(CLXXXVI.)
Die unglůckliche Klugheit.

[320] Wann ein listiger und betrůglicher Raht nach Wunsch hinauß gehet / so gereichet er doch nit lang zu seines Urhebers Nutzen: gleich wie dort Simei / durch die listige Verleumdung deß Mephiboseths / alle seines Herrn Güter an sich gebracht / aber nach entdeckter Warheit dieselben nit behalten. Die Lügen ist wie ein Glas das schön gleisset / aber gar bald zubricht / in die Spitzen kan man sich leichtlich stechen oder schneiden / der damit umgehet wie wir sehen werden / in folgender Geschichte / daß die wol zu Werck gebrachte Unwarheit sehr übel gelungen / und nach dem Sprichwort / der in die Gruben gefallen / welche er selbsten gegraben.

2. Donatian / ein Frantzösischer Edelmann / war / als der jüngste unter seinen Brüdern / mit einer schlechten Außsteuer versehen / und von Hause geschicket. Das Geltlein war kurtz / und drange ihn obliegende Armut Glück bey Hofe zu hoffen / muste aber endlich mit seines Herrn Ungenad wieder zu seinem Bruder fliehen / welcher ihn sehr kärglich hielte. Dieses[320] war zu Friedenszeiten / daß er zu keinen Kriegsdiensten kommen / und darinnen sein Leben mit Ehren zubringen können.

3. Donatian sahe sich in elendem Zustand / und wolte der Armut weichen / wuste aber keine andre Freystatt / als ein reiches Weib / zu dem waren der Narren so viel / die gerne reiche Weiber gehabt hätten / daß an ihn keine gelangen wollen. In diesen Gedancken ersiehet er eine reiche und mittelmässig schöne Jungfrau / Mercuria benahmet / welcher er so viel gute Wort gibt / daß sie ihm gleiche Gegenneigung erweiset / und also in ihrem Liebsregister Einnahm und Außgab nit ungleich ware.

4. Der Mercuria Freunde wolten nit in die Heyrat willigen / weil an den Mitteln dieser beeder Ungleichheit; nach langem Widersprechen aber haben sie es geschehen lassen / Schande zuverhüten / und die Mercuriam / welche sich verzweiffelter Reden verlauten lassen / nach ihrem Belieben und Wagnis zu versorgen. Als man nun im Werck die Sachen zu schließlichen Ende zu befördern / und sie nun verbindlich getrauet werden sollen / kommen ein grosser Zwiespalt / welcher ihre Hoffnung trennet und wiederum zurucke stellet.

5. Es fugte sich / daß ein reicher und wol angesehener Edelmann von Poitiers / seine Befreunde besuchet / unn unter Wegs auf einen Schloß die Mercuriam grüsset / mit ihr Sprach hält / und sie so holdselig befindet / daß er sich alsobald in sie verliebet / und weil er ein Wittber / bey ihren Freunden um sie ordentlich werben liesse. Mercuria sahe Sermar als einen stattlichen Diener gegen Donatian / mit veränderten Hertzen an / und wolte lieber ihren alten Bulen / als das neue Glück verstossen.

6. Der Mercuria Befreunde rieten ihr von dem ersten ab / und beredten sie zu dem letzten / der in hohen Königlichen Diensten / und grossen Ansehen / daß diese Ehrgeitzige sich mit dem schuldigen Gehorsam gegen Donatian entschuldiget / und auf Semars Seiten sich nach unn nach geneiget: massen mit dem letzten der Kauff leichtlich geschlossen / wann der erste abgewiesen.

7. Diese Trauung were so bald werckstellig gemachet worden / wann nit Sermars Befreunde / welche ihm eine andre[321] zugedacht / Hinterniß gebracht / und Donatian Zeit gewonnen / den Fuxbalg für die Löwenhaut anzuziehen. Mercuria erweiset ihrem Sermar alle möglichste Begünstigung / welche sie / ohne Verletzung ihrer Ehre / erdencken können / und bezaubert dardurch ihren Liebsten / daß er seine Freunde zu Willigung in seine Heurat beweglichst ersuchet / und hierdurch kame Mercuria / ohne Schuld / in böses Geschrey.

8. Wie nun die Liebe ein Krieg ist / darinnen man allerhand List gebrauchen darf / als ergreifft Donatian solche Gelegenheit / sich an der umständigen Mercuria zu rächen / und giebet durch die dritte Person auß / daß Mercuria wol thäte / wann sie ihre Ehre mit dem Ehestand förderlichst versicherte / weil sich Sermar verlauten lassen / daß er bereit eheliche Wergünstigung von ihr erhalten / etc. Dieses machte Mercuriam / wegen ihres guten Namens eifern / und als Sermar sie zu besuchen kommet / giebt sie ihm / ohne Befragung / wegen außgesprengter Verleumdung / solche verächtliche und schimpfliche Wort / daß ein andrer als Sermar / leichtlich die Gedult hätte verlieren können.

9. Im Ende sagte sie / daß sie ihre Ehre höher achte / als alle Schätze der Welt / und daß / der ihr solche nehmen wolle / ein Ehrendieb / der deß Lebens nit wehrt / und werde sie Tag und Nacht bedacht seyn / diesen Schandflecken mit seinen Blut abzuwaschen / etc. Sermar kan diese Schlange mit guten Worten nit beschwören / wolte deßwegen derselben auf eine Zeit entfliehen / und nahme seinen Weg wieder nach Hause; verhoffend / daß die Zeit diesen Unfall heilen würde / inzwischen er seine Feinde zu dieser Heyrat willigen machen wolte.

10. Mercuria verfolget Sermar mit lästerlichen und ehrrührigen Briefen / daß er endlich sahe / wie in diesem schönen Hauß ein abscheulicher Gast / und daß ihm die Zeit seines Lebens mit einem solchen Drachen zuzubringen / nit zu rahten: weilen auch seine Freunde ihm eine andre und tugendsame Jungfrau zuführten / welche ihm mit aller Freundlichkeit begegnet / hat er die Mercuriam fahren lassen / und sich mit dieser[322] Sophia vermählet / und zu glücklichem Ehestand wol vergnügt / gelebet.

11. So bald nun dieses ruchbar worden / hat Mercuria die Donatian / als dem / der den Vorkauff gehabt / sich in neue Handlung eingelassen / und sind also diese beede miteinander getrauet worden. Donatian rühmte bey sich seine Klugheit / welche ihm ein ehrliches Vermögen in die Hände gespielet / weil er auch die schwere Last der Armut in seiner Jugend ertragen / ist er nicht nur ein karger Haußhalter / sondern ein schinderischer Geitzhals / der seinen Kindern grosses Haab zusammen scharren wollen / worden / deßwegen dann Mercuria die Wolredenheit ihrer Zanck- und Scheltwort zu üben Ursach gewonnen.

12. Als sie nun auf eine Zeit solchen Hauß-Krieg gegeneinander führten / und Mercuria ihrem Mann seine Armut aufruckte / und daß alles / was er ihr vorenthielte / das ihrige welche sie nicht mehr in seinen Händen lassen wolte / etc. bricht Donatian aus Zorn herauß / und wirfft ihr für das böse Geschrey / in welchem sie mit Sermar gewesen / etc. Dieses macht das ergrimmte Weib / fast an die Wolcken springen / deßwegen Donatian sie zu besänfftigen / den verübten Betrug bekennet / und schüttete also Oel in Feuer / dann sie ihm hierüber so abhold worden / daß er nicht mehr bey ihr wohnen können / und sich von ihr zu Tisch und Bette hat müssen scheiden lassen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 320-323.
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