(XXVII.)
Das Glückskind.

[108] Diesem unartigen Sohn wollen wir entgegen setzen ein rechtes Glückskind / welches sein Vatter an seinem Wolergehen keines Wegs hindern können / weil seine Tugend / gleich der Sonnen Stralen / alle Hindernissen durchgebrochen / und mit der Warheit an den Tag geleuchtet / wie umständig folgen soll.

2. Herodian ein Edelmann zu Verona in der Lombardia / nach dem er lange Zeit vertreuliche Freundschafft gepflogen mit Asintrit / fasset er wegen eines eifersüchtigen Verdachts / eine fast tödtliche Feindschafft wider ihn. Die Italianer sind in ihren Gemütsneigungen / in Freund- und Feindschafften übermässig ungehalten / und sagte jener recht / daß der schärffste Essig von dem stärcksten Wein / die ärgste Feindschafft aber von der besten Freundschafft entstehe / Ob nun wol der Argwohn falsch und zwischen Asintrit und Apollonia / Herodians Weibe keine Ungebühr vorgegangen / so hatte doch der Mann die grüngläserne Eiferbrillen schon aufgestecket / und sahe auch das / was nit zu sehen war. Wer eines Welschen Frau ansihet / der rühret seinen Augapfel an / wer mit ihr redet / der verräth ihn / und lässet er in dieser Sache nicht mit ihm handlen.[108]

3. Wie er nun nit erforschen konte / was nicht war / hat er doch nicht unterlassen auf Rache zu gedencken / und lässet durch einen Koch Gifft zu bereiten / welchen Asintritt von der Mittagmahlzeit dieser Welt / zu der Abendmahlzeit in die andre schicken solte. Der Koch nimt das Gelt von Herodian / ist aber so gewissenhafft / daß er zeitliche und ewige Strafe befürchtet / und Herodian das Gelt wider geben wolte bedenckt sich endlich besser / und eröffnet Asintritt den Meuchelmord / welchen Herodian an ihn zu verbringen gewillet.

4. Asintrit verehret ihm doppelt so viel / und gedencket sich an eine gantz listige Weise wieder zu rächen. Er nimmt mit Vorwissen dieses Kochs einen Schlaftrunck / und lässet das Gerücht erschallen / wie ihm Herodian mit Gifft hinrichten lassen; inzwischen muß der Koch die Flucht geben. Er wohnte kurtze Zeit auf seinem Landgut / und lässet durch seine Freunde Herodian Gerichtlich anklagen / daß ihm sein böses Gewissen daß Reißaußspielen macht / und weil er nach unterschiedlichen Ladungen nicht erscheinet / wird wider ihn / als einem Ungehorsamen / verfahren / unnd er zu dem Tod verurtheilet.

5. Asintrit hatte eine Raise in Teutschland gethan / und kame nach geraumer Zeit wider nach Hause / mit Verwunderung aller / die ihn zuvor gekant hatten / und ihn als einen von Todten erstandenen / ansahen. Als nun der Sachen Verlauf eröffnet worden / ist Herodian auf empfangenen Bericht wider heim kommen / mit nit weniger Freude / als Beschimpfung.

6. Apollonia kommet darnider / und bringet einen jungen Sohn zu der Welt / welchen wir Frontin nennen wollen / und die Haubtperson dieser Erzehlung seyn lassen. Herodian konte sich von dem Eiferübel noch nit heilen / sahe dieses Kind nit anders an / als wann es in dem Ehebruch erzeuget / und Asintrits Bastart were / lässet ihn deßwegen auf dem Lande erziehen / und als er ein wenig lauffen kunte / giebt er seiner Knechte einem Gelt / daß er das Kind erträncken solte.

7. Der Knecht nimbt zwar das Gelt / erbarmet sich aber[109] über den unschuldigen Knaben / und bringt ihn zu einem Schneider in einer entlegnen Statt / daß Herodian nicht wol einige Zeitung von ihm erfahren mögen. Frontin wird zu allem gutem / und sonderlich zu der Gottesfurcht auferzogen / und lernet das Schneider Handwerck / und raiset nach Padua / da er zu Procor einem Teutschen Herrn in Dienst kommet / welcher ihn mit sich in Schwabenland führet / und für einen Kammer-Diener gebraucht.

8. Procor hatte eine Schwester / welche nach dem sie ein Jahr mit Ihrem Ehegatten gelebet / als eine Wittib / an ihres Vatters Hause wider kommen / und einer anderweiten Heurat erwartet. Diese verliebte sich in Frontin / und wolte ihn beschwätzen / daß er sie heimlich oder offentlich zur Ehe nehmen solte. Frontin wuste wol / daß solche Vermessenheit mit dem Tod möchte abgestraffet werden / und dz keiner diese glüende Kohlen / sonder starcke Zangen anrühren könte.

9. Procor und alles Haußgesind sahe leichtlich / was zwischen Esther und Frontin fürgehen möchte / weil sie sich ungescheut vernehmen liesse / sie könte nun zu der andern Ehe schreiten eignen Willens / und hätte nicht Ursach andre darum zu fragen / wie zuvor / als sie noch eine Jungfrau / etc. Procor schaffte deßwegen Frontin hinweg / und gabe ihm einen Zehrpfenning / daß er wol zu frieden / und wiederum darmit nach Padua raisen können.

10. Frontin beklagt daß er seines Herren Dienst / wegen seiner Schwester Gunst verlustiget werde / und in dem er Urlaub nimmet / beklagt sich Esther noch vielmehr / daß er so feig und sie zu verlassen gedencke / da sie doch mit ihm biß an der Welt Ende zu raisen nicht erroten wolte. Nach dem nun Frontin die Gefahr solcher Flucht genugsam erwogen / hat doch die Liebe anderseits das Gegengewicht gehalten / und ihn einwilligen machen / daß Esther ihm in Mannskleidern biß in ein Grentzstatt Welschlands gefolgt / und sich mit allem ihren Geschmuck / und was sie sonsten mit nehmen können / beladen. Da sie sich miteinander trawen lassen / und der[110] stillen Wasser / so viel süsser zu seyn pflegen / nach Verlangen genossen.

11. Frontin war begierig / Sicherheit wegen / weiter in Italien und an dieses Ort zuziehen / wo er seine Kindheit zugebracht / weil er daselbst allein Kundschaft hatte / und truge sich zu / daß er unter andern in dem Findlingshause fraget / ob nit ein Knab vorhanden / den er zu einem Diener gebrauchen möchte / etc. Verstehet aber daß ein Mann von Cremona Nachfrag hatte / ob nicht ein Knab in dem und dem Jahre were dahin gebracht worden / welcher hernach zu einen Schneider kommen / etc. Der Spitalmeister des Orts berichtet / daß ihm selbes Jahr ein Kind angebotten worden / welches er aber nicht annehmen wollen / und habe es ein Schneider umb Gottes Willen aufferzogen / etc.

12. Es findet sich / kurtz zu sagen / der Nam / die Kleider / das Jahr / und alle Zeichen / welche auch an solchen Orten pflegen aufgeschrieben zu werden / und daß Frontin Herodians Sohn / welcher nach seinem tödlichen Hintrit grossen Reichthum / und nur 2. Töchter hinterlassen. Apollonia / seine Mutter / war noch in dem Leben / und hat ihn für ihren Sohn erkennt / mit seinem Weibe in das Hauß genommen / und als einen künftigen Erben gehalten. Welches alles Frontin seinem Schwager und gewesenen Herrn Procor zugeschrieben / der sich dann nicht wenig ob so glücklicher Gelegenheit erfreuet hat; und so viel mehr / weil seine Schwester in Teutschland nit leichtlich eine so reiche Heurat solte getroffen haben.

13. Hierauß ist zu bemercken Herodians schädlicher und schändlicher Eifer / deß Kochs Gottesfurcht / deß Asintritt Hinterlist / deß Vatters Unbarmhertzigkeit / deß Dieners Verstand / Procors Danckbarkeit wegen wolgelaister Dienste / der Esther unbedachtsame Liebe / und im Ende das Glückskind eines unglückseligen Vaters; Welches alles vielleicht nit erfolget / wann Fortin nit zu der Gottesfurcht angewehnet worden were: Wie dann solche zu allen Dingen nutz ist / und hat die Verheissung dieses und deß zukünfftigen Lebens.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CVIII108-CXI111.
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