(CLXXXIX.)
Die thörichten Jungfrauen.

[329] Das Gleichnis / welches unser Erlöser von den thörichten Jungfrauen gegeben / ist unter dem Frauenvolck noch heut zu Tage befindlich; doch wann 5. kluge / so sind 10. oder wol 15. thörigte / hier wollen wir von zweyen sagen / und vermelden / daß der / so weiser ist / als Salomon / der einen genommen / was sie gehabt / und der andern gegeben / nach den Worten der Schrifft: Luc. 17/35. Zwo werden mahlen miteinander / eine wird angenommen / die ander wird verlassen werden. Wiewol sich dieses hieher ziehet / wird aus dem Ende folgender Geschichte erhellen.

2. In den grossen Städten geschehen grosse Sünden / wegen der Menge deß Volcks / unter welchen die wenigsten fromm zu seyn pflegen. Diesem grossen Ubel ordnet man grosse Artzney / und finden sich nit nur Spitäle / die an dem Leib presthaffte zu heilen / sondern auch Kirchen und Klöster / die begangenen Sünden zu bereuen / und von selben abzustehen; gleich wie neben den vergifften Kräutern auch heilsame wachsen / die gegen den Gifft dienlich sind.

3. Also fanden sich unter etlichen Schwestern zweyer armen Edelleute / zwo thörige Jungfrauen / die aus dringender Armut sich in zweyer Fürstinne Dienste begeben / und dem Hofe folgen musten. Sie waren gute Gespielen miteinander / gleiches Alters / und gleiches Sinnes / welche die Nachbarschafft ihrer Eltern von Jugend auf in Kundschaft gebracht. Sie lebten eine Zeitlang / wie ihres gleichen wol anstehet; Wie solte aber ein so schwacher Werckzeug in so manchen Versuchungen der Weltkinder / Fleisches und Bluts / und deß Teuffels selbsten / der ihnen den süssen Liebesgifft / meuchellistig beyzubringen weiß / beharren können?

4. Sie waren beede schön / freundlich / holdselig / und trugen ihre Ehre in gebrechlichen Gefässen. Die eine hiesse Hagar / die andre Aretina / und hatten gleiches Unglück zu sündigen / aber ungleiches Glück ihr Unrecht zu bereuen. Hagar[330] war in Diensten bey Glodolph / der ein Weib hatte / das niemand schön nennen konte / der sie gesehen / und deßwegen Ursach / die Hagar / mehr zu lieben / als die Saram / welche ihm keine Freude gebahre. Die Weiber / so schönere Mägde dingen als sie sind / geben Ursach / daß ihre Männer die ehliche Schuldigkeit veruntreuen / und ist die Rede nicht zu loben / in welcher die Umstände (ich sage die herumstehende Mägde) schöner sind / als der Innhalt.

5. Kurtz zu sagen / Hagar hielte mit ihrem Herrn zu / durch Versprechen und Beschenckung bewogen / daß sie sich seiner nicht erwehren mögen. Dieses stinckende Liebes-Feuer gabe einen schwartzen Rauch von sich / der den Augen deß Eheweibs nit konte verborgen seyn / welches sie doch mit mehr als weiblicher Gedult / vertragen und geschehen lassen / daß sich dieser Abraham zu der Magd geleget; als aber diese Hagar noch darzu stoltz / und sich über ihre Frau erheben wollen / hat sie nicht mehr wollen in dem Hauß verbleiben / oder der Eheherr solte die Magd hinauß jagen.

6. In diesem Streit wurde die Hagar verstossen / Glodolph aber verschaffte ihr ein Hauß und allen Unterhalt / sich mit ihr so viel sicherer zu belustigen Dieses kunte in die länge auch nit verschwiegen bleiben / und wolten der Severina Freunde (also nennte sich diese gedultige Märterin) die unverschämte Hagarin das Gefängnis werffen / und wegen begangenen Ehebruchs Glodolph von ihr scheiden lassen.

7. Severina aber wolte nicht darein willigen / sondern gabe das Geld / daß man Hagar in ein Frauen-Hauß / so der Magdalena gewidmet war / nehmen solte / wie durch etliche Geistliche bey der Hagar geworben / und erworben worden / weil nun Hagar in das Kloster gegangen / und Glodolph erfahren / daß solches von seinem Weibe hergekommen / wird er gleichsam rasend darüber / und begiebt sich auf das Land / da er bey dreyen Monden in der Einsamkeit zubringet / seine Liebes-Brunst aber vielmehr auffeuret / als außleschet.[331]

8. Er kehret wieder in die Stadt / und wird seinem Weib so gram / daß er sie nit ansehen mag / daß sie seinem vergallten Gemüt und traurigen Befahrnissen / zu entfliehen / sich auf das Schloß begeben muß / von welchem er hergekommen / und solches thate sie willig / unter dem Schein häußlicher Verrichtung. Inzwischen beschicket Glodolph die Aretinam / der Hagar gute Gespilin / und bate sie / daß sie besagte seine liebste Bulin / in dem Kloster heimsuchen solte / und ihr wegen seiner viel gutes sagen / welcher massen er ihr beständig mit Liebe gewogen / und wann sie wieder zu ihme kommen wollte / were er gewillet / sie zu heyraten / etc.

9. Nichts ist / das eine Weibsperson mehr in Versuchung fůhret / als die Hoffnung deß angebottenen Ehestands / und hatte Aretina in einem Hause gedienet / da sie auch nit lang eine kluge Jungfrau geblieben / sondern durch den ältsten Sohn / Julian genannt / mit dergleichen versprechen / sie / nach seines Vatters Tod zu freyen / verführet / und zu einer Thörin gemachet worden / gestalten alle Sünden Thorheiten sind. Diese nun versprache ihr Bottschafft fleissig außzurichten / und bewegte die Hagar / daß sie die Nonnenkutten in ihrem Probjahre wieder fahren lässet / und die Welt lieb gewinnet.

10. In dem nun diese ihren Ehebruch fort treiben / wird durch die Abbtesin der Aretina das Hertz gerühret / daß sie betrachtet / in was Seelengefahr sie schwebe / daß sie wegen begangenen Aergerniß verflucht / und Ursach habe / rechtschaffene Früchte der Busse zu thun. In dieser Betrachtung tritt sie an deß verlohrnen Schäfleins Stelle / und ergiebet sich dem Himmlischen Bräutigam. Julian wolte sie zwar / als sein Weib wieder aus dem Kloster haben / konte aber nichts außrichten / weil in der gleichen Fällen niemands Wille gebunden ist.

11. Als nun der Severina Freund nit wolten geschehen lassen / daß Hagar ihr Ehebett befleckte / haben sie es bey der Obrigkeit dahin gebracht / dz man bey Nachts dieses Kebsweib in verhafft genommen / und hat sich befunden / daß sie von etlichen Monaten her schwanger gegangen / deßwegen man sie / den[332] Rechten nach / nit anstrengen können. Vor der Zeit aber ist sie zu bald darnider gekommen / und hat in den Geburtsschmertzen den Geist aufgeben müssen.

12. Nach dieser Dirne Tod / sind dem alten Gaugen die Schuppen von den Augen gefallen / und hat er sein grosses Unrecht erkennt / sein Weib um Verzeihung gebetten / und dasselbe wieder angenommen. Severina hat auch alles vergangene vergessen / und nach der Zeit mit ihrem Eheherrn friedlich und schiedlich gelebet / daß viel der Meynung gewesen / Hagar habe ihren Herrn durch Zauberkunst an ihr behalten / welche sich mit ihrem Tod geendiget. Dieses sind die zwo / welche in der Mühl gemahlen / deren eine angenommen / die andre verlassen worden.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 329-333.
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