[Nehmt war/ wie öde liegt der Teutschen ädler Grund]

[37] Sonderszweifel/ sagete Floridan/ wird diesem Hirten etwas unrichtiges von denen Kriegsgurgeln zugestanden seyn/ weil er die allgemeine Last so nachdenklich beklaget! Ich halte selbst dafür/ erlängerte Klajus/dieser füre nicht ausser Vrsach[37] solche Klagreimen: was mich belanget/ könte ich ihm/ auf Anlaß/ wohl mit guter Fug hierinnen beystimmen/ als der ich dißfalls mit meinem bedrängtem Vatterlande ein billiches Mitleiden trage. Ich habe dessen auch Vrsach/ täte Floridan hinzu/ lasset uns derhalben auf jenem Hügel zusammensetzen/ und unsren Kummer hierob/ mit etlichen Reimen ebenmässig ablasten/ vielleicht sind unsre Lieder nicht ungeschikkter vorzustellen die erbärmliche Zeiten/ zu welchen uns leider/ der Himmel hat vorbehalten wollen. In alle weg lasset uns/ versetzete Klajus. Lagreten sich also beyde Schäfere auf ernennten Hügel/ und fienge darauf Floridan also an:


Nehmt war/ wie öde liegt der Teutschen ädler Grund1

Wie macht den Mutterleib das Schwert der Kinder wund/

Die Söne balgē sich/ ihr Muht/ erhitzt von Kriegē/

Schmältzt Städt und Länder ein/ die grimmen Krieger siegē

In ihrem Mutterland/ vergiessen Brüderblut/

Vnd wüten wider sich/ daß nie keinTiger thut.

Wer solt jetzt teutsches Land auf Teutschen Boden finden?2

Das Alte liegt verwüst/ kein Neues gräbt man auf/

Es ist mit Brand verheert/ es stäubt noch mit den Winden.

Kurtzkünftig bleibt ihm gar das Leben in dem Lauf.


Klajus.


So recht/ so muß es seyn/ so ist des Glükkes Lauf/

Wann ihm Verhängniß winkt. Ach! hengt die Flöten auf/

Ihr Hirten/ brecht kein Rohr.3 Was ist/ das euch erfreuet/

Nun eure Felder gar mit Knochen überschneiet/

An Scheddeln trächtig sind? Lasst Vfer Vfer seyn/

Die Aeren lohnen nicht/ werft nicht mehr Saamen ein/

Wer Weitzen ausgeseet muß Aas und Beine lesen/

Lasst Rinden unbekerbt/ verfasst kein Reimen-Lied/[38]

Ohn nur/ das Luft und Wind vertraut das Jammerwesen.

Doch/ wo die Schlange pfeifft/ ist man deß Singens müd.


Floridan.


Ich bin des Singens ja/ das Land des Dultens müd/

Doch/ beydes machet mich vermälen Last und Lied.

Ach Last/ wo seh ich hin/ da diese nicht zu sehen?

Noch närlich können hier die Schaf zur Weide gehen/

Zwar krank von todter Forcht. Hier ist noch güldne Zeit/

Ach Jammer/ wo Metall Metall und Steine speyt/

Wo die Trompete trönt/ und wo die Paukke brummet/

Wo Kugelhagel schlosst/ wo Pulfer platzt und blitzt/

Vnd wo Kartaunenlos der Donner tönt und summet.

Krieg und der Krieger sind auf eine Weis erhitzt.


Klajus.


So gehts/ wo Grausamkeit noch Grausamkeit erhitzt.

Was Teufeley/ was Wut/ daß man mit Schwefel blitzt?

Nit gnug ist/ dz das Schwert ach! Roß und Mann zerstukket.

Es müssen Bäude auch von Feuer seyn verschlukket/

Die keine Schuld beschuldt/ als nur das mildeseyn/

Daß nicht vor langst ihr Sturtz grub diese Buben ein.

Man gräbet in die Welt/ und schikket in die Lüfte/

Was doch auf Erd gehört/ die Menschen/ Holtz/ und Stein/

Was aus der Erd geholt/ hölt ihren Bauch/ gräbt Krüfte.

Bald muß auch Plutons Haus des Wütens Schauhaus seyn.


Floridan.


Was hilfts/ man pfleget so/ der Will muß Anwalt seyn/

Vor zeiten focht die Faust/ jetzt thuts Metall und Stein/

Ich kan und soll ja nicht diß Kriegen Kriegen nennen/

Ein freyer Diebstahl ists/ Mord/ Raubē/ Metzeln/ Brennen/4

Die keine Folter strafft/ kein Galge/ Baum/ noch Rad:

Das Land besoldt den Feind/ die Beute den Soldat.[39]

So nehrt ein Bube sich/ ein fauler Beerenheuter/

Der Thor und Mauren scheuht/ der Strikk und Schwert verdient.5

So wird er aus dem Dieb und Schalk ein freyer Beuter.

In Vntaht sucht man Lob/ in Lastern Tugend grünt.


Klajus.


So leider! lebt man jetzt Die Tugend hat vergrünt/

Sie schied lang aus der Welt: Die Welt den Lastern dient.

Wo soll es endlich hin? Man dekket auch die Zinnen

Der Gottes-Tempel ab/ und Rosse wohnen drinnen.

Das Weibsvolk gibt man feil/ der Wiegen Vnschuld leidt/

(Die Teufel sind doch selbst in Menschen eingekleidt/)

Des Alters grauer Witz/ vor Zeiten hochgeehret/

Muß mit dem greissen Kopf hin auf die Metzelbank/6

Offt hat auch eine Wund zwey Leben ausgeleeret/

Zwey Leben eines Leibs. Ich werde blaß und krank.


Floridan.


Nun/ ich erfahr es auch/ mich macht noch immer krank

Ein ehgefültes Leid/ (nicht auf der Schlächterbank/

Ein abgenommnes Gut. Ich wolt mich Saalwarts wenden

Vor Jahren/ wie bewust/ von diesen Pegnitz-enden:7

Ich war fast in dem Port/ der Anfuhrt winkte mir/

Als eine rauhe Rott kroch von dem Busch herfür.

Was/ dacht ich/ ach! was Raht? was/ sagt ich/ will es werdē?

Ich bin ein Schäfersmann: Diß war ein todes Wert/

Weil ihre Ohren taub/ sie namen meine Heerden:

Froh räumt ich/ (sonder die) mein schierstes Grab/ den Ort.


Klajus.


Das ist betaurens wehrt. Doch kränkt mich auch ein Ort.

Ein Ort. Ach/ daß ich solt nicht reden diese Wort.

Du/ Elbe/ Mutterstrohm/ (ich muß fast Trehnen giessen.)

Wann war es/ als du nicht für Leichen kondest fliessen?[40]

Wann war es doch/ als dich roht angefärbet hat

Dein ädles Magdeburg/ die schöne Hänse-Stadt?8

Du/ Ich/ wir wissens wohl/ O ein verhasstes Wissen/

O mahl/ O grausams mahl! – – –


Klajus hätte dieses verlängert/ wann ihn nicht eine wunderseltsame Begebenheit wendig gemacht/

Fußnoten

1 Kriegesklage. Gesprächreimen.


2 Jan. Vit. Romæ in Românil reperis meidâ.


3 Virg. Ecl. I.


4 Cic. Cat. M. Per fraudes. per furta. per homocidia. ad favores ad summarerum fastigia ascenditur.


5 Cluv. in Germ. Ant.


6 Cunas innocuo sangvine proluens. Mur. Ov. 5. F. Magna fuit quōdam capitis.


7 War ein merklicher Verlust.


8 Ist/ leider/ nur zu bekant.


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer/ Sigmund von Birken/ Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht. Tübingen 1966, S. 37-41.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Nachkommenschaften

Nachkommenschaften

Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon