[Nvn/ die Sonn läst unsre Felder]

[100] Nach diesem fienge Periander/ als dessen vormahliger Anfänger/ an/ das seinige zu entdekken/ also sagende: Meines/ daß zwar mir dieser Tagen aufgegeben worden/ ist das/ was Strephon und Montano/ wann es nur ihnen beliebet/ an ihren geliebten Schäferinnen mit gutem Fug und Recht wahrmachen/ nämlich ein Kuß. Vnd meines/ sagete Strephon/ ist eben das/ wovon Periandern seines mehrent eils beliebet wird/ benentlich/ein Weibesbild. Was meines betrifft/ erlängerte Montano/[100] so will ich es meinen Weidgenosē diese Nacht an statt einer Beyschläferin mit zu Bette geben/ und ist es der Schatten. Ich bedanke mich meines Teils/versetzete Klajus/ des freundlichen Ansinnens; das Meinige hat ein jeder an seinem Arm/ und zeigete damit auf ihre Sakkpfeiffen. Vnd dz Meinige/ beschlosse Floridan/ wird vielleicht ietzt in der Rokkenstube übel zerzauset/ und ist ein Spinnrokke. Worüber sie alle anfiengen zu lachen/ und damit den Weg weiter zu verfolgen beginneten.

Indem aber ersahen sie allererst den Alcidor ihnen entgegen kommen/ welcher im Fortgehen dieses Abendlied sange:


1

Nvn/ die Sonn läst unsre Felder/1

Schleicht den Westenwellen zu/

Es verstumt das Lied der Wälder

Von der Nächte Schattenruh.

Nur die Nachtigalle schlägt/

Wo sich Laub und Ast bewegt.

Vnsre Hirt- und Herden raumen

Weid und Anger bey den Baumen.


2

Vnsre Schafe sind entsessen/

Vnsre Lämmer von Gefahr/

Keines hat der Wolf gefressen.

Keines keins vermisst ein Haar.

Kein erzürnter Donnerguß

Letzte dieser Auen Spruß.

Auch so wolte heut uns Hirten

Freudig dieser Wald bewirten.


3

Gott/ wir danken deiner Güte/

Daß wir frölich treiben ein.[101]

Vns erfreute dein Gehüte:

Vnsers unsre Schäfelein.

Grosser Schäfer/ dich erhebt/

Was in dunkeln Büschen bebt.

Was doch sollen wir dir schenken?

Vnser Dank ist nur ein Denken.


4

Sonne/ nimm hier unsre Sorgen

Mit dir in das Saltzmeer hin.

Vnd du/ Gott/ erwekk uns morgen

Satt von Schlaf und Rastgewin.

Laß die Ruh nicht ruhloß seyn/

Bis die Rötin bricht herein.

Dann so wollen wir im Matten

Lieder und dein Lob vergatten.

Fußnoten

1 Abendlied. Im Thon: Wie nach einer Wasserquelle.


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer/ Sigmund von Birken/ Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht. Tübingen 1966, S. 100-102.
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