(XXXIV.)
Die vätterliche Vermahnung.

[129] Der Sterbenden Reden soll man billich beobachten / weil solche / wann sie anderst fromm gelebt / gleichsam deß ewigen Lebens Vorgeschmack zu geniessen beginnen / oder ja aller Falschheit entnommen / zu sagen pflegen / was ihnen um das Hertz ist. Sonderlich aber sollen die Kinder ihrer Eltern letzte Wort in unentfallenen Angedencken behalten / und ihre Lehren nicht aus dem Hertzen lassen / wann sie nicht wollen / daß es ihnen ergehen soll / wie Remolin / in nachfolgender Erzehlung.

2. Adimar / ein reicher Frantzosischer Edelmann / hatte das 45. Jahr erreicht / und in seinem männlichen Alter Editam / eine Jungfer seinen Stande gemäß / gefreyet / mit welcher er in aller Zufriedenheit glückselig gelebt. Unter andern hatte er auch wolerzogene Kinder / und wuste fast nichts / als die Beharrlichkeit in so vergnügtem Stande zu erwünschen.

3. Als er auf eine Zeit in Gesellschafft andrer von Adel die Zeit vertreibt / hört er einen Soldaten / Sanctor benamt / überaus grosse Streiche vorgeben / daß Adimar sich deß Lachens nicht enthalten kan / und heraus bricht / in Namen der Gesellschafft zu sagen / wir thun dem Herrn den Gefallen und glauben es. Hierüber zörnet Sanctor / daß man einen Zweiffel in seine Wort setzet / welche doch wahr / und die er mit dem Degen zu verfechten erbietig.

4. Die andren Anwesenden wollen wider Fried machen / und sagten / daß sie es glaubten / weil sie es nicht gesehen / dann was man sehe / das wisse man; was man aber erzehlen höre / das glaube man / ob es gleich fremd und selten laute. Hiermit wil sich Sanctor nit befriedigen lassen / weil Adimar mit lachendem Munde und spottweiß / es nur zu Gefallen glauben wolle / und ihn also verdeckt Lügen gestrafft.

5. Adimar entschuldiget sich / und sagt / daß man nit alles[129] so genau / und was wol gemeint übel aufnehmen müsse / etc. Hierüber erzörnet Sanctor noch vielmehr / weil er ihm noch darzu Gesetze fürschreiben wolte / wie er sich verhalten solte / und sey er ein Soldat / der einen solchen Hofmeister die Spitzen von dem Degen zu Lohn gebe / etc. Die Beywesenden bringen beede voneinander / und vergleichen die Sache so gut sie können.

6. Folgenden Morgens forderte Sanctor den Adimar für die Klingen. Adimar hielte für eine sattsame Ursach die Befedung / verlässet sich auf sein gutes Gewissen / und nachdem kein Glimpf verfangen wil / entblöst er den Degen / und jagt ihm den Schnarcher durch den Wanst / daß er zu Boden sancke. Also bezahlet der / welcher liederliche Händel anfängt / seine Thorheit mit Verlust seines Lebens / und haben die alten Teutschen recht gesagt: wegen einer bösen Viertelstunde / soll man den Degen tragen allezeit / selben aber ohne erhebliche Ursachen nicht aus der Scheiden ziehen / und sonder Ehre nicht wieder einstecken.

7. Ob nun wol Adimar der außgeforderte Theil / und gezwungen worden / daß Sanctoris Hochmut zu dempfen / und seine Ehre zu retten / hat er doch flüchtig gehen müssen / und ist ihm im Bildniß das Haubt abgehauen worden / welches er durch den Verlust seiner Güter schmertzlich empfunden / zu deme auch sein hinterlassne verwittibtes Weib / aus Traurigkeit gestorben / seine Kinder aber haben von dem übrigen Haab bares Gelts zusammen gebracht / und dem Vatter nach langen Jahren die Landshuldigung wieder erlanget.

8. Das vorbesagte Wolergehen hatte sich nun geendet / und waren dem alten Adimar nichts übrig / als etliche Schuldbrief / welcher wegen er klagen / und mehr Gelt aufwenden musste als er hatte; ich wil sagen / er musste Schulden machen / und alles Vermögen verpfänden / die andren Schulden einzubringen. Wer dir deinen Mantel nehmen und Gerichtlich aberhalten wil / dem gieb den Rock darzu / oder laß ihn dahinten / wie Joseph / so wirst du am besten darvon kommen. Adimar erhielte alles was er begehrte / ausser der Bezahlung.[130] Der Schuldner solte ihn befriedigen / welcher doch ohne Gelt war / und heist es nach dem Sprichwort: wo nichts ist / da hat der Käyser sein Recht verlohren.

9. Adimar hatte nun das 50. Jahr überschritten / aber doch war er noch bey geruhlichem Alter und zimlichen Kräfften. Wie nun wir Menschen uns nit leichtlich können lassen wol seyn / als hat Adimar noch mehr Unheil suchen müssen / in dem er sich verliebte in Falcidiam / eine an Schönheit reiche / an Vermögen sehr arme Jungfer. Nachdem er nun solche gefreyt / und vielleicht mehr geliebt / als einem alten Mann gesund ist / hat er den Tod bey sich verspürt / und seinem Sohn Remolim diese Lehren vor seinem Abschied ertheilt.

10. Erstlich sagte er / verheurate dich nit wegen der Schönheit; wann du es nit mit dem Leben büssen wilst / wie ich. Zum zweyten / so führe doch keine Rechtfertigung / sondern laß dir lieber Unrecht thun. Drittens / so rauffe und balge dich mit keinem / ausser abgetrungener Schutzwehre / wann du ein gutes Gewissen behalten wilst. Nach diesen Vermahnungen hat ihm der Tod die Augen zugedruckt.

11. Remolin hatte zwar versprochen / dieses alles getreulich zu halten / ist aber demselben nit nachkommen. Kurtze Zeit hernach verliebte er sich in Getuliam / eine sehr schöne Weibsperson / und wird unter ihnen eine Heurat schrifftlich beschlossen; bevor aber der Hochzeittag benennet worden / meldet sich auch bey dieser Getulia Arsace ein viel reicherer Mann als Remolin an / und neiget sich die Jungfer von jenem zu diesem / weil er ihr auf einmal mehr schencken konte / als der andre in Jahr und Tag einzunehmen hatte.

12. Remolin wil diesem einen Einspruch thun / weil er der erste Kauffer / ob gleich der andre mehr darum geben wil / und kommet darüber in eine Rechtfertigung. In dem nun diese Sache für Gericht schwebet / begegnen sich diese beede Hunde / und zancken über einem Bein / mit solchem Grimm / daß sie einander außfordern / und Remolin darüber ermordet wird. Also wurde dieser Sohn ob den Ungehorsam der vätterlichen Lehren gestrafft / und ist seine[131] Thorheit in diesem noch gut gewesen / weil sie nicht gar lang gedauret. Die drey aber / für welchen Adimar seinen Sohn so vätterlich gewarnet / sind die Laster der Jugend / deß männlichen und mehr bejahrten Alters / und wird alles nicht unrecht der Chimia oder Goldmachkunst verglichen / da der verleurt / welcher damit reich zu werden verhoft.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CXXIX129-CXXXII132.
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