(LVI.)
Der Betrogene betrůger.

[200] Wer Gefahr liebt wird darinnen ümkommen / und wird Mitleiden haben mit dem Beschwörer / den eine Schlangen gebissen hat. Man soll Gott nicht versuchen / und sich zum Fenster hinab stürtzen / wann man die Stiegen hinunter gehen kan. Wer einem andern ein Fallstrick legt / fängt sich selbsten darinnen / und wer die Gruben gräbt / fället darein. Wir haben in vorhergehender Geschichte gesehen / wie die falsche Anklage einer Ehebrecherin bestraffet worden: In nachgehender Erzehlūg wollen wir vernehmen die wahre Anklage eines frommen / aber wider iren Willen genothzůchtigten Weibes; zu beglauben daß die Boßheit zu Zeiten der Frommkeit obsiegen / und daß die Hand deß Sünders durch Göttliche Verhängniß über den Gerechten außgestrecket ist.

2. In einer namhafften Statt der Lombardia hat sich Cornelius ein vermöglicher Burger mit Evantia verheuratet / und lebte in gesegnetem Wolergehen / daß zu der Vollkommenheit ihres Glückes nichts ermanglete / als die Beharrlichkeit desselben. Die gar zu schönen Tage / bringen zu Abend ein Wetter / und die Stille deß Meers ist ein Vorbott deß ungestümmen Windes. Der sicher ist in seinem Wolstand / kan sich doch nicht versichert achten / und ist nach jenes Weisen Spruch: Niemand vor seinem seeligen Absterben für glückselig zu schätzen.

3. Der Evantia Schönheit und Freundlichkeit hatte Pyrogum einen Jüngling / dem der Reichtum zu einem Werckzeug der Wollust diente / mit brünstigen Begierden angefüllet;[200] Daß er sich erkühnet / das unüberwindliche Hertz der keuschen Evantia durch allerley Mittel zu bezwingen / und zu seinem bösen Willen zuerobern. Die ist keusch zu schätzen / welche einem holdseligen Freyer in der Versuchung widerstrebet: Denn wie der nicht fastet und die Tugend der Nüchternkeit zu rühmen / der aus Mangel Hunger leidet: Also ist auch die nicht für keusch zu halten / welcher die Gelegenheit und nicht der Wille böses zu thun ermangelt.

4. Evantia war nicht versperrt / wie sonsten an theils Orten in Welschland die Weibspersonen in Gefängschafft enthalten werden / sondern der Versucher trate offt zu ihr / mit grossem Versprechen / Beschenckungen und vielen Honigsüssen Worten: Welche doch alle vergeblich in den Wind verrauschten / und bate dieser Jüngling / Evantia solte nur eine kleine Thorheit mit ihm begehen: sie aber ermahnte ihn ernstlich und bedräulich / er solte doch von so frevlem Beginnen abstehen / und sie in Ruhe lassen.

5. Dieses muste der Mann in acht nehmen / weil Pyrogus ihme in die Karten sehen liesse / und sein Spiel nicht bergen kunte. In sein Eheweib hatte er nicht Ursach einiges Mißtrauen zu setzen / weil er ihrer Tugend versichert / jedoch wolte ihm obliegen / auf dieses Buhlers Verfahren ein wachendes Aug zu haben / und desselben Feuer in der ersten Glut auszuleschen. Zu deme war ihme wissend / daß nicht nur das Böse / sondern auch der Argwohn deß Bösen in die Veranlassung böser Nachreden / zu verhüten.

6. Er bespricht seine Frau hierüber / und verstehet die gantze Warheit / daß er Ursach ihr glauben zu geben / und die Empfindlichkeit der Eifersucht fallen zu lassen. Gegen diesen Frevler aber ergrimmte er sehr / und weil er wuste / daß er ihn / wegen der Wort nicht thätlich straffen mochte / bedenckt er sich diesem jungen Nistling das Gelbe von dem Schnabel zu wischen / und sich ernstlich an ihm zu rächen.

7. Er gebietet seinem Weibe / sie solte sich Pyrogo freundlicher weisen / und ihme Zeit und Ort bestimmen / daß er also in handhaffter That ergriffen / zu gebührlicher Straffe[201] gezogen werden könne. Evatia bittet sie solches zu entheben / weil es doch zu ihrem Nachtheil und einer Mordthat möchte außschlagen: Achat aber gibt ihr zur Antwort / daß sie ihm hierinnen gehorsamen solte / wann sie sich alles bösen Argwahns entschütten wolte.

8. Das Weib / so sich in ihrem Gewissen unschuldig befande / fürchtete ihren Mann / den sie hertzlich liebte / zu erzürnen; vergewissert ihn ihrer Treue / und gelobte / daß sie lieber sterben / als zu Ungebühr sich wolte verleiten lassen. Were aber besser gewesen / daß sie ihrem Manne hierinnen nicht Folg geleistet / und dieses Jünglings müssig gegangen were. Was geschiehet? Evatia giebt ihrem Buler buler Wort / und verspricht ihm schrifftlich zu bestimmter Zeit seines Willens zu werden / er solte sich nur bey der hindern Thüre einfinden.

9. Dieser Weltling war in Liebs Händlen kein Neuling / und konte ihm wol einbilden / daß so schnelle Veränderung von Hinderlist und Betrug kommen möchte. Weil er nun langer Zeit eine Dienerin in den Hause zu einer Kundschafterin bestellet / erkundigt er von ihr / daß er von ihrer Frauen verrathen / und auf die Schlachtbanck würde geopfert werden. Diese Nachrichtung belohnte er mit reicher Beschenckung / und gedencket doch diese Abenteur mit starcker Hand zu erfahren.

10. Er nimmt also zu sich sechs braven oder Waghälse / so sich andre zu ermorden bestellen lassen. Zween blieben bey der Thüre den Außgang zu versichern / die viere verwahren die Kammer / und Pyrogus gehet allein hinein / welches dem Mann auf dem Boden durch ein Glocken also balden bedeutet. Cornelius sahe die vier Schutzmänner für der Kammer stehen / und hatte das Hertz nicht / daß er sich mit seinem Pistol sehen liesse / und machte ihm leichtlich die Rechnung wie es zugehen würde.

11. Pyrogus fande Evantiam in dem Bette / sprach ihr erstlich freundlich zu / und weil sie bekennte / daß sie aus Anstifftung[202] ihres Mannes wider ihren willen zu solcher That verstanden / sich aber mit allen Kräfften widersetze / lässet der unverschämte Bub zween von seinen Trabanten hinein kommen / so das Weib so lang mit Gewalt halten musten / biß er seinen Mutwillen mit ihr getrieben / und die unschuldige Evantiam fast halb tod liegen lassen. Nach diesem hat Pyrogus mit seiner Gesellschaft wider zu rucke sich begeben / und ihr zuvor diese Schimpfwort zu gesprochen: Er habe sie nun ihr Wort halten machen / und sey ihrem Brieff gemäß / was ihr Mann befohlen und haben wollen.

12. Die gantze Sache were verschwiegen geblieben / wann der neugemachte Hanrey lieber Cornelius Publius, als Cornelius Tacitus seyn wollen. Dem Weib ist er gram worden / hat sie beschuldigt / daß sie zu solcher That geholffen / unnd diese Anstellung machen helffen / da sie doch wider Gewalt nicht gekönt / und dem Mann gehorsamen müssen. Pyrogus aber hat es ihm in die Faust gelacht / und Cornelium noch bedrauet / er wolle ihm den Kopf samt den Hörnern zerspalten wann er viel Geschrey davon machen würde. Hat also dieser Mann sich betrogen / in dem er den andern betrügen wollen / das Unglück seinem Unverstand zu schreiben / die Rache aber GOtt befehlen müssen / weil er viel zu schwach einem so mächtigen Feinde Widerstand zu thun.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CC200-CCIII203.
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