(LX.)
Der zweiffelhaffte Hertzog.

[214] Weil wir dieses Orts solche Geschichte auf den Schauplatz führen / welche in den Königlichen Geschichtschrifften nicht befindlich / als wollen wir nachfolgende Begebenheit / auß den Manifest pour Madame de Rohan, und darauff erfolgten Urtheil oder Arrest du Parlament de Paris 1646. nicht übergehen; ob sie wol Herren Standspersonen / und keine gemeine Leute / betrifft / dieses Orts aber nur als Privatpersonen zu betrachten kommen.

2. Der berühmte und tapfere Hertzog von Rohan war zu Hof übel angesehen / weil er sich in dern Hugenoten Kriegen / als ein Haupt und Feldherr gebrauchen lassen / dessen / er dann nicht allein / sondern auch alle seine Verwandte entgelten müsten / daß ihm und ihnen die Güter theils eingezogen / theils sonsten entzogen worden. Dieses war die Ursache / daß er sich nach Venedig mit seiner Gemahlin / eine geborne Hertzogin von Bethune erhaben / und seine einige Tochter Olympia / mit ihrer Seugammen / Milet genannt / in Franckreich gelassen.

3. Nach deme aber ihre Güter theils bekümmert mit Schulden / theils in Recht / theils von dem König für verfallen gehalten werden wollen / machte sich besagte Hertzogin von Rohan auf / und reiste / wiewol schwangers Leibs / in einer Sänfften in Franckreich nach Pariß / ihre Vermögen zu versilbern / und das Gelt nach Venedig zu übermachen / da ihr Herr sich in der Herrschafft Dienste eingelassen / und befohlen / daß wann seine Gemählin eines Sohns genesen würde / daß solcher verborgener Weise aufferzogen / und unterhalten werden solte / damit man ihn nicht in dem Päbstlichen Glauben unterichte / oder sonsten nach dem Leben stehen möchte.

4. Im Jahr 1630. den 18. Christmonats kommet ernante Hertzogin darnieder / und hatte niemand bey ihr / als eine[215] Hebamme / eine Kammermagd / die Frau in dem Hause / und ihren Apotecker. Das Kind wird sechs Tage hernach in geheim getaufft / und ein andrer für den Vatter angegeben / der es zu Folge seines tragenden Befehls genennet Tanckrede / nach den Helden bey dem Tasso / welches Thaten er nachahmen solte. Dieses Kind hat so wol etliche Jahre hernach der Hertzog und die Hertzogin versorgt / besucht / und zu ihres Hofmeisters Vatter in der Normandia in die Kost gethan / willens solchen mit der Zeit in Engelland zu dem Hertzogen von Sobize / ihren Schwager über zu bringen.

5. Ob nun wol der Hertzog von Rohan wieder in Frantzösische Dienste getretten / hat er doch die Feindschafft bey Hofe nicht außleschen können / sondern ist in Gefahr gewesen / daß / nach dem sich der Krieg in Graubinden zerschlagen / und er sich nach Gent / wegen seiner Gesundheit begeben / der König ihn seine Person in Verhafft zu nehmen an gemeldte Statt begehret / wie der Herr von Varrene deßwegen Befehl gehabt. Inzwischen wurde Tanckrede von etlichen Soldaten gefangen / und wie der deswegen Abgesandte Bott / Namens de la Metterie beglaubt / Tod geschlagen; eben zu der Zeit / als sein Herr Vatter für Brisach im Elsaß sich aufhielte / und hernach in einer Schlacht todt geschossen worden 1638.

6. Als nun die hinterlassene Wittib vermeint / ihr Sohn Tanckrede were Todt / hat sie ihrer eintzigen Tochter die Güter abgetretten / ihr bey viertzig tausend Kronen Kleinodien eingeraumet / und allein ihr Withums Güter für sich behalten. Kurtz hernach berichtete der Herr von Lansack und noch etliche andre / daß der Tanckrede noch im Leben / und zu Leiden were / dahin ihn deß Hertzogens Tochter Olympia führen lassen / und die Unkosten seiner Unterhalt verschafft. Mit was Freuden die Hertzogin in ihrem Mutter Hertzen solche Zeitung anhört / ist leichtlich zu ermessen.

7. Es hat sich aber begeben daß Olympia / die einig biß anhero vermeinte Tochter deß verstorbenen Hertzogs von Rohan sich in einen Herren Chabot genannt verliebt / und sich mit ihme wider ihrer Frau Mutter einwilligen / verehlichet; eben[216] zu der Zeit / als Tanckrede durch einen Kammerdiener der Hertzogin bey Sauvetat einem Kauffmann wider gefunden worden / und wie man außgegeben / durch seiner Schwester und Chabot / deß neuen Schwagers Edelmann de la Cosse, von dar nach Bolduck hat geführet werden sollen.

8. Es soll auch d' Hertzog von Rohan mit dem Groß Türcken durch den Patriarchen Cyrillum / wegen Cypern gehandelt haben / und die Sache so weit gebracht / daß im solches Königreich / welcher kostbarer / als nutzbarer ist / gegen zweymahl hundert tausent Kronnen / vnd Jährlich zwantzig tausent Kronen Tribut hat sollen eingeraumet werden / weil er ein solcher Herr / der dem Papst vnd desselben zugethanen niemals Beyhilffe leisten würde. Diese Handlung aber hat sich mit deß Patriarchen Tod geendet.

9. Ob nun wol besagtes alles sehr scheinlich und umständig beygebracht / so ist doch hingegen eingewendet worden daß Olympia die einige Tochter deß Hertzogen von Rohans und desselben einige Erbnehmin in unterschiedlichen Schreiben genennet worden. Zum andern seynd nicht genugsame Ursachen angeführet und erwiesen / welcher wegen der Hertzog von Rohan seinen Sohn verborgen hette auferziehen sollen / da er doch sonsten seine Großmütigkeit in allem Thun spühren lassen / und hertzlich gewünscht / daß er doch einen männlichen Erben hinterlassen möchte / massen außvielen Brieffen an grosse Herren / und Freunde außfindig gemachet worden. Drittens ist für unglaublich erachtet worden / eine schwangere Frau / in dem siebenden Monat von Venedig nach Pariß über 400. Meilweg zu senden; damit die Frucht nicht Welsch / sondern Frantzösisch genennet werden möchte. Viertens wolte die gantze Sache für eine unverständige Fabel gehalten werden / ob wol dem Jůngling ein Vormund bestellet wurde / weil von dem Königreich Cypern gedacht / den Sachen ein Ansehen zu machen / etc.

10. Daß ein Frantzos Namens Tanckrede zu Leyden / in besagtem Alter / und ein weisses Haar / welches sich auf der Stirne mehr auf die lincke / als rechte Seiten begebe / etc. zu[217] finden / wie die alte Hertzogin angegeben / glaubte man gerne: Daß aber solcher ihr Sohn / mit ihrem verstorbenen Herrn erzeugt / das wolle niemand für wahr halten, sondern es stunden die Herrn Richter in dem Wahn / daß der Hertzogin Zorn wider ihre Tochter / und derselben Hochzeiter sie in 4. Tagen geschwängert / daß sie einen Sohn vor 15. Jahren gebohren / dessen Hebamme die Unwarheit gewesen.

11. Der Nam Tanckrede fande sich in dem Taufbuch der Kirchen S. Paul zu Paris / in besagtem Jahre: Es war aber darauß wider die Hertzogin geschlossen / daß der Herr von Rohan niemals kein Kind von einem Päbstler würde haben tauffen lassen / wann gleich andre Eltern ihre Namen gegen grosser Beschenckung hergeliehen. Im Ende ist ein Urtheil ergangen / daß der angebene Tanckrede kein Sohn deß Hertzogs von Rohan / ihm bey Leib und Lebensstraffe verbotten worden / daß er sich noch deß Namens / noch deß Wappens / noch deß Erbs anmassen solle: Die Hertzogin in gleichen ihn nicht für ihren Sohn unnd Erben erkennen / sondern die Gerichts Unkosten wider zu erstatten schuldig und gehalten seyn solle.

12. Ob nun die Sache also beschaffen / und ob recht geurtheilet worden / wollen wir nit außfechten / sondern allein hierauß beobachten / daß der Betrug in dieser Welt nicht außzulernen / und daß eine so scheinbare Falschheit / welche unter den Greulen Gottes gerechnet wird / mit vieler gleich betrogener Zeugen Außsage beglaubet / die Kinder deß Liechts in ihrem Geschlecht leichtlich betrügen können. Solte aber diesem Tanckrede unrecht geschehen seyn / so sollen wir mercken / daß die Schrifft sagt: Grosse Leute fehlen auch.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CCXIV214-CCXVIII218.
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