(CXV.)
Der Gegen-Betrug.

[54] Es ist die Frage: ob ich einen der mich betrügen wil / wieder bettrügen darff; Erstlich ist gewiß zu wissen / daß[54] der / mit welchem wir handlen / uns zubetrügen suche: zum andern / wie weit sich solcher Betrug erstreckt: drittens ob wie jhn nicht überlisten / und gegen einem Kreutzer ein Thaler nehmen wollen: dann Aug umb Aug / Zahn um Zahn möchte noch zuverantworten seyn. Sicherer ist / alle Betrüger zu fliehen / und mit solchen Leuten / die wie das Pech sind / unverworren bleiben; wann man aber mit jhnen zu thun hat / muß man zu erst sehen / daß man nicht betrogen wird / und ist ein redlicher Handel / löblicher und mehr gesegneter als ein trüglicher; daher der weise Mann sagt / Klugheit ist keine Weißheit.

3. Die Welt thut nicht was sie thun soll / sondern was sie thun kan / und bawet er auff Sand / der sich seiner Falschheit vertrauet / welche GOtt ein Greuel ist / und doch nicht lang bestehen kan / sondern zu Schanden machet / die darmit ümgehen. Wie die folgende Erzehlung / der wir den Titel deß Gegen-Betrugs gegeben / mit mehrerm lehren wird.

3. Ein schlechter Spanischer Soldat hat sich zu Sevilla stattlich herauß gekleydet / mit einer güldenen Ketten / Hutschnur und einem Kleinod auff dem Hute / einem vergüldten Rappier an der Seiten / grose Krägen an den Händen unnd Halse / daß er also / wie ein gebutzter Aff herein getretten / und alle Schritte nach dem Circkel abgemessen. Sein Knöbel Bart war so spitzig als sein Stillet / unnd nichts höhers an jhm als sein Gemüt. Das Gold trug er auff den Hosen / aber keines darinnen / er und zween Reichsthaler giengen nicht durch eine Thür; ja er verachtet die Thaler / weil sie von einem Thal den Namen hätten.

4. Als nun dieser in der Kirchen neben eine verkapte Weibsperson zu knien kommet / grüsset sich sie freundlichst / und weil sie eine weise Hand sehen liese / und mit holdseligen Worten zu jhr zu kommen bate / hat er nicht unterlassen sich einzustellen / und diese Abendteur zuversuchen / nahme also in Obacht / wo jhre Behausung / und verlangte die Nacht / damit er nur erfahren möchte / wer diß glückselig Weib / die sich jhme zu dienen ergeben wolte.[55]

5. Als nun diese beyde zusammen kommen / und viel gravitetische Liebs-Wort wechslen / vermeinte der Spanier / daß diese ein ansehnliche und reiche Heurat für jhn / die Frau in dem Hauß vermeinte gleichfalls diesen stattlichen Herren zu erlangen / und war der Kauff unter diesen bey den bald geschlossen / als er jhr seine güldene Ketten verehret / so / daß sie einen Mönchen beruffen / und sich mit einander trauen lassen; massen der Orten nicht gebräuchlich daß man bey den Hochzeiten so grosse Bereitschafft und Begängniß machet / wie in Teutschland.

6. Das Hochzeitmahl war zu anderer Zeit verschoben / und war nun an dem / daß das Beylager solte gehalten werden / darzu beyde willfährig. Als aber die Braut zu Bette gehen will / ziehet sie die falschen Haare von dem Haupt / und stehet so kahl da / als das Bild der Gelegenheit gemahlet wird; bittet derwegen umb Verzeihung. Der Bräutigam sagte / daß seine Haar gleichsfals beschaffen / und leget solche auch von sich. Zu deme were auch seine Hutschnur nur Messing. Also / sagte die Braut / ist mein Gürtel nicht von Silber / sondern von weissem Messing / und die Brüste / (welche sie mit der Hand auß dem Bussen zoge) sind nur von Holtz.

7. Der Fändrich wolte ferners sein Anliegen entdecken / und wiese jhr sein Funtanella / und weil beyde sich betrogen sahen / und einander nichts auffzurucken hatten / waren sie doch wol zu frieden / und legten sich beyde zu Bette / befahrend daß eines dem andern den Kauff wider auffsagen möchte. Dieses trieben sie etliche Tage / unn vermeinten der Herr Fändrich / er hätte eine reiche Frau / ob sie gleich nicht gar schön und jung von Jahren / befande sich aber auch hierinnen betrogen.

8. Frau Stefana / also nennete sich dieses Weib / vermochte nicht mehr als die Kleyder / so sie an dem Halse getragen / und ob sie wol das Hauß mit aller Eingehör für das jhre dargegeben / ist doch solches jhrer Frauen gewesen / welche mit jhrem Eheherren über Land verraiset / und jhr das gantze Haußwesen zu getreuen Händen anvertrauet.

9. Eines Morgens / als diese beyde zu Bette lagen / kommet[56] der Herr und die Frau wieder / und solcher Ankunfft wird durch die Dienerin angemeldet. Die listige Stefana beschwetzet ihren Mann / daß sie dieser ihrer Freundin das Hauß auff wenig Tage raumen / und ihr dardurch zu einer anständigen Heurat helffen wolte / er solte sich inzwischen zu einer ihrer Gespielin begeben.

10. Der Mann glaubt ihr zwar anfangs / als aber sein Weib mit der Ketten entflohen / fragte er in seinem vermeinten Hause nach / was für eine Beschaffenheit es mit dieser Stefana habe / wer sie seye / etc. Man berichtet ihn mit der Warheit / daß sie eine Magd gewesen / und nun ein Betrügerin worden / und so wol von ihrer Herrschafft / als ihrem Manne geflohen.

11. Hierüber wurde er sehr bestürtzet / und tröstete sich doch darmit / daß seine Ketten nit von Gold / sondern nur über güldter Messing gewesen; danckte benebens Gott / daß das böse Pfand / welches er darum eingelöst / Füsse gehabt / und dahin entgehen können / wo er nachzulauffen nicht schuldig / ihme auch niemand aufferlegt / das zu suchen / was er nicht gerne wieder finden wolte.

12. Also trifft Untreue ihren eignen Herren / und wird der / so andre zu betrügen vermeint / betrogen / wie der Fuchs sich in seinem eignen Bau zu Zeiten fänget. Nach dem gemeinen Sprichwort sagt man / daß man mit Lügen und Listen müsse Heuraten stifften / selbe aber haben meisten theils einen bösen Außgang / und können solche Leute / wann der Betrug entdecket ist / einander nit mehr hold seyn / gleich wie einer der Waare / so er zu theuer eingekramt / und darmit betrogen worden / feind zu seyn pfleget / und mehrmals selbe nit wol anschauen mag.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 54-57.
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