(LXXVI.)
Zweideutige Wörter.

[276] Die Ebreische sprache ist nicht Wortreich / und deßwegen hat ein Wort drey / vier und mehr Deutung / welche offt wenig Gleichheit mit einander haben. Unsere Sprache ist hingegen sehr vollkommen / und hat fast so viel tausend als jene hundert Stammwörter; aber doch findet sich in etlichen doppelter / oder wie es H. Lutherus nennet / verzwillingter Verstand / daher artige Schertze und auch wohl wichtige Irrungen und Rechtfertigungen entstanden. Wir wollen / was wir bemercket / hierinnen kürtzlich anmelden.

2. Ein Edelmann hatte einen guten Falcken; Diesen hörte der Abbt zu St. Gallen loben / und weil der Edelman vermerckte / daß er Lust darzu / verehrt er ihm den Vogel. Der Abbt lässt ihn zurichten / und findet nichts gutes daran / vermeinend daß die Güte in dem wolgeschmackten Fleisch / und nicht in dem Federspiel oder Beitzen bestünde.

3. Also hat auch ein Dorffpfarrer in eben diesen Wort geirret. In seiner Kirchen war das Bild deß Ertzengels Michael auf dem Altar / wegen Länge der Zeit gantz veraltet. Die Bauren berathschlagen in ihrer Gemein / ob man ein gantz neues Bild / wie etliche wolten / oder dieses wider übermalen solte. Der Pfarrer wolte beede Theile zu Freunden behalten / und sagte / der Teuffel were noch gut / aber der Engel sey nichts mehr nutz / man solte nur einen neuen Michel machen lassen. Ein anderer sagte / daß die Wölffe sein Pferd gefressen / welches so gut / daß sie nichts darvon übergelassen als die Beine.

4. Ein Zipperleins Mann sagte / daß er wegen deß Pflasters (vermeinend die Steine auf der Gassen) nicht könne[277] außgehen: der andre vermeinte er hette ein Pflaster über den Fuß / und sagte / er solte ja kein Pflaster gebrauchen / weil die Lufftlöcher dadurch verstopfet würden / etc.

5. Es sagte ein Artzt zu einem armen Studenten / daß kein bessere Artzney für ihn zu finden / als Frauenmüntz / wann er solche könte einnehmen / so würde er bald frölichers Gemüts werden. Der Einfältige Tropf kaufft das Kraut Frauenmüntz und isset es / da doch der Doctor eine reiche Frau verstanden.

6. Es befahle einer seinen Leuten sie solten N. umringen / sie aber verstunden umbringen und tödten.

7. Ein verdorbener Kauffmann klagte / daß er Glaubens wegen vertrieben worden / verstehend / daß er nicht Trau und Glauben mit der bedingten Bezahlung halten können. Der Bischoff aber mit welchem er redete / verstunde / daß er wegen der Päpstischen Religion verjaget worden.

8. Es wurde einem ein Aug auß dem Haupt gestossen: als er nun dem Wund Artzt unter Händen / fragte er; Ob er das Aug verlieren werde? Nein / sagte der Wund-Artzt / dann ich habe es in meinen Händen / und wil es euch mit nach Hause geben zu verwahren. Hierbey erinnere ich mich / was Anton-Perez schreibet: Es sind der Fürsten Augen die Räthe / wann nun das Aug nicht in dem Angesicht / und an seinem Ort stehet / so ist es niemand nutz. Er war damals in dem Gefängniß / und hatte Hoffnung wider an seine Stelle zu kommen.

9. Es hette einer ein Gewett / er wolte so hoch springen / als der höchste Thurn in der Statt. Etliche verstunden es / daß er sich so hoch in die Lufft schwingen wolte: er aber wuste wol daß der Thurn nicht springen konte. Dergleichen Salbader ist auch dieses. Ein Spatz soll ehe ein Metzen Habern essen / als ein Pferd: Die Pferde lieber haben / als Weib und Kind / verstehe die Pferdeselbe haben.

10. Es sagte einer / er wolte hoffen / sein Sohn solte ihme nachschlagen / der Sohn sagte / daß solches wider das vierte Gebott / wann die Kinder solten nach den Vättern schlagen.[278]

11. Es verspielte einer etliche hundert Reichsthaler / unnd durffte es seinem bösen Weibe nit sagen. Als sie nun fraget / wie das Spiel abgegangen / antwortete er: Mein Gegner hat nichts verspielet / und ich hab nichts gewonnen. Beedes war wahr / dann er hatte verspielet / und der ander gewonnen.

12. Es solte einer Glaubens Bekandtniß unterschreiben / welches er mit diesen Worten gethan: Ich N.N. verdamme alle Secten und Ketzereyen / mit dieser Glaubens Bekantnis: da das Wörtlein mit so viel ist als samt / unn kan auch verstanden werden / als ob er von denen Ketzereyen redete / deren in den Buch gedacht worden. Ein andrer wolte nicht unterschreiben / als in schrifftmässigen Verstand. Unter die Zweydeutigen Reden könte man auch zehlen: daß man mit weisser Kreiden schwartz (verstehe das Wort schwartz) schreiben könne. Daß man keinen Guckuck höre Vormittag schreien. Daß man soll Aepfel sagen / und nit Birn. Welches das mittelste im A / B / C. nemlich der Buchstab B. Welches das mittelste in dem Pater noster. Die Schnur / etc. Diese und fast alle dergleichen Sachen / dienen nur einmal: hernach haben sie die Annemligkeit der Neurung verlohren / und mögen ohne Verdruß zum zweitenmal nicht gehöret werden.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CCLXXVI276-CCLXXIX279.
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