(CXCIX.)
Der versuchte Mahler.

[364] Der Satan wird fůglich einem Mahler verglichen / welcher nach der Sehekunst den Tod entfernet mahlet / welcher doch nahe bey uns ist. Dieser listige Mahler bildet uns die Eytelkeiten dieser Welt mit falschen Farben vor / und versuchet dardurch die Einfältigen / kan er darmit nichts außrichten / so erschrecket er uns mit viel Greuelbilden / wie auch aus nachgehender Geschichte / so sich zu Lübeck zu getragen / zu vernehmen seyn wird.

2. Ein ehrlicher und frommer Mahler Namens Osswalt Stimmer pflegte den bösen Geist sehr abscheulich unn häßlicher / als sonsten zu mahlen: deßwegen erscheinet er ihm in menschlicher Gestalt / und bedraut ihn / daß er jn nit verstellen / und anderst / als sonsten mahlen solte / wann er nit wider alles übel von ihm erwarten wolte / im widerigen Falle aber wolle er sein Freund seyn.

3. Der Mahler erstaunte erstlich über dieser unerwarten Bottschaft / betete und versicherte sich / daß er ein Kind Gottes / mit welchem der Teuffel nichts zu schaffen hätte / gedachte auch nicht ihm zu gefallen zu seyn / wol wissend / daß er sonder Göttliche Verhängnis ihm kein Haar würde[364] krümmen können; unterliesse deßwegen nicht / diesen Seelenfeind so scheußlich als zuvor außzumahlen.

4. Was geschihet? Bey hellem liechten Tag verstellet sich dieser Bößwicht in deß Mahlers Person / und entnimmet bey einem Gewandschneider Tuch zu einen Kleid / mit versprechen es zu bezahlen / gehet damit auf deß Mahlers Hauß zu / und verschwindet; dieses laugnete der Mahler nachmals / mit verloben / man solte ihn / als einen Dieb an den Galgen hencken / wann das Tuch bey ihm gesunden würde / wie nachgehends geschehen / und das entwendete unter deß Mahlers Bette hervor gezogen / deßwegen er auch in das Gefängnis geführet / und peinlich über dieser That vernommen werden sollen.

5. Die Furcht der Marterbanck machte diesen Mahler bekennen / das er nicht gethan hatte / und wurde ihm wegen beschuldigten Diebstals ein Gerichts-Tag angesetzet / der ihn das Leben kosten solte. Zu Nachts kommt der Satan wieder / und versuchet ihn / daß er sich mit Leib und Seel an ihn ergeben solte / sowolle er ihn von dem schmälichen Tod erretten; Dann eben er ihn in diese Gefahr gebracht / etc.

6. In dieser Noth bliebe der fromme Mann beständig / befahle sich GOtt / und wolte lieber unschuldig sterben / als mit einem bösen Gewissen länger leben / wiese also den Verleumder ab / und vertraute GOtt / daß er ihn / wann er wolte / wol retten könte und würde / und wann er es auch nicht thäte / so wolte er doch auf ihn trauen / wie dorten die Söhne der Maccabeischen Mutter sagten.

7. Als nun dieser Versuchter besagter massen nichts außrichten konte / so erbietet er sich / daß er ihn loß machen wolle / wann er versprechen würde / ihn künfftig in erbarer und ehrlicher Kleidung zu mahlen. Dieses versprach der Mahler / als eine Mittelsache / die nicht wider sein Gewissen lieffe. Darauff führt ihn / weiß nicht wer / aus der Verhafft in seine Behausung / da er von Weib und Kindern mit Freuden empfangen wurde / jedoch mit Beding / daß er folgenden Tages nicht auß dem Hauß gehen solte.

8. Der Satan inzwischen stellte sich in deß Mahlers Gestalt[365] in das Gefängnis / höret sein Urtheil an / und gehet zwischen zweyen Geistlichen daher / wil aber sich zu keinem Gebett verstehen / sondern lässet sich an den Galgen hencken mit grosser Gedult / daß sich jedermann über diesen stummen Ubelthäter verwunderte.

9. Nachdem dieses geschehen / und die Leute von dem Hochgericht in die Stadt zurucke gekehret / finden sie den Mahler nach Mittag auf dem Marckt stehen / den sie an den Galgen hinterlassen zu haben vermeint / und auff zusprechen / wie es ihm ergangen / und wie er stehe und nicht hange / sagte er: der Teuffel mag hangen / und nicht ich.

10. Etliche lauffen wunderswegen mit dem Scharfrichter wieder zu den Hochgericht / und finden an statt deß vermeinten Diebs einen Schatten oder eine Spinwebe in deß Mahlers Gestalt / deßwegen sie deß Mahlers erzehlten Geschichte so viel leichter Glauben zugestellet / und Gott gelobt / daß er den Frommen in solcher Anfechtung erhalten / und dem bösen Geist nit zugelassen / den Unschuldigen zu verderben.

11. Dieser Mahler thate auch seinem Versprechen zu folge / was er in der Gefängnis gelobet / und mahlte den Höllen Mohren in deß Pabsts Gestalt / jedoch mit Hörnern neben der dreyfachen Kron / und mit einem Adlers oder Klauen-Fuß / daß er auf eines Sterbenden Seele wartet / mit der Unterschrifft; Hanc animam posco quam plenam criminibus nosco. Diese Tafel ist 1600. noch in dem Dum zu Lübeck / hinter den Chor gestanden / und hernach versetzet worden.

12. Zu Beschluß dieser Geschichte / setzen wir das alte Teutsche Sprichwort / welches saget / man soll den Teuffel nicht an die Wand mahlen / er komme wol ungebetten. Wann nun der beste Betrüger der beste Mahler / wie etliche wollen / so ist keiner über diesen Ertzschalck / der ein Tausentkünstler ist / und auch das Abwesende / und durch Muthmassung das kůnfftige weiß oder abnehmen kan / GOtt wird für dergleichen Versuchung in dem Vatter Unser gebetten / wann wir sagen: Für uns HErr nicht in Versuchung. etc.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 364-366.
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