7. Lob deß Landlebens.

[375] Edler Herr.

Wie viel glückseliger das Land- als das Stadtleben seye / lässet sich viel besser würcklich erfahren / als schrifftlich verfassen. Der Mensch / welcher zu Betrachtung Göttlicher Wolthaten erschaffen / kan solche nirgend augenscheinlicher zu Gesicht bringen / als wann er von allen Hinternissen deß Stadtwesen entfernet / auf dem Lande zu morgens den Himmelstau auff die Kräutlein und Blümlein triefen siehet / daß sie gleichsam mit Perlen gezieret / und mit Silber geschmucket / der guldenen Sonnen Hitze erwarten / welche die schöne Tröpflein abtrocknet und ihrem Wachsthum gleichsā einkochet. Hierüber kan nun der Land mann fassen / und sich versichern / daß GOtt die Sonne der Gerechtigkeit alle unsre Thränen werde gleicher Gestalt abwischen / unn die Anfechtung ein End gewinnen lassen / das zu unsren Nutzen gereiche.[375] Alles was man in den Städten hoch und schätzbar hält / findet sich auch in dem Landleben mit mehrerer Freyheit versüsset. Die Speisen giebt die Natur aus ihrem Vorraht herfür / so viel reinlicher und gesunder weil sie die Arbeit wolgeschmackt machet. Die falbe Erd ist die Fund- und Goldgruben / welche die Stadt ernehren muß. Die wolriechenden Blümlein machen das angenehme Rauchwerck / das Wollen-Kleid trägt die Herde auf dem Rucken / und die Tischmusic schwiegelt der Schäffer seinen Lämmern. Aller Betrug ist unbekant / ausser deß Vogelstellers und Fischers; Aller Gewalt ist unbewust ausser deß Jägers Verfolgung. Ferners ist das Landleben eine Abbildung der ersten unschuldigen Welte / welcher sich Gott ohne Mittel geoffenbaret / und noch die jenigen mit guten Gedancken erfüllet / welche sich der Welt entziehen und in der Einsamkeit sich zu GOtt / durch ein andächtiges Gebet nahen. Ich erinnere mich / was jener krancke König gesagt: Ein gesunder Bauer / ist ein reicher Herr. Ich setze darzu / wann er seine Glückseligkeit erkennen könte / derselben nicht bößlich mißbrauchte / und durch solchen Mißbrauch sich deß Göttlichen Segens unwürdig machte. Schliesse also / daß das Landleben der Natur gemäß / und weniger Sünden zugethan / als das Stadtleben da man die Mittel zu allen Lastern suchet und findet. Dieses schreibe ich nach meiner Einfalt / und verlangte solches Leben noch viel begieriger / wann es mir nicht der Ehre beraubte E.G. zu sehen / und im Wercke zu beweisen / daß ich bin


Derselben

Dienstpflichtiger Knecht.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 375-376.
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