(XLVIII.)
Die Spaniolisirten Perlen.

[167] Es haben die Spanier und Frantzosen im Gebrauch / daß sie wunderseltzame Titel über ihre Erzehlungen setzen / den Leser dardurch aufzumuntern / und zu fleissiger Bemerckung anzureitzen. Wir folgen ihnen auch in diesem Stücke / jedoch mit Bescheidenheit / damit wir denen / die solches Gebrauches unwissen sind / nicht ungleiche Meinung verursachen / und vielmehr für lächerlich / als bedachtsam angesehen werden. Bevor nun der Leser diese Geschichte vernommen / so wolle er von dem Titel nit urtheilen / sondern deß Ends erwarten: da erhellen wird / daß die Perlen / von welchen wir reden / mit Fug spaniolisirt mögen genennet werden / gleich wie man sagt distillirt / was durch die Distillirgläser gezogen wird / marmorirt / was den[167] Marmol gleichet / peralisirt / was ein Penal / wie die Neuling auf den hohen Schulen / trügen.

2. Zu Neaples einer Haubtstadt der spanischen Königreiche / von welcher die abscheulichste Kranckheit den Namen bekommen / hat ein Spanischer Haubtmann / den wir Belisarium nennen wollen / (weil er eines Schwammens hoch vonnöthen gehabt / wie wir hören werden) mit Marcosia einer reichen Liebskrämerin gute Kundschafft / jedoch der gestalt / daß in dero Festung niemand eingelassen wurde / als die Esel mit Gold beladen.

3. Als nun Marcosia Belisario das Marck in seinem Beutel gekostet / und er jede Nacht die Reue theuer bezahlen müssen / ersihet er auf einem Abend der Marcosia ihre Perlen-Schnur / welche sie von sich auf den Tisch gelegt / diese beginnt er sich selbsten zu schencken / als er zu Nachts aufgestanden / die Schnur zerrissen / und ein Perle nach der andern / als Zucker-Erbsen eingeschluckt / sich darauf wieder zu seiner Lais in das Bett gemacht / daß sie es nit vermercket.

4. Zu Morgens stehet Marcosia auf / misset alsobalden ihrer Perlen / und konte keinen andern in Verdacht haben / als den Spanier / der allein die Nacht über bey ihr gewesen; massen die Thür biß Morgens verschlossen geblieben. Sie machet erstlich einen Schertz darauß / und erheischet ihre Perlen / welche der Haubtmann vielleicht verstecket; Der Haubtmann aber stellt sich ergrimmt / daß sie einen solchen Helden für einen Dieb halten wolle / und als sie mit Liebkosen die Warheit herauß locken wil / vermehrt sie seinen Zorn / und muß viel Drauwort dargegen anhören.

5. Dergleichen Dirne haben allezeit einen Beystand von erwegenen Gesellen / die ihnen im Nothfall zu Hülffe kommen und sie vertheidigen. Solchen Braven oder Meuchelmördern / deren zween in eben ihrem Hause wohnten / ruffte Marcosia / welche auf Italianisch gewaffnet / das ist / biß an die Zähne mit Eisen bedecket / alsobalden erschienen / und ihre Klage wider Belisarium angehöret.[168]

6. Der Haubtmann / der zuvor gebrüllt wie ein Löw / wird so bald gedultig wie ein Lamm. Er lässt sich aller Orten besuchen / und weil sie ihm den Dolchen an die Gurgel setzten / bekennet er / daß er die Zahlperlein verschlungen / und in seinem Leibe / aber nicht in den Kleidern bey sich hab; mit Versprechen / er wolle solche wiedergeben / wann man ihm nur Zeit darzu lassen würde.

7. Marcosia truge Verlangen ihren Schmuck / unzerschmoltzen wieder zu haben / und ob sie wol den Haubtmann versperrt / hat er sich doch so gestreng erwiesen / daß Marcosia die Zeit lang worden / und deßwegen ein starckes Purgierträncklein holen lassen / den Spanier solches einzunehmen genöhtiget / und endlich wie die Henne / oder der Han in der Fabel / die Perlen in dem Mist gefunden. Ob sie durch diese Spaniolisierung schöner worden / wie sonsten in der Tauben Mägen zu geschehen pfleget / kan ich nicht wissen / der Spanier aber hat für diese Artzney sein Gelt / Degen und Mantel zurucke lassen müssen / und ist von seinen Bekanten mit diesen distillirten Perlen nit wenig vexirt worden.

8. Die Lehre ist aus folgendem Lehrgedichte zu fassen. Der Geyer hatte sich von dem Ingeweyd eines Aases überfüllet / und als er es nit verdeyen mögen / ist er gezwungen worden / solche mit seinem Ingeweyd wieder zu geben. Darzu ist seine Mutter kommen / sagend: so ergehet es / mein Sohn / wann man mehr zu sich nimmet / als man ertragen kan. Man verlanget fremds Gut / und verleurt sein eignes.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CLXVII167-CLXIX169.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte, Das erste Hundert. 2 Tle. in 1 Band.