(CLXXXII.)

Ungeborner Kinder Hertzen.

[655] Etliche frevle Abenteurer wünschten / daß sie doch die liebe Sonne erlangen könten / nichts zweifflend /daß sie solche leichtlich bedecken / und ihren Schein verfinstern wolten. Es fůgte sich daß die liebe Sonne zu ihnen auf die Erde kommet / da tragen sie erstlich viel Leder und Tuch zu / die Sonne zu bedecken: Aber vergebens / dann solches alles in einem Nu verbrannte. Sie brachten grosse Stein und Sand: mochten aber kein Hauß bauen daß die Sonne bedecken konte. Sie brachten viel Wasser aus dem Meer: Die Sonne aber liesse sich nicht ausleschen / sondern verzehrte diese böse Buben / und begabe sich wieder an das Firmament ihren ordentlichen Lauff zu verrichten.

2. Also vermeinen die ruchlosen Sünder das Angesicht Gottes zu betrůgen / welches heller leuchtet als die liebe Sonne / in dem sie ihre Mißhandlungen so sie für der Menschen Augen verbergen / auch für Gottes Augen verhůllen wollen. Ein gantz thörigter Wahn. Gott der in das verborgne sihet hat viel uns unbewuste Mittel das übel zu straffen / und bleibt es bey dem alten Sprichwort:[655]


Es ist nicht so klein gesponnen /

das nicht kommet an die Sonnen.


3. Dieses hetten wissen sollen zween böse Buben welche unlengsten bey Upsal in Schweden unerhörte Thaten begangen / und begehen wollen / wann sie nicht ergriffen und darinnen ümgekommen weren /wie wir aus glaubwürdigen Briefen von dar berichtet werden / und solche Geschichte billich auf unsren Schauplatz stellen / weil sie eine jämmerliche und seltne Begebenheit ist / dergleichen schwerlich gelesen oder gehöret worden.

4. Zweene Rauber ergreiffen einen Bauersmann und nehmen ihm alles Geld / so viel sie bey ihm finden. Der Beraubte bate üm sein Leben / und sagte /daß er arm / ein schwangers Weib zu Hauß hinterlassen / und daß dieses alles sein Vermögen / sie solten sich seiner erbarmen etc. So bald diese Gesellen von dem schwangern Weib hörten / gaben sie ihm gute Wort / und sein Geld / darům er Käse kauffen wollen / stelten sie ihm wieder zu / ihme noch hundert Thaler versprechend / wann er ihnen sein Weib lieffern würde / wiesen ihm auch das bare Geld in ihren Händen.

5. Diesen treulosen Mann blendete das Sonnen Metal / daß er alle ehliche Liebe aus den Augen setzete / und ihnen versprache / sein Weib zu verrahten /und eben an diesem Ort zu liefern. Wie listig gehet er diesen Betrug an? Er eilet nach Hause / und giebet für / er habe sein Häußlein / mit aller Zu- und Eingehör verkaufft / welches doch nicht sein eigen / sondern ihme von seinem Weibe / zum Heurahtgut zugebracht worden.

6. Das Weib / saget daß sie mit dieser Handlung nicht könne zu frieden seyn / mit daß sie das ihrige nicht also vergeuden lasse etc. Wol antwortet der Mann / so komm mit / wir wollen sehen / ob wir den Kauf können hintertreiben / und uns mit den Kauffern gütlich oder rechtlich absinden. Das Weib willigte darein: jedoch mit verzagten Hertzen / und hette sich /ausser so wichtiger Sache nicht über Feld zu gehen unterstanden.[656]

7. Auf den Weg andete sie / daß ihr ein grosses Unglůck bevorstehe / und weil sie bey ihrem Bruder der ein Wildschütz / verbey gehen muste / bate sie ihn heimlich er wolle ihr doch einen Beystand laisten /und sich bemühen daß das verkauffte Hauß ihr verbleiben möge. Der Wildschütz sagte / daß er beschäfftiget / wolle aber an bestimmten Ort / bald hernach kommen / sie solte nur mit ihrem Manne vorgehen / wie auch beschehen.

8. Als sie nun in den Wald kamen / wie die Mörder und Rauber ihrer warteten / empfäht der Mann die helffte von dem versprochnen Gelde und entfliehet: Die Mörder aber binden das schwangere Weib an den Baum und entblösen sie / darüber sie hefftig anfängt zu schreyen / noch viel erbärmlicher auch das Geschrey vermehret / als sie sihet / daß ihr der ein mit einem grossen und scharffen Messer den Leib aufschneiden / und wie sie leichtlich erachten könte / sie und ihre Leibsfrucht zu tödten begehrte.

9. Der Bruder höret von ferne das Geschrey / eylet ihr zu Hülffe zu kommen / und weil er diese That so geschwind nicht verhindern möchte / schlägt er sein Rohr an / und schiesset eben den / der das Weib auffschneiden wollen zu Boden: kommet darauf hinzu /und schlägt dem andern das Rohr über das Haubt /löset also seine Schwester wieder auf / welche bereit verwundet worden / bindet den noch überigen Thäter mit eben denselben Stricken / und führt ihn mit sich nach Upsal / da er mit glüenden Zangen gebrennet und lebendig gerädert worden.

10. Bevor dieser Uhelthäter mit wol verdienter Straffe angesehen wurde / hat er bekennet / daß sein Gesell und er bereit zweyer ungebornen Kinder Hertzen gehabt und vermeinet das dritte also darzu zu bekommen / mit welchen sie für allen Menschen bestehen / allen ob siegen / sich unsichtbar machen / grossen Reichthum zusammen bringen / und allerley Wunder hetten thun können.

11. Also betrůget der Ertzmörder die ihme vertrauen und glauben / und begnüget sich nicht mit[657] einem oder zweyen Mordthaten / sondern Mutter und Kind /ja ungetauffte und unschuldige Kinder trachtet er besagter massen zu verderben / und die jenigen welche dergleichen unterfangen / sind ihme auch ein gewissens Unterpfand.

12. Der Mann / welcher entflohen / ist mit dem Gelde zu rucke nach Hause kommen / und hat nicht vermeint daß er unrecht gethan: Man hat ihn aber als den Heler und Ursacher solches Menschenraubs auch in Verhafft gebracht / und zu verdienter Straffe gezogen. Der Leichnam deß entleibten ist auf den Schindacker den Thieren zur Speise worden / weil man einen solchen unerhörten Mörder so wenig der Begräbnis wehrt geachtet / als seinen Gesellen / der auf den Rad verwesen und den Vögeln zu theil werden müssen.

13. Es ist aber bey dieser That sonderlich zu beobachten / daß dieser Gottvergessnen Leute / Sünde durch den darzukommenden Bruder ist offenbar worden / und ist das Weib / ohn zweiffel aus Göttlichen Eingeben / bey selben eingekehret / und hat ihn zu einem Beystand / wiewol in unbewuster Sache / erbetten. Was diese Gesellen die Zeit ihres Lebens begangen / und für der Menschen Augen verborgen gehalten / hat Gott auf solche weise an das Liecht bringen und gebührlich abstraffen wollen.

Gleich wie der Sonnen Liecht bescheint den Kreiß der Erden /

So kennet Gott der HErr der Menschen Hertz und Sinn

für ihm ist nimmer nicht verborgen ihr Beginn.

Was lang verborgen lieg / muß offenbaret werden.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 655-658.
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