(CLXXX.)
Die Hertzens-Angst.

[300] Die Liebe lässet sich füglich mit dem Feuer vergleichen / deßwegen man auch sagt / brennende Liebe / und den kleinen Liebesgötzen mit einer Fackel mahlet. Es ist aber solche Liebe ausser dem Ehestand kein Feuer das wärmet / sondern eine[300] Glut die brennet / und Leib und Seel versehret. Die Liebe lässet sich so wenig bergen / als das Feuer / entstehet von einen kleinen Füncklein / und ist ein Kunstfeuer / das den Künstler / der es angerichtet / verletzet. Hiervon wollen wir in nachgesetzter Erzehlung reden / und sehen / was solcher Liebsbrand für Schaden thut / unter denen die sie sich vorsetzlich darein stürtzen.

2. Resolia eine Hofmeisterin bey einer Italianischen Fürstin / wurde von einem Edelmann Macedon genamt / bedient / welcher bey dem Frantzösischen Hof wol angesehen war / und erhielte auch solches Fräulein vermittelst ehlicher Vertrauung / nach deme er seine Liebe mit Worten und Wercken eiferigst erwiesen.

3. Nach vollenden hochzeitlichen Ehrentagen führte er seine Verlobte nach Hause / und sie nahme zu ihr Türniam ihre Schwester / die mit dem Beynamen die schöne genennet worden / jedoch wolte die Fürstin / daß sie wider zu ihr nach Hause kommen solte / und über 3. Monden nit außbleiben. Turnia war kaum in ein andres Land kommen / so wurde sie von allen die sie ansahen / für die holdseligste Weibsperson gehalten / die schwerlich ihres gleichen / keine schönere aber niegendswo haben könte.

4. Maledon wurde von seinen Freunden besuchet / welche von den vornehmsten Herrn deß Landes waren / und unter denselben waren zween junge von Adel / auß dem Hause Baraumon / unter welchen der ältste ein Soldat / der jüngere aber zu dem geistlichen Stand / wegen etlicher Kirchen-Lehen / so bey diesem Geschlechte erblich / aufferzogen / und gleichsam wider seinen Willen darzu gewidmet worden.

5. Armogast / also nennte man den jüngsten Herrn von Baraumon / war ungefehr 19. oder 20. Jahr alt / da das Geblüt erhitzet unn angefeuret / verliebte sich in die schöne Turniam: Es wurde durch ihrer Augen Stralen / die Glut in seinen Hertzen angezündet / und durch das freundliche Gespräch gleichsam aufgeblasen / daß es in eine grosse Flamme außgebrochen.

6. Turnia hatte auch Fleisch und Blut / daß sie die Tugend und Höflichkeit ihres Dieners mit Unhöflichkeit nicht[301] zurucke weisen wollen / sondern ihr eine Hoffnung gemachet / daß dieser Geistliche so jung / daß er noch wol vor alters weltlich werden / und sie heuraten könte: Solcher massen verknüpffen sich diese beede miteinander / jedoch nicht mit losen Sünden Stricken / sondern in aller Zucht und Erbarkeit / wie es solchen Standspersonen wol anstehet / daß auch der Neid selbsten / mit Warheitsschein nichts darwider zu sprechen gehabt.

7. Nachdeme nun die Zeit verschlossen / daß Turnia wieder nach Hause raisen sollen / nimmet sie von dem bald unbeständigen / damals aber getreuen Armogast Urlaub / und mit sich die Beständigkeit / welche ihr Liebster zu laisten versprochen. Armogast betraurte diesen Abschied / mit Sirens sagend:


Wer Liebesscheiden Scheiden nennt /

ein blosses Scheiden / wie man pflegt /

Desselben Hertz hat nie gebrennt /

von Glut die wahre Liebe hegt.

Ich sage / wie ich jetzt erfahre /

das Scheiden sey ein grosser Schmertz:

Ein Schmertz der scheide Seel und Hertz /

Der mich bringt auf die Todtenbare / etc.


8. Armogast war zwar nicht also bald unbeständig / wie ein Spiegel / der das Bild dessen / so darein sihet / verlieret / wann er sich abgewendet / sondern wechselte mit der Turnia etliche sehr freundliche Schreiben / welche dergleichen Antwort hinterbrachten / daß vermuthlich die Sache zu dem gewünschten Ende / wie alle Freudenspiele außgeschlagen / ich wil sagen / daß sie zu dem verlangten Ehestand gelanget / wann nicht andre Zufälle / das abgesehene Ziel aus den Augen verrucket.

9. Der älteste Bruder wird in Flandern in einem Treffen tödlich verwundet / und so bald er die Augen zugeschlossen / hat Armogast die seinen aufgethan / sich deß Rechts der Erstgeburt gebrauchet / und den Kirchenmantel fallen lassen / solches auch an seine Turniam erfreulichst berichtet / welche ihn wegen seines Bruders Tod leichtlich getröstet. Nach diesem erhebt[302] er sich in Flandern / seines Brudern Stelle und Verlassenschafft zu betretten / da er sich an eine andre verliebet / und alles was zwischen Turnia und ihme vorgegangen / unter die vergessenen / und nie geschehenen Sachen gezehlet.

10. Turnia behändigte keine Schreiben von ihrem Liebsten / und hielte es für eine Nachlässigkeit / so denen / welche den Degen führen / gemein zu seyn pfleget / daß sie sich keiner Feder / als auf den Hut bedienen; hielte aber ihr Hertz offen / gegen ihn / und fügte sich / daß Turnia mit ihrer Princessin / in die gesunde Wasser nach Spa raisend / Armogast / (damals Marggraf von Baraumon genant) begegnet / von ihme aber nicht angesehen worden / da sie doch sich zu erkennen gegeben / und sich erstlich dieser Begegniß hertzlich erfreuet.

11. Uber solche Verachtung betrübte sich das zarte Gemüt so sehr / daß sie aus Hertzens Angst / von einer Ohnmacht in die andre gefallen. Als sie auch nachgehends durch dienliche Mittel wieder zurecht gebracht worden / und die Freyheit sich zu beklagen erlanget / hat sie nicht unterlassen alles zu sagen / was man wider einen treuvergessenen Liebhaber aufbringen kan. In dieser Traurigkeit fället sie in ein hitziges Fieber / und bevor sie aus dieser Welt abscheidet / eröffnet sie ihr Anliegen / welches auch dem leichtsinnigen Armogast zu Ohren kommet.

12. Die Princessin war von Namur nach Mastereich geraiset / und diese Turnia wiewol kranck mit ihr. Armogast nahme eben selbige Strassen / willens seine undanckbare Unhöfligkeit bey der krancken Turnia zu entschuldigen: unterwegs aber begegnet ihm die Leichbegängnis der verstorbnen Turnia / und als er verstanden / daß der Ursacher an ihrem Tod / fället er für Hertzens-Angst zu Boden / und hat diesem die Zeit seines Lebens das Hertz gebebt / und ein Gelübd gethan / sich die Zeit seines Lebens nicht zu heuraten / sondern zu einer Straffe seine Tage in der traurigen Einsamkeit zuzubringen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 300-303.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte, Das erste Hundert. 2 Tle. in 1 Band.

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Camilla und Maria, zwei Schwestern, die unteschiedlicher kaum sein könnten; eine begnadete Violinistin und eine hemdsärmelige Gärtnerin. Als Alfred sich in Maria verliebt, weist diese ihn ab weil sie weiß, dass Camilla ihn liebt. Die Kunst und das bürgerliche Leben. Ein Gegensatz, der Stifter zeit seines Schaffens begleitet, künstlerisch wie lebensweltlich, und in dieser Allegorie erneuten Ausdruck findet.

114 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon