(CLXIV.)
Die Ehliche Freundschafft.

[242] Dieser Rähtsel ist abgemercket von eines gelehrten Mannes Rede / der behaubten wollen / die Weiber weren keine Menschen: Als er nun deßwegen auf einer Hochzeit übel angesehen worden / und die Weiber ihn wiederum verachtet / ist er für den Tisch getretten / und hat sich also erkläret; daß er darfür halte / die Weiber weren keine Menschen[242] sondern Engel / mit dieser Meinung sind sie alle wol zu frieden gewesen: Er setzte aber hinzu / daß es gute und böse Engel gebe. etc.

2. Hierauß ist nun die Auffgabe leicht zu finden. Das Weib ist dem Manne eine Gehülffin / durch sein gantzes Leben / biß sich die Mutter / die Erden / so unser aller Mutter ist / darzwischen leget / und das Weib oder der Mann von den Wůrmern in dem Grab verzehret wird. Solche Engel soll man auch anbeten / noch verunehren / und betrachten / daß sie noch aus deß Mannes Haubt / noch von seinen Füssen / sondern von seiner Seiten genommen / und Fleisch von seinem Fleisch / Bein von seinen Beinen / und ein Hertz von seinem Hertzen / welche von dem Ersten Menschen gesondert / durch den Ehestand aber mit den andern Menschen wiederum verbunden worden / biß der Tod solches Band mit seiner Sensen zuschneidet / das dann ohne Schmertzen nicht geschehen kan. Inzwischen aber solcher Verbindniß sind sie schuldig einander / wie Glieder an einem Leibe beyzustehen.

3. Dieses hat Benxamut und Hote Ararber in dem Königreich Marocco rühmlichst geleistet / und hat sich die Sache verloffen / wie folget. Die Portugesen führten Krieg wider die Mohren in dem Königreich Marocco / und überfielen sie so behänd / daß sie sich zerstreuet und geflohen / wie jeder gekönt. Unter den Entrunnenen war auch Benxamut / ein tapfferer Haubtmann / der einen guten Namen hatte unter den Ararbern / deßwegen er die Feldflüchtigen wieder samlete / und bey 70. Pferde zusammen brachte / als die Portugesen mit grossem Raub zurücke zogen / ungefehr zwo Meil von Marocco etc.

4. Unter den Gefangenen war auch Hote / Benxamuts Weiber eine / welche ihn von ferne ersehend / mit Namen zurufte / Benxamut / Benxamut / bate auch und erbate von dem der sie gefangen / mit ihrem Manne ein Wort zu reden / sagende / daß er nun seine Liebe gegen ihr erweisen / und seinem oft gethanem[243] Versprechen zu folge / sein Leben für sie darsetzen solte. Wol / sagte der Mann / gedulte dich / der Tag ist noch nicht vorbey / und der Sieg stehet bey Gott / der durch wenig so wol helffen kan / als durch viel.

5. Hote / nahme eine Hand voll Staub / und wurff solchen in die Lufft / sagend / so viel were auf seine Wort zu halten / und daß sie die Zeit ihres Lebens /über seine Untreue zu klagen Ursach habe / da er doch in dieser Welt niemand finden würde / der mehr Liebe gegen ihn trüge / etc. Benxamut zoge alsobald seinen lincken Schuhe auß / und wurffe ihn seiner Hote zu / ihr durch dieses Zeichen zu verstehen gebend / daß er sie nicht lassen wolte / nach dem Gebrauch dieser Völcker / welchen sie vielleicht von den Juden erlernet.

6. Mit diesem Entschluß eilet er zu den seinigen / und ermahnet sie mit einer beweglichen Rede / daß sie unverzagt den Feinden nachsetzen / und den Raub wieder abjagen wolten / welches er auf ihre Einwilligung so glücklich zu Wercke gerichtet / daß Ataida der Portugesen Feldmarschal von Benxamut selbsten durchschossen / und weil etliche Obersten üm den Befehl stritten / und einander würgten / hat dieser sein Weib errettet / und ist mit grosser Ehre wieder zurück gewichen.

7. Sein Weib hat ihm dergleichen eheliche Treue erwiesen / in dem Benxamut in einer andern Feldschlacht / seiner Feinde einem nachgesetzet / unnd von ihm ruckwarts in der Flucht durchschossen worden / hat sie ihm ein herrliches Grabmahl aufrichten lassen / und keine Speise noch Getranck zu ihr genommen / daß sie den neunten Tag todes verblichen / und vor ihrem Abbleiben befohlen / man solte sie neben ihren Mann begraben / als welchen sie die Zeit ihres Lebens brünstig geliebet / und auch von ihme in den Tod nicht wolle geschieden seyn. Osorius in seinem 12. Buch von den Portugäsischen Geschichten in 24. und 25. Cap.

8. Zu Erfüllung dieser Erzehlung wollen wir folgende Frage anfügen: Ob das Weib / oder der Mann zu ehlicher Liebe geneigter seye? Für das Weib streiten folgende Ursachen: I. bestehet die Liebe meinsten Theils in dem Wahn und der[244] Einbildung / welche bey den Weib viel stärcker ist / als bey dem Mann. II. Ist das Weib viel schwächeres Verstandes / und kan ihren fleischlichen Begierden so mächtig nicht widerstreben / als der Mann / welcher in allem vollkommener. III. Ist darauß abzunehmen / daß das Weib brünstiger lieben müsse / als der Mann / weil sie ihren Kindern auch vielmehr Neigung zuwendet. IV. Ist das schwache Weib / deß Mannes vielmehr benötiget / als der Mann deß Weibs / und hat die Natur ihnen deßwegen mehr Liebe eingepflantzet / weil alles ihr Glück und zeitliches Wolergehen an einer guten Heurat hanget; da hingegen ein Mann ohne Verachtung alten und zu Ehren kommen kann.

9. Man lieset auch / daß die Indianischen Weiber mit allem ihrem Schmuck zu ihren Männern in das Feuer springen und sich verbrennen / welches man von den Männern nit gehöret / die sich zwar / wie Benxamut / in Gefahr begeben / jedoch mit der Hoffnung / durch ihre Tapfferkeit dieselbe zu überwinden. Die Türcken gebrauchen viel Weiber / und diese alle lieben einen / der seine Lieb unter viel theilen muß: Wer wolte nun sagen / daß deß Mannes zertheilte Liebe nit viel schwächer / als eines solchen Weibes / die ihrem Manne getreu bleibet / unter so viel Nebenbulerinnen.

10. Für die Männer streiten folgende Ursachen / I. Weil er vollkommener und besser erkennen kan das / was zu lieben ist / als nit das Weib / deßwegen auch wegen verständiger Wahle beständiger lieben wird: Massen wir hier von ehlicher Tugend-Liebe reden / unter Vertrauten / die ehrliche Gemüter haben. II. Weil die Wahl und Anwerbung bey den Mann und nit bey der Jungfrauen stehet / so wol zu nehmen / als nach der Juden Recht einen Scheidbrief zu geben / wann man dem Weibe / wegen ihrer Unart ist gram worden. III. Ist der Mann das Haubt: Warumb solte er nicht auch in der Liebe / darinnen deß Ehestands Glückseligkeit bestehet / wie in andern Sachen den Vorzug haben. IV. Gleichet der verliebte Mann einem Geitzigen / der sich nicht kan ersättigen / seinen Schatz anzusehen / und desselben zu geniessen.[245]

11. Man möchte wol hierwider sagen / daß das Weib / wie in andren Sachen / auch in dieser ehlichen Neigung gegen ihrem Eheherrn unersättlich seye. Es bestehet aber die Liebe nicht nur in zulässiger Beywohnung / sondern auch in hülffwilliger Handbietung in allen begebenden Fällen / und sind die jenigen keine getreue Ehleute / welche nur zu Glůckszeiten beyeinander halten / zu Zeit der Anfechtung aber abfallen / welches zu geschehen pflegt / wann man nach Schönheit oder Reichthum geheuratet / und solcher hinfallenden Eitelkeit Endschafft erlanget.

12. Wir halten für sicher / daß in dieser Frage keine durchgehende Antwort zu setzen / weil es Männer giebet / die ihre Weiber mehr lieben / als die Weiber sie; und wiederum sich Weiber finden / welche sich mit beständigerer Liebe ihren Männern verbinden / als sie ihnen. Ins gemein aber darvon zu reden / wolte ich sagen / daß die Teutschen und Frantzosen ihre Weiber mehr lieben / als sie geliebet werden / die Hispanierin und Italiänerin / vermeine ich / lieben ihre Männer viel brünstiger / als sie von ihnen geliebet werden: Daher auch viel mehr Ehebrecher als Ehebrecherin der Orten zu finden / als in Teutschland.


Rähtsel.


Ich habe was ich such / ohn Werck / im Wort gefunden

Dardurch die gantze Welt wird Fesselfest verbunden.

Ich lehr / und niemand nicht erlernet meine Kunst /

die sonder Feuerglut besteht in Rauch und Dunst

Sie hilfft / sie hilfft gewiß / noch nicht nach andrer hoffen /

und hält mir (wie man sagt) den Beutel stetig offen /

Man hat mich / raht warum / mit grossem Lohn bezahlt /

daß ich mit Kohlenbrand die Sonnen abgemahlt?


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 242-246.
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