(XXXVI.)
Die ungetreuen Diener.

[135] Der Herr und der Knecht sind solcher gestalt miteinander verbunden / daß dieses Fehler jenem / und jenes Fehler diesem beygemessen wird. Ein getreuer Knecht ist ja so selten / als ein getreuer Freund / der gleich so wol schuldig ist / seines Freundes Nutzen zu suchen / und Schaden zu warnen. Was der Knecht veruntreut / hat der Herr nicht nur zu büssen / sondern auch bey dem gemeinen Mann zu verantworten / an dessen guten oder bösen Nachrede ihm nit wenig gelegen ist. Hierinnen kan der Herr auch durch stillschweigen gar zu gütig seyn / und durch Nachsehen sein gantzes Haußwesen gefähren / oder wol gar mit seinen Dienern unter der Decke liegen / daß man recht sagt: Wie der Herr ist / so ist auch der Knecht. Zu was Ende dieses angeführet worden / soll aus folgenden Geschichten erhellen.

2. Einer von den vornemsten Herren in gantz Franckreich / welchem der König viel Regimentsachen anvertraut / hatte einen klugen Geheimschreiber / oder Secretarium / der in armer Gestalt zu ihm in Diensten kommen / aber in kurtzer Zeit so reich worden / daß er Güter kauffen / und Häuser bauen können / wie dann der Reichthum so wenig als das Feuer lang kan verborgen bleiben / daß man es nit solte wissen und erfahren / sonderlich aber bey geringen Leuten / denen es wol zu der Nahrung gehet. Gut macht Muth / Muth macht übermut / übermut selten gut thut.

3. Also gieng es diesem Schrifftling auch / und damit er[135] sich dem Neid etlicher massen entziehen möchte / gab er für / daß solches alles seines Herrn / und werde nur in seinem Namen gehandelt. Die andren Diener hatten die Gelegenheit nicht / den Leuten die Hände so gäng und geb zu machen / und trachteten diesen aus dem Sattel zu heben; sagten deßwegen ihrem Herrn / unter was Schein dieser so viel liegendes Haab an sich brächte.

4. Der Herr wolte das falsche Vorgeben wahr machen / und sahe ihn übel an / suchte auch Ursach / ihn einer Verrätherey in deß Königs Sachen / zu beschuldigen / und bedraute ihn mit der Gefängniß. Der Schalcksknecht wuste wol daß er unschuldig / und warum es zu thun / wolte es deßwegen machen wie der Castor / und den Beutel von sich werffen / welchen der Herr / als einen Schwammen außtrücken würde.

5. Dieses Vorhabens thut er seinem Herrn einen demütigen Fußfall / und bekennet / daß er sich in seinen Diensten stattlich bereichert / weil er aber sehe / daß ihm solche Güter nicht anstehen / und von seiner Begnädigung herkommen / welche ihm nun Ungenade erworben; also wolte er alles sein Vermögen hiermit außgehändiget haben / und seinen Herrn bitten / er solle ihm so viel darvon wieder geben / als er ohne Schaden und Nachtheil handhaben könne.

6. Wie alle Wasser aus dem Meer kommen / und wieder in das Meer eilen / also muste das Gut dahin gelangen / wo es ursprünglich hergekommen. Der Herr nahme dieses Erbieten an / und eignete ihm alles würcklich zu / was er zuvor unter seinem Namen betrüglich erhandelt: gibt ihm aber so viel / daß er mit weniger Neid ehrlich zu leben / und seinen Stand / nach wolgeleisten Diensten führen könte. Hiermit war die Anklag der Verrätherey gefallen / und der Herr lobet den ungerechten Haußhalter / daß er klüglich gethan. Hingegen aber wurde diesem Fürsten sehr übel nachgeredet / daß er solcher Gestalt bößlich gewonnenes Gut an sich gebracht / welches doch alles zu Nachtheil der Königl. Kammer erworben worden / und war der gemeine Verdacht / daß er an[136] den Beschenckungen / so seine Diener den Leuten aus den Händen zu winden pflegten / Theil haben müsste.

7. Ein andrer geitziger Herr / welchen wir nicht nennen wollen / hatte dergleichen Partitemacher an seinem Hof / und bemerckte / daß er ihm einen fast täglich lobte / und zu Bedienung eines damals ledigen Ambts / vorschlüge; faßt deßwegen den Argwahn / sein Schreiber müsste eine gute Verehrung bekommen / oder noch zu erwarten haben / wann selbes N. das Ambt gedeyen würde.

8. Auf eine Zeit fragte er / was ihm doch der N. versprochen / wann er ihm das Ambt zuwegen brächte? der Schreiber wuste wol / daß sein Herr den Handel verstünde / und würde schwerlich glauben / daß er / als einer von der Federn / jemand umsonst loben solte: Sagte also / er hätte ihm mehr nit / als ein paar seidner Strümpfe versprochen. Der Herr schicket seinen Diener von sich / unn lässt den / so deß Ambts begehrt erfordern / fragend / was er seinen Schrifftling verheissen / wann er den begehrten Dienst bekommen würde; er solte die Warheit sagen / so solte ihm der Dienst gedeyen. Dieser bricht herauß / daß er ihm 500. Kronen versprochen. Wol / sagte der Herr / bringt mir das Gelt / und das Ambt soll euch hiermit gegeben seyn: Er war mit der Parschaft fertig / und holte es zur Stund.

9. Bevor nun der Schreiber wieder nach Hauß kommet / lässt der Herr zwey paar seidner Strümpffe holen / und sagt ihm / daß N. bewustes Ambt erhalten / und ihm diese Verehrung zugeschicket. Diese Sach hat nit können verschwiegen bleiben / und ist solcher geitzige Ranck / zu deß Herrn höchster Beschimpfung außgeschlagen / daß er sich bey Hofe mit leiden müssen / und einsten mit einem andern / der ihn darmit geschertzet / in einen Streit geraten / darinnen er das Leben eingebüsset.

10. Es ist zu zweifeln / ob dem Herrn oder den Knechten mehr Schuld beyzumessen. Deß Menschen grösste Feinde sind seine Haußgenossen / unter welchen man auch wol die Laster verstehen könte / welche in der grössten Herrn Palästen / unter den Verdeckten / oder wie jener redet / mit Falschheit tapetzirten Zimmern / zu wohnen pfleget. Weh denen / zu welchen[137] GOTT durch den Propheten sagt: Ich habe der Armen Blut in dem Saum deines Rocks gefunden.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CXXXV135-CXXXVIII138.
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