(CXLII.)
Die Verschnittnen.

[149] Wer Gewalt übet im Gericht / ist eben wie ein Verschnittener (oder ein Hofmeister) der eine Jungfrau schändet / die er verwahren soll / sagt Syrach am 20. Cap. v. 4. Absehend auf den Gebrauch / welchen die Morgenländer noch haben / daß sie Verschnittne über das Frauenzimmer setzen / und zu ihren Kämmerern machen: Es wird also die Gerechtigkeit verglichen mit einer Jungfrauen / welche der / dem sie zu hüten vertrauet ist / nit schänden / oder von andern verunehren lassen soll. Es werden aber die Richter den Verschnittenen verglichen / welchen die Gesätze verbieten / daß sie keine Jungfrau beflecken sollen; wie den Verschnittenen die Natur / und daß die solches thun / zu Schanden werden / und nicht ungestrafft breiben sollen.

2. Wann nun die heilige Schrifft von solchen Meldung thut / wird verhoffentlich der Leser ihm nicht mißfallen lassen / daß wir auch die Verschnittenen auf unsren Schauplatz stellen / und von ihnen anhören / ob sie die Jungfrauen schänden können / welche man einem anvertrauet. Es wird auch dieser Leute in den Büchern Mosis gedacht / daß sie nicht sollen zu dem Dienst deß Tempels gelassen werden. In dem Neuen Testament aber ist unter den ersten einer gewest der Kämmerer der Königin von Candaces / welcher sich von dem Apostel Philippo tauffen lassen.

3. Es sind dreyerley Verschnittene: Etliche von Natur / etliche durch Beschneidung deß männlichen Samgefässe / etliche die sich selbst beschneiden wegen deß Himmelreichs / wie Origenes ihme thun lassen / und deßwegen von Hieronymo mehr verwundert / als gelobt werden. Viel verstehen es von Geistlicher Beschneidung / wie stehet von dem Aug außreissen / und Hand abschneiden: wann man aber das vorhergehende betrachtet / so wil es sich nicht anders / als von wůrcklicher[149] Verschneidung deß männlichen Gliedes verstehen lassen / man wolte es dann auf eine Gelübd der Keuschheit deuten.

4. Diese Verschnittne sind fast von Anfang der Welt gewesen / massen die Gefangenen in dem Krieg nit getödet / sondern verschnitten worden / damit sie getreu seyn sollen / weil ihnen die Quelle der bösen Begierden / der Muth und die Hofnung künfftiger Leibserben dardurch benommen / und ihnen auch das Weibervolck so viel sicherer zu vertrauen seyn möchte. Sie sind auch von grossen Herren sehr hoch geachtet / und wann sie Leibeigene / werden sie viel höher / als gemeine Knecht verkaufft.

5. Ein solcher Verschnittner ist kein Mann / weil er verlohren / was einen Mann machet / und ist auch kein Weib / wiewol weibisches Gemüts / und gleich wie die Kinder und die Fruchtbarkeit ein Göttlicher Segen / also ist die Unfruchtbarkeit ein Fluch / welche dann solchen Verschnittnen zugeschrieben wird. Die Natur hat solchen Leuten zur Schande den Bart / als deß Angesichts Zier weggenommen / und hat bey ihnen außgetrocknet den lebendigen Safft / welcher sich sonsten in allen Wachsthum befindet.

6. In den Käyserlichen Rechten können die Verschnittnen keinen an Kindsstatt aufnehmen / es ist wider sie die Straffe / (wann sie solches vorsetzlich geschehen lassen) erkannt l. 4. ff. adl. Cornel. und l. 27. ff. ad l. Aquil. und ist durch das gantze Reich bey Lebensstraffe gebotten / daß man kein Kind verschneiden soll C. de Eunuch. ja der solches thut / begehet so viel Todtschläge / als der verschnittene Kinder zeugen können.

7. Diese Verschnittenen haben bey ihrem Unheil diesen Vortheil / daß nie keiner kein Zipperlein / noch den Stein bekommet / noch kahl auff dem Haubt wird. Hipocr. Aph. 28. sect. 6. noch weniger Außsätzig wird. Zu deme haben sie eine angenehme Stimme / welche andre nicht nachahmen können. Sie sind der ersten Welt Sünde nit unterworffen / und ob sie wol begierig darzu seyn möchten / und einem Weibsbild beywohnen / können sie doch nichts richten / weil sie keine Zeugen mit bringen / die ihnen glauben machen sollen. Da hingegen die Unzucht / welcher sie nit befreyet / viel tausent in die Hölle stürtzet.[150] Wann aber das so hoch zu schätzen / worinnen die Esel und Pferde besser versehen / als die Menschen / so müste man solchem viehischen Laster den Namen der Tugend geben.

8. Zu Onzain bey Amboise hat ein leichter Gesell mit einer Wirtin in Ehebruch zugehalten / und ihren Manne alle Ursachen der Eyffersucht zu benehmen / hat er sich entschlossen / verschneiden zu lassen / durch Peter von Serpens / einen trefflichen Wundartzt desselben Orts: Er hatte es aber mit demselben angelegt / daß er sich nur also stellen / und blutige Nieren von einem Thier vorweissen solte / welches dem Wirt umständig verkundschafft worden / der jm auch über die 4. Kronen / so der Ehebrecher ihm zu geben versprochen / noch 8. Kronen verheissen / wann er ihm völlig die Mannschafft außschneiden würde.

9. Der Betrůger lässet sich binden / und gibt bey seinen Freunden vor / daß der wütige Schmertz deß Steins ihn zu solchem gefährlichen Mittel entschliessen machen: Als er aber vermeinte / daß der Wundartzt sein Wort halten / und sich nur stellen solte / als ob er den Schnitt verrichtete / ist er zugefahren / und hat ihm die Nieren rein außgeschnitten. Der Entmannte beklagte sich deßwegen: muste aber hören / daß der Wundartzt mit seiner Kunst nicht spotten liesse.

10. Camerarius erzehlet von einem / der mit einer Fürstin verraisen sollen / und ihme selbst die Nieren außgeschnitten / und seinen Fürsten zu verwahren gegeben habe / wol wissend / daß er von der andern Hofbursch sehr angefeindet würde. Als er nun auß Neid bey dem Fürsten für einen Ehebrecher angegeben worden / hat er begehrt / der Fürst soll das anvertraute Kästlein öffnen / da sich dann seine Unschuld also gefunden / und hat sich über diese That männiglich verwundert.

11. Zu Genff hat sich ein Mann von seinen Weibe beklagen lassen / daß er ihr zu viel thue / weil er 3. Nieren / dz sie zu viel empfahe / wz alle andre zu wenig bedünckte. Diesem ist aufferlegt worden / daß er jm den dritten Nieren hat außschneiden lassen müssen / wie er auch gethan / unn doch hernach noch Kinder gezeuget; massen auch viel gethan die nur einen Nieren / und den andern durch stossen / hauen oder fallen verloren / und sich haben müssen schneiden lassen.[151]

12. Hieher gehöret / was Lucas Assarino erzehlet / daß ein Bildhauer alle Flüsse in Gestalt alter Männer Lebensgrösse mit ihren Wasserhöfen gebildet / und allein den Tago / mit einem Blat über der Scham / fürgestellet. Als nun darüber unterschiedliche Gespräch gehalten wurden / sagte einer / daß dieser Fluß (an welchem viel Juden und Christen wohnen) beschnitten wäre / und deßwegen seine Mannschafft lieber bedecken wolle / als sehen lassen. Aubigny hat auch etlichen Hofdienern / welche ihn für einen verschnittenen gescholten / gesagt / daß sie doch wol Huren seyn können / wann gleich solches wahr wäre / etc.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 149-152.
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