(LXX.)
Die Beklagten für dem Richterstul Gottes.

[250] Es ist nichts neues / daß man sich für dem Unter-Richter auf den Ober-Richter berufft / wie Paulus / als er von dem Römischen Landpfleger wolte verurtheilt werden / begerte für dem Römischen Käyser seine Sache auszuführen. Wann aber auch der Oberrichter den Beklagten zu kurtz thut / so berufft sich solcher vielmals auf Gott den höchsten Rächer und Richter aller Welt. Also sagte Jacob zu seinem unbilligen Schwervatter Laban; Der Gott Abraham sey Richter zwischen mir und dir (1. Mose 31. v. 53.) und David sagte zu Saul / der Herr urtheile zwischen mir und dir (1. König 24. v. 13.) Also sagte auch Zacharias / als er unschuldiger Weise zum Todt geführet wurde: Der Herr sehe darein und richte es / wie auch erfolgt (2. Chron 24. v. 23.) Der gleichen Wort hette sich auch Saturnia können verlauten lassen / welcher Unschuld hernach / durch Auxant eigne Bekantniß / aber weil zu spat / an den Tag gekommen. Wir wollen hier vergleichen Exempel mehr samlen / und erweisen daß Gott jedes mal darein gesehen / die ruchlosen Frevler gerichtet / und die Gewaltigen gewaltig gestraffet.

2. Johannes Turso ein Richter in Opsal in Schweden / hatte einen unschuldig zum Todt verurtheilt / welcher auf seine Knie nider gefallen und gesagt: Ich sterbe unschuldig / aber dich Richter fordere ich für den Richterstul Christi / daß du noch diese Stund erscheinest / und wegen deines Urtheils Rechenschafft gebest. Der Richter hat hierůber gelacht / und vermeint / der Verdammte wolle solcher Gestalt sein Leben fristen. Es ist aber diesem Unschuldigen kaum durch den Hencker das Leben genommen worden / sihe so rühret den Richter die Gewalt GOTTES / daß er von dem Pferd herab fället / und starr todt ist (Olaus im 14. Buch der Mitternächtlichen Geschichten am 20. Cap.) Hieher gehöret der[251] Spruch deß Propheten Isaia: Ich will wider richten die dich gerichtet haben / spricht der HErr. Cap. 49. v. 25.

3. Franciscus Hertzog in Britanien hat seinen Bruder Egidium / mit welchem er das Hertzogthum zutheilen schuldig gewesen / in Band und Eisen schliessen / fälschlich anklagen und als einen Vbelthäter unschuldig hinrichten lassen. Als er nun den Tod für Augen gesehen / hat er gesagt: Nun mir alle Menschen Hülffe zerrinnet / wende ich mich zu GOtt / und bitte ihn / er wolle meine Unschuld rächen / und meinen Cajinischen Bruder noch dieses Jahr für seinen höchsten Richterstul fordern / und wegen meines Todes Rechenschafft erhetschen / etc. Von der Stund an hat Franciscus die Wassersucht bekommen / und ist selbes Jahr nicht ohne spate Bereuung dieser That dahin gestorben. Æneas Sylvius hist. Eur. c. 43.

4. Also hat auch ein Hertzog in Oestreich einem Rittersmann nach gestellet / und wegen eines auf ihn gefasten Verdachts / in einem Sack zu ersäuffen befohlen. Der unschuldige Mann / bevor der Sack zu gebunden worden / schrie an den Hertzogen / in dem Fenster zu sehend / mit lauter Stimme: Ich fordere dich meinen Todschläger für Gottes Gericht / da ich dich verklagen will / und du nicht wie hier / wirst können Gegner und Richter zugleich seyn. Der Hertzog antwortet; Gehe du vor / ich will folgen. Kurtz hernach fällt er in ein hitziges Fieber / und sagte zu seinen Freunden / daß er nun für dem Gericht Gottes / für welchem ihn sein jüngstersäuffter Bruder gefordert erscheinen müste. Hat also mit zagen und verzagen seinen Geist auffgeben.

5. Ein Teutscher Meister (dessen Namen wir billich verschweigen) wolte zwischen einem Jüngling / und einer sehr verdächtigen Weibsperson eine Heurat stifften. Der Jüngling wuste / daß der Teutsche Meister dieser Dirne nicht feind ware / wolte deßwegen nicht darzu verstehen. Hierüber kommet er in solche Feindschafft / und damit er eine Ursach zu ihm haben möchte / beschuldigt er ihn eines Diebstals / und verdammt ihn zum Strang. Der Jüngling wuste sich unschuldig / und als er mit Weinen und Flehen nichts ausrichten können /[252] flehet er zu Gott / mit hertzlichen Vertrauen / und den beharrlichen Gedancken / daß er diesen Tod mit andern Sünden vieleicht unwissend verschuld: ruffet deßwegen mit grosser Stimme: Ich habe nicht gestohlen / und werde unschuldig getödtet: Gott der Richter der Todten und der Lebendigen / wolle auch meinen Richter nach vierzehen Tagen richten / daß er mich wider Recht und Bilichkeit an den Galgen bringet. Der Teutsche Meister hat auf bestimmte Zeit seinen Geist / mit diesen Worten / aufgeben: Ach weh mir Armen! Ich sterbe nun / und muß für deß Höchsten Gericht erscheinen / da man mir Schuldner messen wird mit der Masse / damit ich dem Unschuldigen gemessen.

6. Hieher gehöret auch / was Herr Ferdinand von Effern (in manual. Politico l. 5. part. 3. f. 382.) erzehlet. Im Jahr 1606. hat ein lustiger Soldat / als er Schildwag stehen sollen / Schertzweiß gesagt: Das Schildwag kommet offt an uns / aber die Bezahlung kommet selten. Diese Rede kommet für den Obersten / welcher also bald bestehlet / man sol den Auffrührischen Gesellen in Band und Eisen schliessen und folgendes Tages aufhangen. Der Soldat war jm nichts böses bewust / und hörte nicht ohne erstaunen / daß er sterben muste. Als er sich wider erholt / und von dem Obristen keine Gnade erlangen können / bricht er in diese Wort heraus: über drey Wochen solt du / eben an diesem Tag / und in dieser Stunde / Gott von meinem Blut Rechenschafft geben.

7. Der Oberste antwortete: das magstu Zagen-Memmen / nicht mir sagen: Du bist kein Prophet / und fürchte ich mich nicht für deiner Bedreuung. Die Aufrührer / wie du / gehören an den Galgen. Weil aber der Oberste beförchtet / daß ihm diese That von den andern Soldaten nicht möchte verstattet werden / lässt er ihn um Mitternacht aufknüpffen / und andern zu einem Abscheu darüber schreiben: der Auffrührer.

8. Nachgehends / als ihm der Oberste nach gedacht / hat er sich zwar Anfangs gefürchtet: jedoch deß unschuldigen Auffrührers Worte nach und nach vergessen. Als er aber auf bestimmten Tag die Hauptwacht um Mitternacht thun wollen / ist[253] er von einer Brucken gestürtzt / und hat den Hals gebrochen.

9. Dieser Exempel könten wir noch viel mehr bey bringen; weil sie aber fast alle gleiche Umbstände / wollen wir dem Leser unverdrießlich zu seyn / nicht ferner fortfahren. Zu Beschluß aber diese Frage betrachten: was darvon zu halten / wann ein Richter für den Richterstul Christi gefordert / oder wann Rache zu Gott über sein Urtheil geschrien wird.

10. Die Oberigkeit ist Gottes Dienerin / welche so wol / als der Allmächtige alles weiß / eine Sache gründlich erforschen soll: Wann nun solches geschehen / und der Richter versichert / daß er nach Gesetzen und Recht gesprochen / hat er sich nicht irren zu lassen / was der Vbelthäter / sein Leben zu retten sage: Jedoch soll ihm dergleichen Ladung für das höchste Gericht Ursach seyn / daß er noch fernere Kundschafft einziehe / und nicht unschuldig Blut vergiesse.

11. Ist aber der Richter zweiffelhafftig / und hat sich übereilet / so soll er nach dergleichen Worten nicht verfahren / und etwa seinem Neid oder andern Ursachen mehr nach hangen / als die Gerechtigkeit erfordert: ja er ist besser gesichert / bey eingewender Genade / welche uns Vbelthätern auch Gott reichlich erzeigt / als bey zu strenger Bestraffung.

12. Schlißlich ist auß den Umständen / wann nemlich Tag und Stund benennet wird / wann der arme Sünder Anzeichen wahrer Busse spüren lässet / daß nicht vermuthlich / er wolle seine Seele in annahenden Todesnöthen ferners betrüben / etc. leichtlich zu spüren / ob solche Ladung aus einem falschen oder guten Gewissen herkomme. Wer zweiffelt / ob er eine Sünde begehe / der unterlässet solches thun sicherer / als daß er verfähret: Ja ein Christ solte die gantze Welte / mit aller ihrer Ehre und Reichthum nicht nehmen / und in einige Sünde wider sein Gewissen willigen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CCL250-CCLIV254.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte, Das erste Hundert. 2 Tle. in 1 Band.

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon