(CXX.)
Der albere Herr.

[72] Es gibt nach der Meynung Aristotelis geborne Knechte / welche nicht so viel Verstand haben / als vonnöthen ist / sich selbsten zu regieren: Es gibt auch geborne Herrn der Natur nach / welche andern mit vernünfftigem Rath vorstehen / unnd sich selbsten rühmlich zuverhalten wissen.[72] Das blinde Glück aber setzet manchen auff einen hohen Stul / damit seine grosse Unvollkommenheit so viel erkantlicher werden möge / und ist besser herrliche Tugenden haben in dem untersten Stande / als ein Herr seyn mit einem Narren-Kopff / wie wir hier einen nacher kommen sehen wollen.

2. Malo / ein Herr dem Glück und nicht der Natur nach / hatte einen Knecht / Fremmin genamet / welcher gleichfals auß dem Land seines Herrn ware / da es Narren und Kluge unter einander giebet. Dieser wurde zu einem Hochzeitmahl gebetten / und hatte seinen Diener hinter sich stehen / daß er ihm einschencken / und reine Teller reichen solte. Als er nun trincken wollen / deutet er mit dem Finger auff das Maul. Der kluge Diener stellet sich als ob er eines Jungen spottete / neiget das Haubt / und brachte ihm nicht zu trincken / weil er vermeinte / er hiesse ihn stillschweigen.

3. Malo deutet ihm auff einen Jungen / der ein Glas hinein gabe. Fremmin vermeinte daß er sorgte / der Jung würde schütten / und ermahnte den Nechsten / er solte sich für sehen. Hiermit hatte Malo den Durst nicht geleschet / zoge die Achsel über sich / und sahe die Schenke an / vermeint sein Knecht hinter ihme solle sehen / wo er seine Augen hinwende / und verstehen / was er wolle.

4. Dieser Herr war entrüstet über seinen Diener / wolte aber ihn wegen seines Unverstands / in so guter Gesellschafft nit straffen / sondern winkte ihm / und sagte ihm in das Ohr: gieb mir Wein in einem Glaß. Der Knecht lässet ihm ein Glaß einschenken / verbirgt es unter seinen Mantel / und bringt es seinem Herrn / sagend wiederumb in sein Ohr; Herr hier hab ich ein Glaß mit Wein unter dem Mantel / wie ihr begehret.

5. Hierüber erwischet Malo die Gedult / und sagt überlaut: Ihr Herren / sehet doch meinen Haus Narren an: Ich hab ihm mit allerhand Zeichen zuverstehen gegeben / er solle mir zu trinken bringen / ich habe ihm mit den Augen / den Händen / der Achsel gewunken / und in das Ohr gesagt / unn jetzt bringt er ein Glaß daher / als wann er es gestohlen hätte / und vermeinet vielleicht /[73] ich soll es auch verstohlener Weise außtrincken: Es ist zu erbarmen daß die Knechte dieses Jahr solche Narren sind / etc.

6. Mein Herr / sagt der Knecht / was mir heimlich befohlen war / das hab ich heimlich verrichtet. Die Anwesenden geben dem Knecht recht / und sagten / daß zu erbarmen / daß in diesem heurigen Kalender Malo ein Geck seye.

7. Dieser Malo pflegte sein Angesicht mit seinem Hut zu bedecken / wann man sich zu Tische setzte / und sagte wenig heimliche Wort. Sein Diener fragte ihn / was das bedeutete. Er antwortete: dieses ist die Art zu beten bey Hoff / und lasse ich mir nicht zusehen / wann ich mit Gott rede. Fremim merkte dieses / und auff einen Morgen bedeckte er auch sein Angesicht mit dem Hut / und bate seinen Herrn / er wolte ihm doch seinen Lohn geben.

8. Malo fragte / was das seyn solte? unsere Herren versetzte Fremin sind unsere Götter auff Erden / und weil dieses die Art bey Hoff etwas zu bitten / so lasse ich mir nit gerne zusehen / wann ich mit meinem Herren rede / verhoffe auch bessere Antwort zu erlangen. Also scheuen sich viel offentlich zu beten / aber nicht sich offentlich voll zu sauffen / nicht wissend / daß hierdurch das Hertz von allen hinterlichen Ansehen / abgewendet werden soll.

9. Dieser Malo erzehlte auff eine Zeit / daß er eine Sau hätte in den Lüfften schreyen hören: die Anwesenden erstaunten theils / und lachten ob diesem Säugeschrey / Fremim / ruffte Malo / ist dem nicht also? Ja Herr / antwortet er / Ein Adler hatte ein Spanferkelein in der Lufft mit seinen Klauen gezwicket / daß es geschrien. Nachmals sagte er seinem Herrn in das Ohr / er solte bey der Erden bleiben / sonst würde er ihm nicht mehr helffen können.

10. Malo sagte / daß ihm ein Esel mit neu gemüntzten Gelde auff einer Brücken begegnet / den hätte er / weil er nit welchen wollen / so hoch geworffen / daß man das Geld / weil es inzwischen veraltet / nit mehr nehmen wollen. Fremim sagte: Ja / mein Herr hat mir diesen Traum alsobald morgens erzehlet.[74]

11. Malo gedachte / daß man in Indien so grossen Köhl habe / daß unter einem Blat hundert Lantzen Reiter halten können: Fremim setzte darzu / daß an dem Kessel / in welchem man solches zu sieden pflegte / hundert Meister arbeiteten / und daß keiner den andern klopffen hörte.

12. Es sagte auch dieser Schneiders genoß / sein Vatter hätte ein so hohes Hauß / daß man die Vögel darauff sätzen / daß sie die Sterne von dem Himmel glucken könten / und daß einem Dachdecker der Hammer entfahren / und in dem er herunter gekommen / so hätte eine Schwalbe darein genistet: der Stiel wäre dem Meister in den Händen geblieben. Fremim sagte darzu / daß er zu seinem Herrn auff der Raise gekommen / und niemals mit ihme zu Hause gewesen wäre.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 72-75.
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