(XXIII.)
Das Eheliche Fegfeuer.

[90] Der Herr von Belley / ein beredter und berühmter Frantzösischer Bischoff / aus welches Schrifften wir nicht allein den grossen Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichte / sondern auch viel Erzehlungen in diesem Wercklein[90] übersetzet / schreibet unter andern / daß ihm nachfolgendes begegnet.

2. Als er in der Fasten / nach seiner Gewonheit geprediget / hat er unter andern auch viel Hugenotten oder Calvinisten zu Zuhörern gehabt / und unter denselben einen Rittmeister / der sich bey dem Könniglichen Statthalter / so damals in der Haubtstatt seines Bistums mit seinem Regiment zu Roß gelegen / aufgehalten. Dieser / nach dem er von dem Fegfeuer predigen hören / liesse sich verlauten / er wolte wünschen / dz er mit dem Herrn Bischoff solte sprechen kommen / er wolte ihm eine Frage für geben / auff welche er nicht solte antworten können.

3. Der Königliche Statthalter wuste / daß dieser ein ungelehrter Soldat / der Bischoff aber ein sehr freundlicher und hochgelehrter Mann / lässet deßwegen Zeit und Ort benennen / wo diese zween sich miteinander von besagter Sache unterreden solten / und hat sich der Herr Belley nicht gescheuet / sondern vielmehr gefreuet seinen Gegner anzuhören / und denselben zu lehren oder von ihm zu lernen.

4. Als nun beede in Anwesenheit vieler von Adel sich mit einander über dem Fegfeuer unterreden solten / so bedingte der Hugenot / daß der Herr von Belley auff seine Frage / mit Ja / oder mit Nein solte antwortten; Dann er were kein Doctor nicht / der viel Subtiliteten verstünde / und wolte ihm eine Frage fürlegen / auß welcher genugsam erscheinen würde / daß kein Fegfeuer / sondern nur ein Himmel / und eine Hölle / etc.

5. Der Herr von Belley sagte / daß er die Frage anhören / und alsdann sich mit der Antwort wolte vernehmen lassen / und daß er schuldig were Rechenschafft zu geben / von dem was er prediget / und dasselbe bester massen zu verfechten. Andere Umstände und höfliche Vorbereitung dieses Gesprächs wollen wir mit stillschweigen übergehen / damit wir die uns vorgesetzte Kürtze nicht überschreiten.

6. Deß Rittmeisters Frage war diese: Ob der Schecher am Creutz / zu welchem der HERR Christus gesagt / heut[91] wirstu bey mir im Paradiß seyn / in das Fegfeuer gekommen / oder nicht? Hierüber solte der Herr Bischoff mit ja oder mit nein antworten. Der Bischoff gibt ihm die Wahl heim / und sagte / daß die Frage mit ja und nein könne beantwortet werden / wie er selbsten wolle.

7. Der Rittmeister vermeinte / daß er gewonnen / und versetzte / daß er solte Ja oder Nein wehlen / weil ihm als sein Gegner obliege eine richtige Antwort zu ertheilen. Der Herr von Belley sagte / daß nit alle Fragen mit Ja / oder mit Nein können beantwortet werden. Hierüber lachte nun der Rittmeister und ruffte die Umstehenden zu Zeugen / daß der Herr Bischoff nicht antworten könne / und nun dieses Außflucht suchte. Wol / sagte er / ich will euch fragen / antwortet mit Ja / od' mit Nein? seit ihr niemals in der Statt Rom gewesen? Der Rittmeister sagte / Nein. Darum ist keine Statt Rom. Der fromme Schecher ist niemals in dem Fegfeuer gewesen / darum ist kein Fegfeuer. Also sagte der Rittmeister / antwortet der Herr mit Nein? Der Herr von Belley sagte / daß auß dieser Frage nicht folge was er vermeine.

8. Der Rittmeister will sich nicht lassen abweissen / biß ihn endlich der Bischoff fragte: Wann wird eure Frau aufhören euch zu schlagen? Antwortet mit Ja / oder mit Nein. Hierüber erzürnet sich der Rittmeister / und gehet mit mehr Fluchen als sonsten die Hugenotten gewohnt sind / darvon alle Anwessende aber begunten zu lachen / daß der Uberwinder / den Feind unwissend so hart getroffen und in die Flucht geschlagen. Dieser Rittmeister war von geringer Ankunfft / hatte sich durch seinen Degen zu solchem Dienst gebracht / und ein alte / reiche und grundböse Frau geheuratet / eine Kron von einem gronenden Weibe / die so schön / als ein Krancker Spanier seyn mag / welche ihn übel gehalten / und als ein lebendiger Hausteuffel / mehrmals mit der Offengabel und Feuerzangen gestossen und gebrennt / daß er ihr entlauffen müssen / und die Gedult zu erlernen tägliche Gelegenheit gehabt.

9. Dieses wuste der Bischoff nicht / und als er ihn fragte /[92] wann sein Frau würde auffhören ihn zu schlagen / hette er mit Warheit nicht antworten können / daß ja noch nie angefangen / welches noch ja noch nein gewesen / sondern er hätte müssen antworten / daß er nicht wisst / wann er wider in solches eheliche Fegfeuer kommen würde. Die Soldaten aber haben in der Zeit an / den Rittmeister vom Fegfeuer genennet / darüber er sich dann nicht wenig erzürnet.

10. Ob zwar auß der auffgegebenen Frage nicht das folget / was dieser Rittmeister schlissen wollen: so lässet sich aber darauß abnehmen / daß Gott auß seiner unendlichen Barmhertzigkeit / die armen Sůnder / ohne Genugthuung der Wercke / sonder Abfegung der Mißhandlungen / seelig mache. An keinem Ort der gantzen H. Schrifft / wird man lesen / daß der Herr Christus oder seine Apostel gesagt: Nach dem Todt wirst du in das Fegfeuer kommen / und darinnen bleiben / biß man für dich genung Seelmessen lessen wird / hastu aber einen Ablaßbrieff gekaufft / so kanstu etliche hundert Jahr ehe herauß kommen. Hat Christus durch sein Leiden für uns völlig genug gethan / so wird kein Fegfeuer seyn / in welchem man die Sünde büssen muß. Zwischen der Hölle und dem Himmel ist eine grosse Klufft befestiget / daß der Reiche Mann nit kan zu Abraham / noch Abraham zu ihm kommen. Es ist aber nicht unsers Vorhabens wider oder für das Fegfeuer zu fechten.

11. Als ich mich zu Rom auffgehalten / hatte der Papst Urban der Achte deß Nahmens / deß Hertzogen von Bethune Frantzösischen Gesandten Edelleuten / auff viel tausend Jahre Ablaß geschenckt / deren ein jeglicher seinen Antheil solches Kirchen Schatzes so gering geachtet / daß sie auff ein Zeit darum gewürffelt / und solche alle einer allein gewonnen. Die Italianer pflegen in dem Sprichwort zu sagen / daß die frommen und schönen Weiber der Augen Paradeiß / die Bösen und Ungestalten ein Hölle deß Gemüts / beederley aber ein Fegfeuer deß Beutels zu seyn pflegen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. XC90-XCIII93.
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