man wuste nicht die Wörter Dein und Mein:

Das Sorgengeld

War dazumahl in schlechtem Wehrt und Schein

Bey aller Welt.

Man tauschete nur Wahr üm Wahre/

Ohn Meucheltrug/ List und Gefahre:

Zu dieser unsrer Zeit muß Falschheit redlich seyn.


Strephon.


Nun wechseln sich die Wörter Mein und Dein/

Das teure Geld

Weist mit dem Pracht sehr hochbeliebten Schein

In aller Welt.

Der Degen ist Soldatenwahre/

Der Geld erwirbt nicht ohn Gefahre.

Man kan auch in dem Krieg Gott wolgefällig seyn.

Fußnoten

1 Gespräch K. nach der Spanischen Art. S. der schönen Diana 1. Th. 4. B. 144. Bl.


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer/ Sigmund von Birken/ Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht. Tübingen 1966, S. 78-80.
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