(XCVI.)
Die beständige und unbelohnte Treue.

[345] Die Spanier sagen Sprichworts weiß: Wer wol dienet / fordert seinen Lohn stillschweigend. Dieses ist sonderlich befindlich bey danckbaren Leuten? bey Undanckbaren aber ist keine Ehr einzulegen. Also sagte jener Koch recht / als er von seinem geitzigen Herrn / zu einem Freygebigen gekommen / und gefragt worden / wie er jetzt so stattlich in einem grünen Kleid aufziehe: Ich säe nun / antwortete er / in einen fruchtbaren Acker. Dergleichen Exempel ist auch folgendes.

2. In Aquitonia hielt sich häußlich ein reicher Herr / genannt Olien / welcher durch seine wohlgeleiste Dienste den König bewogen ihme die Regierung der gantzen Landschaft oder Provintz zuüberlassen. Er hatte viel Kinder / und unter andern eine mannbare Tochter Fabia geheissen / deren die Natur wenig Schönheit deß Leibs verliehen hatte.[345]

3. Dieser Herr nun hatte einen Edelknaben / welchen wir Fidal nennen wollen / der ihme fleissig und getreulich gedienet / und weil er ein jüngerer Bruder / wuste er wol / daß er andrer Mittel sich fort zubringen ermanglend / alles aufnehmen bey diesem Herrn zu suchen hatte. Nach dem er nun die Edelknaben Jahre geeudet / hat ihn sein Herr als einen Edelmann bey sich behalten / unnd eine ehrliche Bestallung gemachet.

4. Fabia sahe diesen ihres Herrn Vattern Diener mit geilen Augen an / gabe ihme endlich ihre Neigung / auß dringender Liebe zu verstehen / und suchte Gelegenheit mit ihme heimlich zu reden / welche er auf alle weise und wege vermeider. Als er aber auff eine Zeit ihr Anbringen hören müssen / hat er sie mit grosser Bescheidenheit abgewiesen / und sie ihrer Gebühr / und seiner Schuldigkeit beweglichst erinnert.

5. Fabia aber wolt diesen heilsamen Vermahnungen nit statt geben; hielte die Liebe für eine allgemeine Entschuldigung aller Fehler der jungen Leute / und führte den Fidal in ärgerliche Versuchung / daß er fast wie Joseph den Mantel lassen / und auß sondrer und seltner Tugend / alle fleischliche Begierden / in freyer Gelegenheit böses zu thun / bezaumen konte.

6. Fidal wuste die grosse Liebe und Treue feines Herrn nit danckbarlicher zu erkennen / als daß er mit aller Demut und Underthänigkeit Urlaub begehrte; eines theils der Fabia bößliches Beginnen zu hindertreiben / anders theils seinen Herrn nit zu betrüben. Olien wolte die Ursach wissen / welcher wegen er auß seinen Diensten zu tretten gewillet.

7. Fidal entschuldiget sich / und bittet umb Urlaub / die Ursache / zu seiner Befriedigung zu verschweigen. Als aber der Herr nicht von ihme lassen / und den Grund seines Abschieds erfahren will / muß er bekennen / daß sich Fabia in seine Person verliebt / und ihme sündliche Ungebühr so Nachts / so Tags zu gemutet / darüber nun Olien nit wenig erschrocken / unnd seiner Gemählin Rath gepflogen.[346]

8. Die Warheit nun dieser Beschuldigung zu erfahren / sagt Olien / es solte sie Fidal in eine Kammer mit Tapeten gezieret / bestimmen / und der Vatter verstecket sich hinter solche / ihrer Tochter Wort eigentlich anzuhören / wie auch geschehen / in deme Fabia ihr den Tode anzuthun getrauet / wann sie Fidals Liebe nicht würde geniessen können.

9. Fidal hingegen führte ihr zu Gemüthe / sie solte doch die Ungelegenheit ihres Stands / und daß er ein Diener / sie seines Herrn Tochter / verständig erachten / und wie übel sich gezieme / daß ein so hohes Fräulein sich einen Knecht zu bulen uterstünde. Ihme würde es ergehen wie allen Treulosen und Ehrvergessenen Gesellen / die ihres Herrn Hause / in welchem sie viel gutes empfahen / undanckbarlich schändten / und mit einem ewigen Brandmal befleckten / etc.

10. Als nun Olien mit seiner Gemählin gehört / auf was Thorheit ihre Tochter gerathen / haben sie sie erfordern lassen / und ihr andre Heuraten fürgeschlagen: sie hat aber derselben keine genehm halten wollen; sondern sich vernehmen lassen / sie wolle lieber in einem Kloster ihr Leben enden; wann ihr ein anderer als Fidal werden solte.

11. Die Eltern berathschlagen den Fall / und finden / daß ihrer Tochter Thorheit mit keinem andern Pflaster zu heilen / als mit der Verehlichung / dessen Liebe sie verwundet. Also hat Fidal zu Belohnung seiner beständigen Treue / die verliebte Fabiam mit einem ansehnlichen Heuratgut darvon gebracht / und ist aus einem Diener / seines Herrn Tochtermann worden.

12. Den Frommen folgen seine Wercke in diesem und auch in jenem Leben / sonderlich aber den Keuschen / welche Engel Tugend mit zeitlichem und ewigem Wolergehen belohnet wird. Mit der Keuschheit sagt Hieronymus / hat die Jugend einen stettigen Streit / und erhalten selten den Sieg. Wie aber der Liebes Lust schnell dahin fähret / so bleibet hingegen die Frucht der Keuschheit / mit völligem Wolergehen beständig / und reichlich belohnet.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CCCXLV345-CCCXLVII347.
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