(CIII.)
Das gefährliche Vertrauen.

[10] Wir vertrauen offt unser Leben solchen losen Leuten (wie die Kutscher und Schiffer zu seyn pflegen) welchen wir unsern Beutel nicht gerne vertrauen wolten: Nun ist das Leben viel edler / als Gelt und Gut / und weiß der Mensch nit / wann er sicher zu seyn vermeinet / daß er in der grösten Gefahr schwebt / welche die blinde Jugend nicht ersehen kan. Wir wollen ein solches Leib und Seelen gefährliches Vertrauen in zweyen Begebenheiten vermelden / und darauß lernen / daß wir unser Vertrauen auff Gott stellen sollen / der uns kan und will außhelffen in der Noth. Sirach 2.6.

2. Ein übertrefflich schöner Jůngling zu Pariß / wurde von einer vornehmen Ehefrauen mit ehebrecherischen Augen ersehen / und brünstig geliebt. Diesem lässet sie durch eine vertraute Person fürtragen / daß eine unbekante Weibs-Person hohen Standes in ihn verliebet / und daß er sich wegen seiner Schönheit glückselig zu schätzen / und nicht Ursach solche Abenteur zu verabsaumen; wie dann diese Bottschaffter der Liebe der gleichen Honigsůsse Wort fůhren / und die jungen Leute dardurch leichtlich verführen können.

3. Dieses hörte der Jüngling an / als eine schöne Fabel / oder einen lieblichen Traum / und vermeinte / er hätte einen Kauffmann um seinen Mantel für sich / der ihm wolte den Beutel verwahren: wol wissend / wie diese Hanthierung zu Pariß starck getrieben wird / und die Statt einem Wald gleichet / in welchem die wilden und zahmen Thiere gefährlich sind / und man sich wol für zusehen / daß man nicht von einem oder andern beschädiget werde / und die Abenteur ein teurer Abend werde.[10]

4. Der Werber hielte beharrlich an / und wolte sich zu einem Pfandmann stellen / wann der Jüngling sich würde zu der Verliebten führen lassen / dafern dieser Adonis jhm nach und nach Glauben zustellte. Er vertraute diese Gelegenheit einem seiner Freund / der mehr Kühnheit hatte / und sich mit seinen Kleidern bekleidet / in die bestelte Kutschen setzte / und in der Arminda (also wollen wir die Verliebte nennen) Schloß führen liesse. Der Kutscher fährt bey zweyen Stunden mit der verdeckten Kutschen in der Statt herum / und bringet endlich diesen Ganimedem in einen grossen Hoff / da er absteigen muste.

5. Es war ein gantz finstre Nacht / und führte man ihn / durch etliche Zimmer ohne Liecht / in eine Kammer / in welcher eine kleine Lampen angezündet / daß er die schönen Tapeten und das stattliche Bett ersehen konte. Ein Mann mit eimen falschen Bart / ziehet ihn auß / und bittet ihn / er solte sich in das Bett legen / welches er auch gethan / jedoch nit ohne Furcht und Erwartung / was darauß werden würde.

6. Bald hernach kam eine Weibsperson / mit einen Wachsliecht in der Hand / halb außgezogen / und eine Maßque für dem Angesicht / leuchtend in das Bett hinein zu sehen ob es Adonis / ziehet darauff die Fürhänge wieder zu / und sagte / sie wolte also bald wieder kommen. Der Mann aber mit dem falschen Bart / kam an ihre Statt / nötigte ihn wieder auffzustehen / sich anzuziehen / und darvon zu machen / weil eine Hinderung den Handel unterkommen / und dieses mal nichts zuverrichten.

7. Wie dieser Ganimedes erschrocken / ist leichtlich zu erachten. Er saumte sich nit von dannen zu machen / und wurde eben in der Kutsche wieder an das Ort geführet / wo er zuvor auffgesessen / mit Bedrauung / daß er wegen deß Betrugs den Tod verdienet; es werde ihme aber das Leben geschencket / daß er seinem Freunde / dessen Platz er betretten wollen / sagen solle; daß die verliebte Person seiner Verwegenheit / wegen seiner / verzeihe / und solte er darauß abnehmen / wie sehr sie ihn liebte / etc. Es danckte der gute Gesell Gott / daß er so guten Kauffs darvon gekommen.[11]

8. Adonis (also nennen wir den schönen Jüngling) liesse sich bereden dieses Glück nicht außzuschlagen / und verhoffe vielleicht durch solches Mittel zu einer guten Heurath zu kommen / hatte aber sich kaum in die Kutschen / genommener Abrede zu folge / gesetzt / so bedunckte ihn / er fahre ausser der Statt / weil er den Wagen auff dem Pflaster nicht mehr rumpeln hörte / und nach zweyen Stunden führet man ihn über eine Schlagbrücken / und durch finstre Wege in eine wolgezierte Kammer / und sagte ihm ein Diener mit einen falschen Bart / er solte sich zu Bette legen / welches er auch zu thun gewillt / in dem ein vermasquiertes Weibsbild hinein kommet / ihn für den Rechten erkennet / und zu der bestellten Arbeit veranlaßt.

9. Gegen Morgen spricht sie diesem Gast auf das freundlichste zu / und bittet ihn / etliche Tage bey ihr zu verbleiben / und die Zeit mit spielen / singen / dantzen und allen andern Kurtzweilen zu vertreiben / darzu er sich leichtlich bereden lassen. Ihre Schönheit war in einem frischen Herbst / und vergnügte sich Adonis mit dieser Venus / daß er sich leichtlich bereden lassen / die Zeit seines Lebens in diesem gleichsam verzaubertem Schloß / mit ihr zu zubringen.

10. Nach 5. Tagen verehrt sie ihme einen grossen Diamant / und lässet ihn mit Frieden in die Kutschen sitzen / daß er vermeint getraumt zu haben. Nachdem er aber eine Stund gefahren / wird er von zweyen Reutern angesprengt / und mit auffgezogenen Hanen auß der Kutschen gejagt / der Diamant abgenommen / in ein Holtz geführet / und an einen Baum gebunden / daß er ia nicht weniger in Aengsten gewesen / als sein Gesell.

11. Mit anbrechendem Morgen kam ein Reuter / spornstreichs geritten / und lößte diesen Adonis wieder ab / nahme seinen Weg eiligst durch das Holtz / daß er zu Fuß nach Pariß gehen muste / und Gott danckte / daß er mit dem Leben darvon gekommen. In gefährlichem Vertrauen hätten diese beyde kühne Jüngling um Leib und Seele kommen können; massen leichtlich zu erachten / was gute Gedancken ein solcher[12] Mensch haben kan / der von einer so bösen und Gott verhaßten That herkommet.

12. Diese beyde erkandten ihr Unrecht / daß sie wie Democles mit Königlichen Speisen bewirtet worden / nicht wissend / daß ein Schwert ob ihren Häuptern schwebet / das an einem gar schwachen Faden gehengt. Also bringen die Gottlosen ihre Tage zu in Freuden / und fahren in einem Augenblick hinunter in die Hölle. Was du thust / sagt Syrach / so bedencke das Ende / welches dein Thun haben kan / so wirst du nimmer sündigen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 10-13.
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