8. Verachtung deß Landlebens.

[376] Wehrter Freund.

Was derselbe von dem Lob deß Landlebens an mich geschrieben / muß ich zwar unterschreiben / wann ihr solches nur von der stillen Friedenszeit / und guten Wetter verstehet / daß ich aber ein so reicher Herr / als ein Bauer ist / wünschen solte / laß ich mich nicht bereden. Man kan in den Städten auch Gott gefallen / und ein erbares Leben führen / ja vielleicht[376] mit mehr Redlichkeit / als auf dem Lande / da die Armut vielmals eine Lehrmeisterin alles Unrechts unn Betrugs ist; massen man sihet / daß die Bauersleute ein verruchtes Volck / bey welchen wenig Gottesfurcht zu finden / deßwegen mit harten Straffen mehr bey ihnen außzurichten / als mit guten Worten.

Die Ergetzlichkeit deß Landlebens geniessen wir auch in den Gärten / welche die Bequemlichkeit der Stadt und die Erfreulichkeit deß Landes / zu schöner Wetterszeit ertheilen / und uns aus guter Gesellschafft nit setzen in die traurige Einsamkeit. Was Lust ist aber auf dem Lande? Man schauet dar ein par dürrer Ochsen / ein Herde stinckender Geise / einen zerrissnen Hirten hinter seinen kotigen Schweinen / eine zortige Baurenmagd in einer schwartzen Schlaffhauben / ihre beschleppte Kühe zu dem Hirten treiben / etc. Ist es Morgen so kan man wegen der Nässe nicht außspatzieren: ist es Mittag / so brennet die Sonne zu sehr: Ist es Abend / so ist der Lufft nit allezeit gesund: Die Vögel kan ich mit viel mehrer Bequemlichkeit in ihren Keffig singen hören / da kein Rab kracket / keine Grille grillt / keine Eule heulet / kein Rind muhet / kem Schaf bleckt / keine Immen summen / unn kein Kettenhund billt. Was soll aber die Kunstmusic gegen der bäurischen Haberpfeiffen seyn? Nichts so schlechtes kan mich belustigen / und es unterhält mich ein schönes Buch mit viel anständigern Gespräch / als alle grobe Bauren-Rilpen in dem gantzen Lande. Wird mich also niemand bereden / daß das Wasser auf dem Lande besser sey / als der Wein in der Stadt.

Diesem nach lasse ich / nach dem Sprichwort / den Bauren ihre Kirchweihe / und bleibe in dem Stand / in welchen mich Gott / und die Auferziehung meiner lieben Eltern gesetzet hat. Ich versichere mich / daß ihr andrer Meinung werden würdet / wann ihr nur 3. Tage pflügen / mähen oder dreschen soltet / welches euch den Lust zu diesem Leben leichter vertreiben könte / als mir die Begierde zu dienen. Hiermit verbleibe ich


Euer

williger Freund.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 376-377.
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